Architekturobjekte
Heinze ArchitekturAWARD 2022: Teilnehmer
Das Barn Haus in Holladay, Utah
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Atelier Jörg Rügemer
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Atelier Jörg Rügemer
Basisdaten zum Objekt
Lage des Objektes
East Canyon Winds Lane 3555, 84121 Holladay, Utah, Vereinigte Staaten von Amerika
Objektkategorie
Objektart
Art der Baumaßnahme
Neubau
Fertigstellungstermin
01.2020
Nachhaltigkeit
Passivhaus-Zertifizierung
Zeichnungen und Unterlagen
Projektbeteiligte Firmen und Personen
Verwendete Produkte
Gebäudedaten
Raummaße und Flächen
Bruttorauminhalt
1.000 m³
Bruttogrundfläche
355 m²
Nutzfläche
77 m²
Verkehrsfläche
47 m²
Wohnfläche
212 m²
Grundstücksgröße
4.000 m²
Kosten
Veranschlagte Rohbaukosten des Bauwerks
980.000 Euro
Gesamtkosten der Maßnahme (ohne Grundstück)
1.400.000 Euro
Beschreibung
Objektbeschreibung
Das Barn Haus (Scheunenhaus) Projekt begann 2017, als Atelier Jörg Rügemer von den deutschstämmigen Bauherren kontaktiert wurde, die auf der Suche nach einem Architekten war, der für sie und ihre Familie im Großraum Salt Lake City ein energieeffizientes Wohnhaus entwerfen und auch für die entsprechende Qualitätssicherung während der Bauphase sorgen würde. Atelier Jörg Rügemer hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere kleine, für den Südwesten der USA hochinnovative Wohnprojekte in Utah realisiert, die jeweils weit über die lokalen Baustandards hinausgingen.
Entwurfsstrategie
Das von der Bauherrenschaft erworbene, ca. 4.000 m2 große Baugrundstück liegt auf 1.650 Meter Höhe oberhalb des Salt Lake Tales an einem Südhang mit ca. 15% Neigung. Es bietet atemberaubende Blicke nach Süd-Südwest über das Tal und nach Nord-Nordost direkt in die westlichen Ausläufer der Rocky Mountains. Das Bauland ist ehemaliges Grasland für Pferde und ist im Kataster noch heute als solches ausgewiesen. Daraus entstand der Entwurfsansatz des Barn Hauses, der auf einer abstrakt-modernen, räumlich-formalen Interpretation der vorherrschenden Scheunentypologie im Südwesten der USA beruht. Das Ergebnis ist der vom Atelier Jörg Rügemer geprägte Begriff des Utah Contemporegional Style, der sich am besten mit der zeitgenössischen Interpretation und Verwendung von regionalen Bauelementen übersetzen lässt, und damit eine augenfällige Verbindung zum Genius Loci schafft. Die auf lokalen Elementen beruhende, reduzierte und klare Formensprache des Barn Haus spiegelt die Einfachheit, Funktionalität und Ausdrucksweise dieser landwirtschaftlichen Formensprache wieder und kommt dabei ohne die in der Gegend sonst üblichen, massiven dekorativen Überformungen aus.
Das Baugrundstück, mit seiner von Ost nach West verlaufenden Topografie, bestimmte maßgeblich weitere Entwurfsschritte – anders als örtlich üblich, schmiegt sich das Haus entlang der Höhenlinien wie selbstverständlich in den Hang ein und bietet den Nutzern verschiedene Außenräume, die entsprechend den Jahreszeiten bespielt werden können. Darüber hinaus wurden dadurch Erdarbeiten minimiert und der Ab- und Antransport von Baugrund und Erde vermieden. Weitere entwurfsbestimmende Faktoren waren nutzbares Tageslicht und das solare Wärmepotential der tiefstehenden Wintersonne, die sowohl die sorgfältige Platzierung des Gebäudes auf dem Grundstück als auch die Anordnung aller Fensteröffnungen entsprechend der jeweiligen Raumfunktionen prägten.
Baukörper
Um auf dem sehr exponierten Grundstück nicht massiv zu wirken, wurde der Gesamtbaukörper in drei kleinere Baumassen unterteilt: das Haupthaus im Westen mit seinen Gemeinschaftsfunktionen und einer schlanken, linearen Ost-Westausdehnung, die Blicke in alle Richtungen erlaubt, und das Osthaus mit privateren Funktionen wie den Schlafzimmern, das senkrecht zum Haupthaus angeordnet wurde, und damit Schlafraumausrichtungen nach Norden und Süden erlaubt. Verbunden sind beide Elemente durch das flachdachige Treppenhaus, in dem sich die Ahornholztreppe befindet, deren offen strukturierte Seitenwand an die Saiten eines Klavieres erinnert und damit der Bauherrin als ausgebildete Sängerin und Musikerin Tribut zollt. Die sowohl vertikal als auch horizontal verbindende Funktion des Mittelbaus ist auch an der Außenfassade ablesbar – beide Haupteingänge befinden sich hier und sind im Außenraum durch die Eingangstreppe verbunden.
Innenräume
Die Organisation der Innenräume in den drei Baukörpern folgt den funktionalen Anforderungen der Bauherren sowie deren Tagesabläufe und ist jeweils hinsichtlich Funktion, Tageslichtnutzung und Aussicht optimiert. Der große Scheunenraum ist als Familienraum konzipiert und folgt mit seiner Anordnung über der Garage der traditionellen Anordnung von Wohnräumen über dem Viehstall in ländlichen Räumen. Hier wird, ähnlich wie bei der historischen Nutzung der Tierwärme zu Heizzwecken, die aufsteigende Abwärme der Motoren zum Teil wiederverwertet – zumindest so lange bis die Bauherren auch ihr zweites Auto elektrifizieren. Im Scheunenraum befinden sich die Gemeinschaftsfunktionen Küche, Essbereich und Wohnzimmer als ein großer, tageslichtdurchfluteter und heller, auch nach oben offenem Raum. Dem Wunsch des als Anästhesisten und damit im Schichtendienst tätigen Bauherren nach größtmöglicher Ruhe im Schlafzimmer wurde dadurch Rechnung getragen, dass alle Schlafzimmer im Osthaus und durch das Treppenhaus getrennt von den gemeinsamen Familienräumen untergebracht sind, und darüber hinaus das Elternschlafzimmer am weitest entfernten Ort vom Scheunenraum angeordnet wurde – nämlich im Norden des oberen Geschosses. Der im Osthaus im Untergeschoss angeordnete Film-und Musikraum wurde aus diesem Grund akustisch vom Rest des Baukörpers isoliert.
Materialwahl
Das Gebäude wurde in der ortsüblichen Holzständerbauweise errichtet, wobei versetzte, doppellagige Ständeraußenwände Platz für 32 cm eingeblasener Zellulosedämmung bieten – die Zwischenräume zwischen den industriell gefertigten Holzdachträgern wurden mit 40 cm Zellulosedämmung gefüllt. Dreh-Kippfenster und Türen der Firma Zola stellen das Äquivalent eines deutschen Niedrigenergiehausproduktes dar und waren zur Zeit der Bauphase das einzige direkt in den USA vertriebene Fensterprodukt, welches annähernd dem von Deutschland gewohnten Qualitätsstandard im Fensterbau entspricht. Grundsätzlich wurden alle Materialien nach Langlebigkeit und niedrigem Schadstoffgehalt ausgewählt, was auch für angewendete Baukleber, Dichtmassen, Farben etc. gilt.
Als eines der wichtigsten, dynamischen Materialien wurde das Tageslicht konsequent in den Entwurf mit einbezogen und dabei für jeden Raum simuliert und optimiert, was an sonnigen Tagen zu einer eindrucksvollen Lebendigkeit während des Tagesverlaufes führt. Die reduzierten Innenraummaterialen beschränken sich auf helles Ahornvollholz, das als Bodenbelag im gesamten Haus auf Leichtbetonböden mit Fußbodenheizung/-kühlung verlegt wurde und sich darüber hinaus in den Fensterrahmen und dem großen Barn Haus-Esstisch, der als Teil des Entwurfskonzeptes vom Architekten mitentworfen wurde, wiederfindet; hellgraue und -beige Villeroy & Boch Fliesen in der Küche und den Badezimmern, und mattweiße, das Tageslicht reflektierende Wände in allen Räumen. Diese bewusste, sehr neutral gehaltene Materialreduktion erlaubt es den Bauherrschaft, ihren eigenen Lebensstil problemlos in das Gebäude zu integrieren.
Im Außenraum wurden ausschließlich haltbare, nicht brennbare und überwiegend wartungsfreie Materialien verbaut: Rieder Öko-Skin faserverstärkte Fassadenplatten; verzinkte Metallstehpfalzdächer, Außenputz auf Beton, aluminiumverkleidete Vollholzfenster und Glas. Ähnlich wie Kalifornien, Nevada und Arizona ist auch Utah vom anhaltenden Klimawechsel durch verlängerte und extremere Dürreperioden betroffen, welche die jährliche Waldbrandsaison in den vergangenen Jahren bereits um mehrere Monate verlängert hat. Zusammen mit einer mehr oder weniger vegetationsfreien 30m-Feuerzone um das Haus stellen die verbauten Außenmaterialien eine direkte Antwort auf diese wesentlich verstärkte Gefahr dar.
Gebäudeperformance und -Systeme
Wunsch der Bauherren und Ziel des Barn Haus-Entwurfes war die zumindest theoretische Erreichung des Nullenergiestandards bezogen auf die vor Ort verbrauchte Nutzungsenergie. Dazu wurde der gesamte Entwurf entsprechend dem Passivhausstandard entwickelt und im Passivhaus – Planungspacket simuliert; darüber hinaus wurde Sefaira-Energie- und Tageslichtsimulationssoftware eingesetzt. Die Bauteile Wände, Dächer und vollisolierten, wärmebrückenfreien Bodenplatten entsprechen ebenso dem Passivhausstandard wie die n-50 Gebäudeleckrate, die bei 0.6 h-1 liegt. Nur bei den Fenstern wurde während des Entwurfsprozesses entschieden, auf Dreifachverglasung zu verzichten, da der wesentliche Kostenaufwand zwischen der Doppel- und Dreifachverglasung ziemlich genau den Kosten für die verbaute 6.2 kW Solaranlage entsprach. Obwohl die U-Werte der Fenster damit um ca. 25% verringert sind, wurde die eigentliche Gesamtgebäudeperformance mit der Photovoltaikanlage wesentlich näher an das Ziel des Nullenergiestandards gebracht. Dabei war es nicht das Ziel, einen bestimmten Standard wie Passivhaus oder den in den USA eher üblichen LEED-Standard zu erreichen und zertifizieren zu lassen, sondern durch vernünftige und strategische Entscheidungen das Ziel eines sehr geringen Energieverbrauchs zu erreichen, dies schon auf der Entwurfsseite, um die notwendige Haustechnik zu minimieren. Dazu wurde die gesamte Heizungs-, Kühlungs- und Brauchwasseranlage auf elektrischen Wärmepumpenkomponenten und mehreren horizontalen Erdwärmetauscherschleifen, die um das Haus herum angeordnet sind, ausgelegt; nur der auf Bauherrenwunsch eingebaute, direkt belüftete Gaskamin und das Zweiplattengaskochfeld benötigen einen Gasanschluss, ansonsten wird das gesamte Gebäude elektrisch und über die Solaranlage betrieben. Für konstant frische Außenluft sorgt eine mechanische Zehnder-Ganzhauslüftung mit Wärmerückgewinnung.
Die Ergebnisse der Verbrauchssimulationen weisen als jährliche Heizwärmebedarf ohne die Einbeziehung der Solaranlage 16,84 W/m2 auf, was nur unwesentlich über dem Passivhausstandard von jährlichen 15 W/m2 liegt. Allerdings kommen noch einmal 3,82 W/m2 Jahr für den notwendigen Kühlungsbedarf hinzu – die Sommer in Salt Lake City’s Hochwüstenklima sind sehr trocken, und Tageshöchsttemperaturen nahe 40ºC über mehrere Wochen sind keine Seltenheit. Der Gebäudeenergieverbrauch wird seit dem Sommer 2020 in einem sogenannten Post-Occupancy Monitoring begleitet, um nach 2 Jahren Nutzung zu entscheiden, ob zusätzliche Solarzellen eingebaut werden müssen, damit der Nullenergiestandard erreicht wird.
Beschreibung der Besonderheiten
Generelle Baustandards in den USA und spezifisch die in Utah können nicht mit den wesentlich höheren Bau- und Qualitätsstandards in Deutschland verglichen werden – dies gilt insbesondere im Einfamilienhausbau. Um die für den Standort hoch gesteckten Qualitäts- und Performanceziele zu erreichen, war es notwendig, einen Design-Build-Prozess anzuwenden, der mit den Verantwortlichkeiten eines Architekten in Deutschland vergleichbar ist. In dem in den USA üblichen Prozessen im Einfamilienhausbau (und oftmals auch im kommerziellen Sektor) entwirft und begleitet der Architekt ein Gebäude höchstens bis zum Bauantrag – eventuell gibt es darüber hinaus einige Leitdetails. Dieses Packet wird an den Generalunternehmer übergeben, der das Projekt komplett übernimmt und so ausführt, wie er es für richtig hält. Qualitätskontrolle findet ausschließlich auf der Ebene der geltenden Baurichtlinien statt und wird von dem vom Bauamt bestellten Inspektoren ausgeführt – der sehr niedrige Baustandard in den USA erklärt damit die oftmals minderwertige Qualität und Ausführung der Gebäude. Architekten sieht man in diesen Projekten selten auf den Baustellen, womit auch in der Ausführung oftmals Dinge anders ausgeführt werden als ursprünglich geplant. Für das Barn Haus wurde die ausführende Firma als Generalunternehmer deshalb schon früh in den Entwurfsprozess mit einbezogen und während des gesamten Bauprozesses durch regelmäßige, mindestens wöchentlich stattfindende Baustellenbesprechungen durch Atelier Jörg Rügemer und der Bauherrschaft unterstützt und kontrolliert. Dabei schlüpfte die Bauherrin in eine eher ungewöhnliche Rolle, indem sie über die offiziellen Besprechungen hinaus fast täglich von der Baustelle aus mit Fotos und Kommentaren berichtete und damit auftretende Probleme sofort adressiert werden konnten.
Auszeichnungen
2021: Design Arts Utah: “The Site Net Zero Energy Barn House in Holladay, Utah." Salt Lake City, Utah.
Schlagworte
Energetische Kennwerte
Energetische Kennwerte
Primärenergiebedarf ("Gesamtenergieeffizienz")
63,00 kWh/(m²a)
Heizenergieverbrauchswert
15,80 kWh/(m²a)
Stromverbrauchswert
63,00 kWh/(m²a)
Energiebedarf (Prozentuale Verteilung)
Heizung
24 %
Warmwasser
19 %
Beleuchtung
38 %
Lüftung
7 %
Kühlung inkl. Befeuchtung
10 %
Objektdetails
Gebäudespezifische Merkmale
Anzahl Arbeitsplätze
1
Anzahl Betten
7
Anzahl Stellplätze
3
Das Objekt im Internet