Architekturobjekte
Erweiterung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Berlin
10117 Berlin, Wilhelmstraße 54
Mit freundlicher Unterstützung von Forbo Flooring
Mit freundlicher Unterstützung von Forbo Flooring
Basisdaten zum Objekt
Lage des Objektes
Wilhelmstraße 54, 10117 Berlin, Deutschland
Objektkategorie
Objektart
Art der Baumaßnahme
Erweiterung
Fertigstellungstermin
01.2010
Projektbeteiligte Firmen und Personen
Verwendete Produkte
Lage und Umgebung
Beschreibung
Objektbeschreibung
Es gab einen international ausgeschriebenen Architektenwettbewerb und wir wurden nach der Bewerbungsrunde gemeinsam mit rund 24 anderen Büros eingeladen, um einen Neubau im Bereich der neu zu schaff enden Verlängerung der Französischen Straße zu realisieren. Die Straße gab es damals im Prinzip noch nicht. Sie entstand durch einen Durchbruch zwischen Mauerstraße und Wilhelmstraße. Der Neubau sollte einen weiteren Teil der Mitarbeiter des Ministeriums, die von Bonn nach Berlin ziehen sollten bzw. bereits hier in Berlin waren, aufnehmen. Es gibt bis heute einen Altbau in der Wilhelmstraße, in dem sich der Hauptdienstsitz der Ministerin Ilse Aigner befi ndet. Aber auch nach der Realisierung des Neubaus sind noch immer gut die Hälfte der Mitarbeiter in Bonn. Durch den Neubau haben wir den Hauptdienstsitz in Berlin weiter komplettiert und ca. 100 Büroarbeitsplätze geschaff en, sodass sich das Ministerium hier am Berliner Standort verstärken kann. Es war damals ein Grünes Ministerium unter Renate Künast, daher lag auch in der Wettbewerbsauslobung der Schwerpunkt auf der Konzeption eines nachhaltigen Gebäudes, mit möglichst hohem Anteil nachwachsender Rohstoff e. Es sollte nach außen über die Fassade und über den Baukörper ein Zeichen setzen, dass das Ministerium in Berlin angekommen ist. Neben dem Altbau, einem der letzten in der Wilhelmstraße, sollte das Ministerium durch den Erweiterungsbau ein neues Gesicht bekommen.
Was war die grundlegende Idee Ihres Entwurfs?
Die Aufgabenstellung war relativ schwierig, da das Grundstück eine Länge von 120 m und eine Breite von ca. 18 m hatte und nur über einen kleinen Bereich hofseitig belichtet werden konnte. Das heißt, ein schwierig zu bebauendes Grundstück mit großen Dunkelzonen, für ein zweihüftiges Bürogebäude eigentlich zu tief bzw. zu schwer zu belichten. Von daher kam schnell die Idee der mittigen Erschließung, die ja im Normalfall im Bürobau entweder einen Flur oder eine Kombizone darstellt. Wir brachen die Mitte auf und holten über das Dach Tageslicht in das Volumen herein. Das ist der Hauptansatz des Entwurfs, den Raum, der sonst völlig im Dunkeln gelegen hätte, in der Mitte nach oben zu öff nen und ihn zum Zentrum des Erweiterungsbaus zu machen. Wir haben das sehr skulptural aufgefasst. Man hätte natürlich auch andere Öff nungen einfügen können, aber wir haben das Zentrum in Bewegung versetzt. Es war uns wichtig, dass der Raum eine Dynamik bekommt, ins Fließen gerät und das über fünf Geschosse. Das heißt, das Atrium öff net sich nach oben zum Licht, dazu sind die Brüstungen „verkippt“, so dass sie das Tageslicht herein lenken. Auch die gesamte Be- und Entlüftung funktioniert auf natürliche Weise über das Atrium.
Wie haben Sie die Fassade gestaltet?
Das Atrium spiegelt seine ganze Dynamik nach außen an der Fassade wider, die ebenfalls mehrfach geknickt ist. Hier war mir persönlich sehr wichtig, dass wir keine für Berlin und seine Ministerialbauten übliche langweilig ausgebildete Natursteinfassade planen. So haben wir diese Dynamik, die aus dem Innenraum kommt, auf die Fassade übertragen. Ich wollte so ein Stück Gebirge, eine Formation oder Schichtung, wie man sie auch im Steinbruch findet, an der Fassade zeigen. Daraus ergaben sich die polygonen Zuschnitte der Fassadenplatten, die in Bewegung versetzt sind. Es ist natürlich eine statische Fassade, aber sie hat eine gewisse Dynamik, indem keine Platte im Rechten Winkel geschnitten ist, sondern alle schräg und nach hinten konisch. Wir haben einen Rapport entwickelt, der aus 56 Einzelplatten besteht, die sich zu einem Gesamtbild fügen und sich dann wiederholen, um das Ganze überhaupt bau- und kalkulierbar zu machen. Das Ministerium hat damit, denke ich, über die Fassadenstruktur ein ganz eigenes Gesicht bekommen. Es steht in der ministeriellen Landschaft Berlins mit einer ganz eigenen Architektursprache dar, die zeigt: Es ist ein Ministerium das lebt, das Dynamik in sich birgt. Denn in den letzten Jahren habe ich ja persönlich den dritten Minister bzw. Ministerin erlebt und damit den permanenten Wandel der Inhalte. Das Gebäude zeugt von einer gewissen Offenheit über das Erdgeschoss, denn es öffnet sich komplett an der Ecke zur Französischen Straße bzw. Wilhelmstraße. Gleichzeitig muss es das schützen, was innen auf den einzelnen Etagen passiert. Das Gebäude ist ein Verwaltungsbau mit Konferenzund Pressebereichen im Erdgeschoss.
Welche Materialien wurden für den inneren Ausbau verwendet?
Die Grundkonstruktion besteht aus Stahlbeton. Wir haben sämtliche Oberflächen des Atriums mit Lehmputz versehen. Über diese Optik und Haptik wollen wir das Leitbild des „Erdigen“ transportieren. Das ist natürlich ein bisschen gezähmt worden, da die Grobheit, die wir uns als Architekten vorgestellt haben, dann vom Ministerium doch nicht mitgetragen werden konnte. Am Anfang hatten wir vor, Stampflehmwände zu realisieren. Das lässt sich aber im heutigen Bauprozess kaum noch einbinden, so dass wir uns für Lehmputz entschieden haben. Gleichzeitig sorgt der Lehm für einen ausgeglichenen Feuchtigkeitshaushalt im Atrium. Er nimmt die Luftfeuchte auf und gibt sie zeitversetzt wieder ab. In der Lehmfront sitzen Lärchenholzinnentüren. Der Boden ist mit Linoleum belegt. Wir haben auch sämtliche Trennwände zwischen den einzelnen Büros mit Holzständerwerk und Lehmbauplatten realisieren können, so dass wir im Ansatz Werkstoffe oder Materialien verwenden konnten, die nachwachsende Rohstoffe darstellen.
Warum haben Sie sich für Linoleum als Bodenbelag entschieden?
Es ging letztlich um einen adäquaten Materialmix. Wenn wir z.B. noch einen Holzboden verlegt hätten, wäre es zu viel von diesem einen Material geworden. Wenn man Naturstein genommen hätte, wäre das sicherlich gegangen, hätte aber wieder großen Einfluss auf die Raumakustik gehabt. Linoleum funktioniert hier sehr gut, außerdem waren wir in der Farbwahl sehr offen. Wir haben uns für ein klassisches Rot entschieden, das steht sehr schön in der Tonigkeit zum Lehmputz, der naturfarben gehalten ist. Der Bauherr stellt natürlich immer die Frage, wie sich der Boden pflegen lässt und wie er altert. Linoleum altert nach meiner Erfahrung sehr gut, das zeigen ja auch die ganzen Berliner Altbauten. Es bildet sich eine sehr schöne Patina. Man muss dazu sagen, dass der Boden im Ministerium ungewöhnlicherweise täglich gereinigt wird, daher bekommt er nach relativ kurzer Zeit eine sehr ansprechende Oberfläche.
Herr Prof. Anderhalten, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Annika Frey, Cuxhaven.
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