Architekturobjekte
Heinze ArchitekturAWARD 2018: Teilnehmer
Eine automatisierte Champignonfabrik für die Stadt
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: RWTH Aachen, Architektur - Lehrstuhl für Tragkonstruktionen & Lehrstuhl für individualisierte Bauproduktion, Victor Bausinger
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: RWTH Aachen, Architektur - Lehrstuhl für Tragkonstruktionen & Lehrstuhl für individualisierte Bauproduktion, Victor Bausinger
Basisdaten zum Objekt
Lage des Objektes
Deutschland
Objektkategorie
Objektart
Art der Baumaßnahme
Entwurfskonzept
Zeichnungen und Unterlagen
Verwendete Produkte
Gebäudedaten
Tragwerkskonstruktion
Sonstige
Anzahl der Vollgeschosse
3- bis 5-geschossig
Raummaße und Flächen
Bruttorauminhalt
21.258 m³
Bruttogrundfläche
2.124 m²
Beschreibung
Objektbeschreibung
Im Zuge des strukturellen Wandels und durch stadtplanerische Leitbilder der Trennung von Funktionen und Nutzungen wurden und werden weltweit Produktionsstätten an den Stadtrand, ins Ausland oder auf die „grüne Wiese“ verdrängt. Den damit erhofften Vorteilen wie z.B. sinkenden Emissionskonflikten, zusätzlichen Flächen oder geringem städtischen Verkehrsaufkommen stehen erhöhter Pendlerverkehr, große Entfernungen zu Wissens- und Innovationsnetzwerken sowie der hohe Flächenverbrauch in ländlichen Regionen gegenüber. Unzählige Unternehmen kämpfen daher um den Erhalt erfolgreicher städtischer/stadtnaher Standorte oder ziehen eine Rückkehr in das urbane Umfeld in Betracht.
Moderne Fabriken lassen sich nur auf Basis höchster energetischer Ansprüche und geringster Emissionsbelastungen (Gerüche, Lärm, Schadstoffe) in unsere Städte integrieren. Erste Ansätze in diese Richtung, vorrangig zur Energiesenkung, können und werden von den Fabriken und Städten bereits in Eigenregie beigebracht, stärkere Bestrebungen erschöpfen sich jedoch zumeist nur in Insellösungen (sog. „grüne Fabriken“). Die Potenziale werden hierbei nicht vollständig ausgeschöpft.
Vor allem die Landwirtschaft wird bei dieser Diskussion meist mit dem ländlichen Raum in Verbindung gebracht. Bei prognostizierten 9,5 Milliarden Erdbewohnern im Jahre 2050 und einem Existenz-Minimum von 1.500 kcal pro Tag, müsste die herkömmliche landwirtschaftliche Fläche zusätzlich um 850 Millionen Hektar wachsen. Diese Fläche steht nicht zur Verfügung. Alternative Flächen und Räume müssen zum Zwecke der Ernährungssicherung in Betracht gezogen werden.
Vertikale Landwirtschaft ist ein Begriff der Zukunftstechnologie, die eine tragfähige Landwirtschaft und Massenproduktion sowohl pflanzlicher, als auch tierischer Erzeugnisse im Ballungsgebiet der Städte in mehrstöckigen Gebäuden (sogenannten Farmscrapers) ermöglichen soll. Somit stellt sie eine Sonderform der urbanen Landwirtschaft dar. Basierend auf Kreislaufwirtschaft und Hydrokulturen unter Gewächshausbedingungen sollen in Gebäudekomplexen auf mehreren übereinander gelagerten Ebenen ganzjährig Früchte, Gemüse, essbare Speisepilze und Algen erzeugt werden. Die Befürworter der vertikalen Landwirtschaft argumentieren damit, dass die traditionelle landwirtschaftliche Produktion in einen naturbelassenen Ursprungszustand zurückgeführt werden soll und sich Energiekosten für den Transport von den Erzeugern bis zu den Konsumenten dadurch reduzieren lassen. Außerdem wird durch die Kreislaufwirtschaft der Treibhauseffekt des atmosphärischen Kohlenwasserstoffs minimiert und die innerstädtischen Quartiere stärker durchmischt.
Auch die zu entstehende Champignonfabrik soll in einem urbanen Umfeld integrierbar sein. Um dies angesichts steigender Grundstückspreise und des Wohnraummangels in Städten zu ermöglichen, setzt der Entwurf mit seiner länglichen Ausrichtung auf einen minimalen Footprint. Dieser ermöglicht die Errichtung auf Restflächen wie zum Beispiel entlang großer Straßen oder Bahntrassen und hält gleichzeitig die Möglichkeit der Erweiterung an den Stirnseiten offen.
Beschreibung der Besonderheiten
Der folgende Text soll diese einzelnen Stationen in der Fabrik genauer beschreiben. Die jeweiligen Zahlen am Ende der Beschreibungen (00. – 16.) beziehen sich für ein anschaulicheres Verständnis auf den Plan „Prozessschema der automatisierten Champignonzucht“. Die Abbildung „Schematische Ablaufisometrie“ verortet die durchnummerierten Prozesse dann der Fabrik.
Alles beginnt mit dem Anliefern der Erden, auf denen der Pilz wächst. Für die Produktion wird zunächst das myceliuminfizierte Substrat benötigt und im späteren Verlauf eine sogenannte Deckerde. Neben Wasser bildet die Handels- und Transportverpackung den einzigen weiteren Rohstoff, welcher für die Produktion benötigt wird. Die Verpackung wird auf der linken Stirnseite des Arbeitsriegels angeliefert und bis zum Bedarf eingelagert (01). Die Erden hingegen werden als Schüttgut angeliefert und auf die jeweilige Lagertrommel ein Geschoss tiefer im UG verteilt (01). Der Output der Fabrik, sind sowohl die fertig verpackten Champignons, als auch die gebrauchte Erde, welche noch als Dünger verwendet werden kann. Bei der Produktion entstehen so keine direkten Abfälle. Die Endprodukte werden auf der gegenüberliegenden Seite des Arbeitsriegels bis zur Abholung gelagert (16), sodass eine klare An- und Ablieferungssituation entsteht.
Der Wachstumszyklus beginnt mit dem maschinellen Verteilen des Substrats im Untergeschoss (2). Von hier läuft die Palette auf Fließbändern und mit Hilfe eines Regalbediengeräts in das niedrigere Hochregallager I. Hier angekommen wächst das Pilzmycelium unter regelmäßiger Flüssigkeitszugabe innerhalb von 21 Tagen durch das gesamte Substrat (3). Anschließend wird die Palette zu der Lagertrommel für die nährstoffreiche Deckerde geführt und dünn abgedeckt (4). Die folgenden 10 Tage wird auch diese Schicht im Hochregallager I bei exakt 28°C und einer hohen Luftfeuchtigkeit vom Mycelium durchwachsen (5). Nachdem der gesamte Nährboden durchwachsen ist, kann die sogenannte Fruchtkörperbildung beginnen. Da das Wachstum des eigentlichen Speisepilzes erst bei niedrigeren Temperaturen ausgelöst und begünstigt wird, muss die Palette in das gegenüberliegende Hochregallager II verbracht werden. Hier wächst der Champignon innerhalb von insgesamt 37 Tagen in vier Wellen (6,8,10 & 12). Die Höhe dieses Hochregallagers erlaubt eine Unterteilung in verschiedene Temperaturzonen und somit optimale klimatische Bedingungen für die jeweiligen Wachstumswellen. Nach jeder Wachstumswelle müssen die Paletten in den Arbeitsriegel transportiert werden, wo sie von einem Pick and Place Roboter mit Hilfe von Videoerkennung und Softeffektoren abgeerntet werden (7, 9, 11 & 13). Nach der Ernte wird der Champignon in Güteklassen eingeteilt, sortiert und verpackt (14.1). Erst nach der vierten Erntewelle bilden sich dann kaum noch Pilze. Da sich die übriggebliebene Erde jedoch hervorragend als Dünger eignet, wird sie abgekippt (14.02) und in Säcken für den Handel verpackt (15.). Die Palette fährt nach dem Abkippen durch eine automatische Reinigungsanlage zurück (00.) und der Kreislauf beginnt von neuem.
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