Architekturobjekt 33 von 271
Nominiert für die Shortlist der Jury 2023 - Nachwuchsarbeiten

Architekturobjekte

Nominiert für die Shortlist der Jury 2023 - Nachwuchsarbeiten


eine Ästhetik der Schwere - Monolithisches Bauen mit Naturstein in der Kulturlandschaft Schwarzwald

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Technische Universität Wien, Architektur, Phillip Bollinger

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Technische Universität Wien, Architektur, Phillip Bollinger

Basisdaten zum Objekt

Lage des Objektes

Deutschland

Objektkategorie

Objektart

Art der Baumaßnahme

Entwurfskonzept

Fertigstellungstermin

01.2022

Gebäudedaten

Bauweise

Sonstige

Tragwerkskonstruktion

Sonstige

Anzahl der Vollgeschosse

1-geschossig

Beschreibung

Objektbeschreibung

Diese Arbeit ist eine Annäherung an die Charakteristika des Gesteins unter Berücksichtigung zeitgemäßer ökologischer, statischer und nicht zuletzt ästhetischer Anforderungen. Im Bewusstsein der prägenden Bedeutung regionaler Baustoffe für eine Kulturlandschaft bezieht sich diese Arbeit auf die regionalen, baukulturellen und geologischen Eigenheiten des Buntsandsteins in der Kulturlandschaft Schwarzwald.
Die Methodik folgt einer tiefgreifenden Recherche zum Erhalt eines allen Bedingungen umfassenden Verständnisses des Materials und führt über das Formen und Fügen zur Ordnung und schließlich zum Raum.

Diese Arbeit ist ein Versuch einer Annäherung, gar einer Renaissance eines Baustoffes, der angesichts einer zunehmenden Komplexität des Bauens und der steigenden technischen Anforderungen an Materialien beinahe anachronistisch wirkt, da er den Gedanken einer Vereinfachung des Bauens, einer Besinnung auf die reine Materie des Stofflichen und den Grundlagen der Architektur impliziert. Dabei trifft doch diese Rückbesinnung auf das Wesentliche den Zeitgeist und kommt nicht umhin den Begriff der Nachhaltigkeit zu bemühen. Dieser erfährt eine zunehmend inflationäre Verwendung. Dabei umfasst der Begriff unterschiedlichste Deutungen. Durch die Forstwirtschaft geprägt beschreibt er eine beständige Bedarfsbefriedigung durch die Bewahrung der natürlichen Vorkommen. In der gegenwärtigen Situation stellt sich also die Frage ob die gängigen Konstruktionsmethoden, die einen exzessiven Verbrauch von energiehungrigen Baustoffen wie Stahl oder Beton bedingen, zukunftsfähig sind. Dies führt zum Einen zu einer nachdrücklichen Forschung bezüglich neuer Baustoffe als auch zu einer Neubetrachtung historischer Baustoffe, die über die Zeit in die Peripherie verdrängt wurden.
Eine Definition der Nachhaltigkeit für die Architektur unterliegt im Wesentlichen auch die Notwendigkeit der Permanenz von Bauten. Architekturen die Generationen überdauern und deren Qualität allen Widrigkeiten und Veränderungen trotzt. Das Bauen mit Naturstein stellt immer auch die Frage nach der „Modernität“ in den Raum. Jedoch erscheint mir dieser Begriff im Zusammenhang mit der Architektur kaum vereinbar. Beschreibt doch dessen Gültigkeit nur einen äußerst geringen Zeitraum in der Konfrontation mit der Lebensdauer unseres materiell gestalteten Raumes. Die ältesten Gebäude unserer gebauten Umwelt übersteigen teilweise um ein vielfaches die Lebenserwartung eines Menschen. Sie überdauern Generationen von Menschen, ganze Epochen der Architektur Kunst und Kultur. Monumente für die Ewigkeit - aus Stein erbaut. Gebaute Manifeste ihrer Zeit und doch zeitlos.

DER ORT

Den ganzen Nachmittag waren wir bergauf gelaufen. Gegen fünf oder halb sechs erreichten wir den Gipfel, und plötzlich teilte sich der dichte Vorhang des Waldes, und wir blickten hinunter in eine tiefe, schöne Schlucht und hinaus auf ein weites Panorama bewaldeter Berge mit sonnenbeschienenen Kuppen und purpurüberschatteten, von Lichtungen durchfurchten Hängen. Die Schlucht zu unseren Füßen - Allerheiligen - bot am oberen Ende ihres grasbewachsenen Ebene Raum für eine behagliche, entzückende menschliche Bleibe, abgeschlossen von der Welt und ihren Mißlichkeiten, und folglich hatten die Mönchen in alter Zeit nicht verfehlt, sie auszukundschaften; hier standen die dunklen und reizvollen Ruinen ihrer Kirche und ihres Klosters, um zu beweisen, daß die Priester vor siebenhundert Jahren einen ebenso feinen Sinn dafür besaßen, in einem Lande die schönste Winkel und Ecken aufzustöbern, wie noch heute. ( Mark Twain; Bummel durch Europa

Mit diesen Zeilen illustriert Mark Twain die Annäherung an einen Ort, der durch die Kollision zweier Elemente zu Tage getreten ist. Das Wasser bahnt sich seinen Weg durch das Gebirge formt ein Kleinod dessen Qualitäten die Mönche nicht verkannten und schließlich dort ihr Kloster, aller Heiligen gewidmet im 12. Jahrhundert errichteten. Die Anlage folgt dem typischen Aufbau einer Klosteranlage deren Zentrum die Klosterkirche mit angrenzendem Kreuzgang bestimmt. Die historischen Pläne zeugen von einer spätromanischen bzw. frühgotischen Bauweise.

Das Ensemble ist geprägt von der Topografie des Geländes. Die umliegenden mit dichtem Wald bewachsenen Hänge umschließen das Areal und schaffen dadurch ein Kleinod  das zur Einkehr und der gänzlichen Auseinandersetzung mit der Umgebung anregt. Die zierlichen Quellen bündeln sich im Lierbach und stürzen sich am Fuße des Tals den Wasserfall hinab. Die Verbindung aus Gestein und Wasser ist allgegenwärtig. Sowohl in dessen rauen ungezähmten Kanälen des Lierbachs als auch domestiziert in der barocken Brunnenanlage.
Der Vergleich des Zustandes der baulichen Hochphase im 18. Jahrhundert mit der gegenwärtigen Beschaffenheit zeigt eine deutliche Abnahme der Baumasse. Diverse Zeichnungen und Postkarten der unterschiedlichen Zustände verdeutlichen die fortwährenden Veränderungen der Gesamtanlage. So waren die, den Kreuzgang umfassenden Gebäude, sowie das Gästehaus und das Gesindehaus drei bzw. viergeschossige Bauten, deren Walmdächer sich ebenfalls über zwei weitere Geschosse erstreckten. Während das Gästehaus nicht mehr vorhanden ist, sind das Gesindehaus und die Klostergebäude in Grundzügen noch bestehend. Allerdings längst nicht mehr in der selben Volumetrie. Dadurch entstand über die Jahrhunderte eine Überlagerung der Zeitschichten die nicht immer eine klare Trennung der einzelnen Phasen erkenntlich macht. 
Des Weiteren sind charakteristische Raumsituationen wie die Hofstrukturen im ursprünglichen Zustand kaum noch vorhanden. Die einzelnen Gebäude wirken zuweilen wie fragmentarische Überreste deren Zusammenhänge nur noch in wenigen Situationen ersichtlich sind.

DIE GRUNDLAGE

Das Konstruieren und Entwerfen mit natürlichem Stein unterliegt einer dem Material eingeschriebenen Logik. Gilles Perraudin vergleicht diese Einschränkungen mit dem Ansatz der „Oulipo“. Wonach jeder Regulierung eine befreiende Wirkung innewohnt. Es ist eine Emanzipation von der Obsession nach ständiger Erneuerung und der Verstrickung in Formalitäten. Diese Befreiung bietet das Potenzial der Vereinfachung und der Fokussierung auf die Grundlagen der Architektur - Materie, Rhythmus, Proportion und Licht.

Gerade das Werk von Pouillon ist von außerordentlicher Bedeutung. Ist doch der Ausdruck seiner Architektur untrennbar mit dem Material Stein verbunden.
Die Architektur des tektonischen Steins ist auch und vor allem eine Architektur der Zahlen. Der Modulare Gedanke spiegelt sich sowohl in der Arbeit Pouillons als auch in der Gilles Perraudins wieder.
Dieses systematische Herangehensweise Poullions lässt sich sehr gut am Beispiel des Climat de France darstellen. Mit der Zahlenreihung von 1 bis 9 lässt sich das gesamte Gebäude gedanklich rekonstruieren

1 was the dimension of the pillars and the height of a base; 2 the space between the pillars; 3 the measurements of the monolithic lintel; 4 the width of the portico; 5 multiplied by 8 the width of the square; 6 multiplied by 40 (the width of the square) its length; 7 multipied by 40 the length overall; 8 the height of the pillars; 9 the height of the portico  (Adam Caruso, Helen Thomas; The Stones of Fernand Pouillon)

Diese Hegemonie des Modularen erzeugt klare Proportionen und richtet den Fokus des Entwerfens auf die Rhythmisierung von Materie und Leere sowie die Ordnung der Elemente zum Raum.
So galt auch im Entwurf die Beschrenkung auf ein sich widerholendes Modul das in seiner klaren Defnition als Bauelement einen Möglichkeitsraum und zugleich einen Bezug zur menschlichen Dimension eröffnet.

DAS ENSEMBLE

Die Festlegung auf drei Typologien resultiert sowohl aus den Bedürfnissen des Ortes in seinem gegenwärtigen Zustand als auch dem Wunsch möglichst breit gefächert die Eigenheiten des Baumaterials an gebautem Raum wiederzugeben. Jede der Nutzungen, Badehaus, Konzerthaus und Lapidarium steht im Einklang mit der Materie Naturstein und konfrontiert den Nutzer intensiv mit dessen physischer Präsenz. Ziel ist es der spirituellen Aufladung des Ortes und kulturellen Bedeutung des Buntsandsteins gerecht zu werden. Die Intention ist einen Ort zu schaffen, der im Gesamtgefüge des nördlichen Schwarzwaldes  durch die Konzentration und Vielschichtigkeit von Kultureinrichtungen eine herausragende Stellung einnimmt. Die Verteilung auf mehrere Typologien ermöglicht zudem kleinteiligere räumliche Interventionen in das bestehende Gefüge der ehemaligen Klosteranlage einzufügen.
 

Schlagworte

Monolithisches Bauen, Naturstein, Schwarzwald, Badehaus, Konzerthaus, Lapidarium, Kloster, Allerheiligen

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