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Architekturobjekte

Heinze ArchitekturAWARD 2020: Teilnehmer


Ein Rathaus für Zürich

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: TU Kaiserslautern, Architektur, Tobias Kohlstruck

Städtebauliches Modell - Ein Rathaus für Zürich

© Bernhard Friese, Pforzheim

Fassadenmodell - Ein Rathaus für Zürich

© Bernhard Friese, Pforzheim

Schnittmodell Ratsaal - Ein Rathaus für Zürich

© Bernhard Friese, Pforzheim

Haupteingang - Ein Rathaus für Zürich

© Tobias Kohlstruck, München

Ausblick - Ein Rathaus für Zürich

© Tobias Kohlstruck, München

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: TU Kaiserslautern, Architektur, Tobias Kohlstruck

Basisdaten zum Objekt

Lage des Objektes

Schweiz

Objektkategorie

Objektart

Art der Baumaßnahme

Entwurfskonzept

Fertigstellungstermin

08.2023

Gebäudedaten

Tragwerkskonstruktion

Holz

Anzahl der Vollgeschosse

3- bis 5-geschossig

Beschreibung

Objektbeschreibung

Die Stadt Zürich hat ein Rathaus. Ein Rathaus, das seit mehreren hundert Jahren an ein und dem selben Ort steht. Ein Rathaus, das von den Abgeordneten geschätzt und geliebt, jedoch von den Bürgern der Stadt so gut wie nicht wahrgenommen wird. Es liegt am Ufer der Limmat. Dort wo die Altstadt den Sprung über den Fluss macht. Mitten im Leben eigentlich. Man läuft allerdings daran vorbei, anstatt das Haus der Stadt zu betreten. Nur die breite Rathausbrücke verbindet direkt am Rathaus den Osten der Altstadt mit dem Westen und macht durch ihre schiere Größe auf das Rathaus aufmerksam. Nur die politischen Kundgebungen, die sich bis auf die andere Uferseite erstrecken können,  lassen das politische Herz der Stadt erahnen. 
Inzwischen ist das Rathaus allerdings baufällig. Der Brandschutz ist nicht mehr gegeben und der technische Standard ist längst nicht mehr ausreichend. 
Aber das Haus hat Charme. Es spricht für die Historie der Stadt. Für die Beständigkeit und Ruhe, die die Schweizer und insbesondere die Zürcher auszeichnet. 

An der gleichen Stelle stand bereits 1252 ein erstes «Richthus», das 1397 einem größeren und wohl auch für die damaligen Verhältnisse repräsentativeren Rathaus weichen musste. Es wurde auf einem bereits bestehenden Gewölbe über der Limmat errichtet.

1693 beschloss der Kleine Rat der Stadt Zürich einen Neubau. Dabei sollte der Neubau zwar ansehnlich, nicht aber prächtig aber dennoch gut für Zürichs Ansehen sein. Bei der Planung des Neubaus kam es zu einem Kompromiss zwischen zwinglianischer Bescheidenheit, Repräsentationsbedürfnis und Sparsamkeit. Der Neubau stand in Zusammenhang mit der erneut gestiegenen Bedeutung der Stadt. Da kein bedeutender Baumeister beigezogen wurde, ist das Gebäude in seiner Form auch kein grosser Wurf, sondern ein einfacher dreistöckiger längsrechteckiger Bau.

Der gedrungene Ratssaal, das Herzstück eines jeden Parlamentsgebäudes, ist aufwendig vertäfelt. Eine große und mit schweren Beschlägen versehene Holztür trennt den Ratsaal von der Vorhalle. Die Abgeordneten der Stadt und des Kantons sitzen wie die Sardinen auf den herunterklappbaren Stühlen und es herrscht reges Treiben. Nur selten ist es so ruhig, dass man auch als Zuschauer aufpassen muss, das man nicht zu laut spricht. Am Kopf sitzt der Ratspräsident - wenn er spricht parieren jedoch alle. 

Nun soll es woanders stehen. Das Rathaus. Das Herz der Stadt. Doch Zürich hat sich weiterentwickelt. Längst ist sie nicht mehr nur die Stadt am Fluss. Sie ist vor allem die Stadt am See. Das erkannten bereits viele zuvor. Mit der axial vom Bahnhof bis zum See führenden Überbauung des Kratzquartiers, der die damalige gewachsene Quartiersstruktur weichen musste, wurde ein Stück Stadtgeschichte negiert. Nichts - nicht einmal der Kratzturm, der selbst Bestandteil der ehemaligen Befestigungsanlage war, durfte an das dörfliche und zum großen Teil von Armen und Bettlern bewohnte Quartier der aufblühenden Stadt erinnern. Potential wurde darin damals nicht erkannt. 

Heute führen auf der Bahnhofstraße, die  Prachtstraße Zürichs, stattliche Fünfgeschosser vom Bahnhof über den Paradeplatz bis hin zum… Ja, wohin eigentlich? „Die Bahnhofstraße versinkt im See.“ Auch das ist keine neue Erkenntnis, sondern wurde bereits vor 15 Jahren von Werner Huber niedergeschrieben. 

Alles bekannte Probleme. Hinzukommt das immense Verkehrsaufkommen, dass an einem der potentiell schönsten Orte der Stadt eine Schneise in das Boulevard schneidet. Tram, Busse und PKWs trennen den ehemals als Stadthausanlage geplanten und aktuell nur durch den Wochenmarkt und den regelmäßig am Wochenende stattfindenden Flohmarkt genutzten vollflächig versiegelten Platz von der wunderbaren Aussichtsplattform - der Bürkliterrasse. 
Alles zum Wohle des Wachstums der Stadt und des Wohlstandes der Bevölkerung. 
Die Stadt hat aber das Dilemma erkannt und plant die sukzessive Reduzierung des Individualverkehrs. Der öffentliche Personennahverkehr ist jetzt bereits komplett elektrisch und soll weiterhin stark ausgebaut werden. Es gibt eine Initiative, die ganze Innenstadt von Autos zu befreien. Ob diese erfolgreich sein wird ist ungewiss — jedoch ist es ein beachtliches Ziel. 

Aber auch städtebaulich haben sich in den letzten mehreren hundert Jahren große Namen mit der Situation rund um das aktuelle Planungsgrundstück beschäftigt. 

So wurden bei einem Wettbewerb der Stadt aus dem Jahr 1858 Entwürfe von Ferdinand Staller, Karl Pestalozzi, Breitinger, und insbesondere von Gottfried Semper eingereicht. Doch vermochte es keiner so wirklich den Anforderungen der Stadt gerecht zu werden. Erst mit Arnold Bürkli wurde 1900 ein Teil der Vorschläge Sempers in einem Plan umgesetzt. 
Das Kratzquartier war da bereits seit zehn Jahren nicht mehr existent.

Die Planungen Bürklis sahen eine strenge axiale Anordnung vor die sich auf die Aussichtsplattform zuspitzen sollte. Die großzügige Stadthausanlage war die größte innerstädtische Grünanlage und zugleich das repräsentative Eingangstor der neuen Stadt am See.
Der Neubau der Zürcher Geschäftsstelle der Schweizer Nationalbank der Gebrüder Pfister aus dem Jahr 1922, der nur zu Stande kam, da Bern und nicht Zürich den Zuschlag für das Bundeshaus der Schweiz bekam, konterkariert die Idee Sempers und Bürklis der sich zum See hin öffnenden Stadt. Die Bank dreht dem See den Rücken zu und schafft nur auf den ersten Blick einen standesgemäßen Abschluss. Die in den folgenden Jahrzehnten ausgelobten Wettbewerbe scheiterten zumeist an der Konkretisierung und nicht zu letzt auch am Geld. Prachtbauten, Monumente, Aufschüttungen und auch so manche Utopie schafften es nicht den Ansprüchen der Zürcher Rechnung zu tragen. 

Bescheiden aber nicht bieder. Repräsentativ aber nicht protzig. Der Öffentlichkeit zugänglich aber auch nicht vollkommen transparent. Eine komplexe Situation, die nach einer einfache Lösung verlangt. 

Das neue Rathaus rückt an eine Stelle, an der beide, Limmat und Zürichsee spürbar werden. Es führt die Logik des vorhandenen Städtebaues in seiner Grundidee fort und bildet zusammen mit den umliegenden historischen Gebäuden ein Ensemble. Die strenge Symmetrie, die sich einfügende Kubatur und nicht zuletzt der vor dem Rathaus liegende und zum See hin orientierte städtische Platz sprechen eine klare Sprache.
Wo zuvor ein Platz ohne Gesicht und Ordnung war, gibt die subtil durch das Ausgleichen des Höhenniveaus hin zum Zürichsee entstehende Aufkantung Halt und richtet den Blick direkt auf den Zürichsee. Die über Jahrhunderte gewachsene Zeder bleibt erhalten und der Platz kann seiner Aufgabe als Versammlungsstätte für Demonstrationen, Aufführungen und Wochen- sowie Flohmärkte endlich gerecht werden.
Der aus der Mitte gerückte Musikpavillon lässt den Geist der ehemaligen Stadthausanlage am Leben und ist gleichzeitig Ausgangsort für weitere Veranstaltungen. Der denkmalgeschützten Nationalbank steht das Rathaus mit dem nötigen Respekt gegenüber - aber auch nicht mehr. 

Das Eingangsportal führt direkt zum Zürcher Stadtmodell. Das großzügige Erdgeschoss ist für alle Bürgerinnen und Bürger offen. Es dient der Stadt als Ausstellungsfläche, den Bürgerinnen und Bürgern als Forum und den Besucherinnen und Besuchern als erste Anlaufstelle nach der Ankunft in der Stadt. 
In den Obergeschossen führt der klare Aufbau der Grundrisse über den sich ins Erdgeschoss abzeichnende Veranstaltungssaal und die Verwaltungsbüros hin zum Herzstück des Hauses. Der Ratsaal und die sich daran anschließenden Sitzungs- und Kommissionszimmer verteilen sich auf die obersten Geschosse. 
Das Erscheinungsbild lässt sich als schlicht, jedoch aber als wertig beschreiben. Der Begriff der edlen Simplizität, als ästhetisches Kriterium beschreibt die Tendenz zum Understatement und die Skepsis gegenüber allen prunkvoll und übertrieben aufwendigen Gestaltungsformen. Eine Haltung die dem Geist und der Geschichte der Stadt entspringt.

Konstruktiv folgt das Rathaus der Logik seiner Ästhetik und verzichtet bewusst auf übermäßige Komplexität im Aufbau von Boden, Wand und Dach. 
Holz, Beton und Glas bilden die drei Eckpfeiler. Durch den einschaligen Aufbau und die Möglichkeit alle Räume natürlich zu be- und entlüften, kann auf den übermäßigen Einsatz von Technik verzichtet werden. 

Der spielerische Umgang mit Öffnungen und Kontext lässt das Haus trotz seiner Einfachheit nicht banal erscheinen. Der konstruktiv notwendige Halbkreisbogen im Erdgeschoss dreht sich in den Obergeschossen um und lässt den Betrachter im ersten Moment irritiert zurück — formuliert jedoch gleichzeitig auch das neue Gesicht der Stadt. 

Auf dem nicht nur bauphysikalisch vorteilhaften kalten Walmdach ragen zwei Frischluftkamine empor, die eine hochtechnisierte Lüftungsanlage für den Ratsaal obsolet machen. Alle Räume des Hauses sind natürlich oder mit geringem technischen Aufwand zu be- und entlüften. 

Der Holzbau und die traditionelle Holzschindelfassade sind nicht nur eine Hommage an den Schweizer Holzbau, der bisher kaum in der Stadt Fuß fassen konnte, sondern neben dem zukunftsorientierten Aspekt auch ein Augenzwinkern auf den Holzbau im Schweizer Stil, der durch ornamentale Muster im Kleinen Bauteil geprägt ist. Das kleinteilige Ornament wächst hier zu einem monolithischen Ganzen zusammen und bildet eine Einheit. Zudem finden einige Details aus dem alten Rathaus den Weg in das neue demokratische Herz der Stadt.

Dem Rückbau des Alten Rathauses in seinen ursprünglichen Zustand folgt die Umwandlung in ein demokratiehistorisches Museum der Stadt und des Kantons Zürich. 

Auszeichnungen

Beste Diplomarbeit mit Auszeichnung des fatuk an der TUK 2019/20

Schlagworte

Rathaus, Zürich, Schweiz, Diplom

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