Architekturobjekte
Europas größter Holzbau in Passivhausstandard
23560 Lübeck, Geniner Straße 80
Basisdaten zum Objekt
Lage des Objektes
Geniner Straße 80, 23560 Lübeck, Deutschland
Objektkategorie
Objektart
Art der Baumaßnahme
Neubau
Fertigstellungstermin
11.2014
Zeichnungen und Unterlagen
Projektbeteiligte Firmen und Personen
Verwendete Produkte
Gebäudedaten
Tragwerkskonstruktion
Holz
Anzahl der Vollgeschosse
3- bis 5-geschossig
Raummaße und Flächen
Bruttogrundfläche
13.856 m²
Lage und Umgebung
Beschreibung
Objektbeschreibung
Historisch gewachsen sind die Stadtwerke Lübeck mit ihren 630 Mitarbeitern bisher auf mehrere Standorte verteilt: Ein großer Teil der Verwaltung hat die Büros in einem am Wasser gelegenen Grundstück, das auf dem betriebseigenen Gelände keine entsprechende Erweiterung zulässt. Im Gewerbegebiet an der Geniner Straße, bisher überwiegend als rein technischer Standort genutzt, bestand demgegenüber die Möglichkeit – durch Abriss und Neubau eines vorhandenen Verwaltungstraktes – alle Mitarbeiter auf diesem Gelände zu konzentrieren. Verbesserte Kommunikation zwischen den Mitarbeitern und die Möglichkeit der Zusammenführung aller Betriebsteile auf einem Werksgelände sowie die Gegenüberstellung der Kosten eines Neubaus und einer sonst fälligen Totalsanierung der alten Verwaltungsgebäude gaben den Ausschlag für den Beschluss, einen Neubau für die Unterbringung von ca. 430 Mitarbeitern sowie entsprechende Parkmöglichkeiten zu realisieren.
Auf Initiative der Projektleitung wurde das Büro ipc Dr. Talkenberger GmbH nach einem Ausschreibungsverfahren mit der Projektsteuerung beauftragt. Die ipc Dr. Talkenberger GmbH, hatte bereits den Neubau für die Standortkonzentration der Stadtwerke Kiel (ca. 500 Mitarbeiter) erfolgreich begleitet.
Auf Basis des bestätigten Ablaufplanes wurde durch das Projektteam eine Funktionalbeschreibung für eine Vorplanungsstudie erstellt, in der die Vorgabe des Qualitätsstandards, die Kostenkennwerte und somit die Kostenobergrenze schon in diesem frühen Stadium festgelegt wurden. Im Rahmen der Vorplanungsstudie, mit Technikkonzept und Außenanlagengestaltung, wurden sechs Büros zur Angebotsabgabe aufgefordert. Nach Bewertung und Auswahl durch ein Gremium bestehend aus der Hansestadt Lübeck, den Stadtwerken Lübeck und der ipc Dr. Talkenberger GmbH, erhielt das Generalplanerbüro Klein Architekten gemeinsam mit dem Technikplaner juwi Green Buildings GmbH den Auftrag zur Vorplanung, Erstellung der funktionalen Leistungsbeschreibung und Kostenschätzung.
Es folgten umfangreiche Diskussionen und Anpassungen zur Umsetzung des Flächen- und Funktionsprogramms
ZUR ERREICHUNG DER VERBESSERUNG DES ARBEITSUMFELDES
• Erleichterung der Kommunikation zwischen kaufmännischem und technischem Bereich
• Flexible Realisierungsmöglichkeiten bei künftigem Raumbedarf
ZUR WIRTSCHAFTLICHKEIT
• Einsparung von ca. 25 % des bisherigen Raumbedarfs von ca. 12.100 m² auf 9.000 m²
• Reduktion der Mietkosten
ZUR UMWELTVERBESSERUNG
• Senkung der CO₂-Bilanz
• Reduzierung des Strom- und Wärmebedarfs um 20 %
Diese Gespräche führten zu einer abgestimmten, funktionalen Leistungsbeschreibung, die nach einem EU-weiten Teilnahmewettbewerb mit Verhandlungsverfahren zu einer Totalunternehmervergabe führte. Im Rahmen des 2-stufigen Verfahrens für die TU-Vergabe erfolgte die rechtliche Begleitung durch die Kanzlei Müller / Radack mit
• Prüfung der Verdingungsunterlagen / Funktionalbeschreibung
• Aufsetzen des Vertragswerkes für Totalunternehmer
• TU-Angebotsprüfung und
• Vergaberechtsprüfung vor formaler Vergabe
Diese Vorgehensweise schöpfte auf der Basis der Vorgaben die komplette Bandbreite von Möglichkeiten des wirtschaftlichen Spielraums und der Ideen der Bieter zu Gunsten des Projektes aus. Auch durch die Vertragsgestaltung mit einem Garantierten-Maximalpreis-Vertrag wurde die Grundlage geschaffen, um bei vorgegebenem Projektbudget günstige Kosten bei hoher Qualität zu erreichen.
Der Zuschlag wurde erst erteilt, als die Zielvorgabe erreicht war. Dabei erfolgten technische Optimierungen zum Sonnenschutz anstatt elektronischer Verglasung, zu alternativen Deckenstrukturen unter Einhaltung der Vorgaben zur Raumakustik, zur Optimierung der Elektroinstallation, zur Küchentechnik, zu den Innenwandsystemen, usw.
Die Vorgaben Holzbau, Passiv-Haus, Einhaltung der Investitionskosten und Sicherung der Nachhaltigkeit wurden nicht in Frage gestellt. Es konnte dabei sogar der Nachweis erbracht werden, dass Holzrahmenbauweise nicht kostenintensiver ist als konventionelle Massivbauweise.
Den Totalunternehmerauftrag erhielt die Firma Ed. Züblin AG, Direktion Mitte, Bereich Thüringen (Jena).
Errichtet wurde ein 4-geschossiges Gebäude als zentrales Bürogebäude für ca. 430 Mitarbeiter. Im Erdgeschoss wurde mit Konferenzräumen und Gastronomie (ca. 120 Plätze und Großküche) ein feuerbeständiger Bereich als Versammlungsstätte geschaffen.
Ausgehend von dem modernen und in seiner Formensprache Offenheit und Transparenz vermittelnden Entwurf von Klein Architekten wurde dies auch konstruktiv aufgegriffen und umgesetzt.
INSGESAMT VERWENDET WURDEN:
• 10.800 m² Leno CLT Deckenelemente
• 588 m³ Brettschichtholz,
• 4.800 m² Holzrahmenbauwände
Die Festigkeitsklassen der Holzbauteile variieren dabei je nach den statischen Anforderungen, die Querschnitte sind im Hinblick auf den Brandschutz extrem überbemessen. Aufgrund der fehlenden Symmetrien sind Deckenelemente, etc. jeweils Unikate.
Besonderes Augenmerk bei der Konstruktion lag auf der Realisierung eines Brandschutzkonzeptes ohne die bei Holzgebäuden solcher Größe sonst üblichen Kompensationsmaßnahmen wie Sprinkleranlagen oder Brandschutzverkleidungen. Umgesetzt wurde dies durch die konstruktiv anspruchsvolle Aufteilung in Nutzungseinheiten und einer entsprechenden Strukturierung des Gebäudes durch Brandwände. Die Treppenhäuser aus Stahlbeton bilden die aussteifenden Betonkerne. So konnte die Brandschutzklasse F60 erreicht werden – durch den hierdurch möglichen Verzicht auf Sprinkler etc. wird auch in diesem Punkt der Aspekt der Nachhaltigkeit durch den entstehenden wirtschaftlichen Vorteil im Gebäudebetrieb erfüllt.
Der tragende Holzbau besteht aus europäisch/nordischer Fichte. Holzstützen und Unterzüge wurden aus Brettschichtholz gefertigt. Die Decken bestehen aus Brettsperrholzdecken und sämtliche tragenden Holzbauteile sind als sichtbare Holzkonstruktion erkennbar. Insgesamt wurden 2.438 m³ Holz verbaut. Diese Menge wächst in Deutschlands Wäldern innerhalb von 10 Minuten und 2.400 Tonnen Kohlenstoff können dadurch gespeichert werden, da bei der Bildung von Biomasse (in diesem Fall Holz) der Atmosphäre CO₂ entzogen werden und der Kohlenstoff in die Biomasse eingelagert wird.
Das Gebäude erhielt eine nichttragende Außenwand in Holzrahmenbauweise mit der erforderlichen Dämmstärke. Die dreifach verglasten Fenster werden als Holzrahmenfenster mit Aluminiumdeckschicht ausgeführt.
Das Gebäude bietet durch die effiziente Dämmung eine hohe Gebäudedichtigkeit. Das Gebäude wird energetisch gemäß dem Passivhausstandard realisiert; zur Erreichung eines Plusenergie-Gebäudes ist 1 Ampere ausreichend. Hierfür wird repräsentativ eine Kleinwindkraftanlagen vor dem Gebäude aufgestellt.
Durch eine vertikale Holzschalung aus unbehandeltem, FSC-zertifitiertem Lärchenholz in Nut-Feder-Konstruktion und farbigen Faserzementplatten wird die Teilfläche zwischen den Fenstern gegliedert. Insbesondere auch durch die Fassade wird der Eindruck eines Holzbaus unterstrichen. Gleichzeitig fügt die Fassadenkonstruktion dem optischenen Eindruck Leichtigkeit hinzu: Den starken horizontalen Linien des Neubaus werden aufstrebende vertikale Linien hinzugefügt. Erstellt wurden insgesamt 3.000 m² Lärchenfassade, 2.000 m² Fenster und 900 m² Trespa.
Im Oktober 2013 erfolgte der erste Spatenstich nachdem das Bestandsgebäude abgerissen war. Bis Februar 2014 wurden die freistehenden Betonwände und die Gründung errichtet, danach die Holzwände und Decken eingebracht. Bis Mai 2014 war der Baukörper geschlossen.
13 bis 15 Fenster wurden pro Tag eingesetzt (geplant waren 7) und die Baustelle war Montag bis Donnerstag von 06:00 bis 22:00 Uhr und Freitag von 06:00 bis 16:00 Uhr besetzt. Durch sehr gute Arbeitsorganisation wurde eine sehr kurze Bauzeit erreicht.
Das Richtfest hat am 13. Mai 2014 in feierlichem Rahmen stattgefunden. Durch die Stadtwerke Lübeck und das Projektsteuerungsbüro konnte mit dem Totalunternehmer eine Vereinbarung herbeigeführt werden, dass der Abnahmetermin vorfristig erfolgen kann. Dazu hat auch der milde Winter beigetragen – aber vor allem die gute Baustellenlogistik, die kollegiale Zusammenarbeit aller am Bau Beteiligten, die straffe Organisation und die rechtliche Sicherheit aller Verträge. Die Vertragsgestaltung hinsichtlich des garantierten Maximalpreises (GMP) schränkte die Möglichkeiten zu Nachtragsverhandlungen ein und sicherte die Einhaltung der Baukostenvorgaben.
Des Weiteren war das Projekt mit einer komplexen Umzugslogistik verbunden. Durch die schnelle Bauzeit war es möglich, dass einzelne Zonen, Abschnitte und Etagen bereits vorzeitig durch den Auftraggeber abgenommen und an diesen übergeben werden konnten. Während der Bauphase des Verwaltungsneubaus wurden gleichzeitig an dem bisherigen Technik-Standort und zukünftigen Hauptstandort an der Geniner Straße andere (auch technische) Gebäude revitalisiert und einer neuen Nutzung zugeführt.
Die offizielle Schlüsselübergabe fand am 8. Januar 2015 statt. Rund 430 Mitarbeiter arbeiten seit dem in dem neuen Bürogebäude. Parallel zum Verwaltungsbau wurde eine Parkpalette für 268 Stellplätze und ein Torhaus als Zugang und Gebäudezentrale errichtet.
Mit 90 % Nachunternehmerleistungen aus der Region wurde darüber hinaus auch die vertragliche Vorgabe der Einbindung regionaler Betriebe in den Bauablauf erfüllt.
Der Neubau der Stadtwerke Lübeck ist damit nicht nur ein Bauvorhaben, dass den Kostenrahmen und die vorgegebene Bauzeit einhält – ein Umstand, der heutzutage nicht unbedingt selbstverständlich ist – sondern hohen und höchsten architektonischen, technischen und energetischen Ansprüchen genügt.
Beschreibung der Besonderheiten
Im Innenbereich wurde generell auf Verkleidungen verzichtet: Die Holzkonstruktion und der Werkstoff Holz bleiben als dominierendes, gestalterisches und sichtbares Element in der Konstruktion erhalten und werden bewusst hervorgehoben. Eine weitere Herausforderung im Hinblick auf die konstruktive Umsetzung sind die beiden L-förmigen Baukörper mit den sich aufweitenden Gebäudeschenkeln. Hierdurch erhält der Neubau Spannung und Dynamik. In der Innen- wie in der Außenwirkung wird statisches, verharrendes vermieden, unterstrichen und hervorgehoben wird demgegenüber Bewegung – umgesetzt auch in den Innenbereichen durch die Schaffung verschiedener, situativ nutzbarer Meetingpoints und Aufenthaltsräumen. Die Verwendung von Glas für die Büroinnenwände stützt den Eindruck von Transparenz und ermöglicht das Durchströmen von Tageslicht in die Innenbereiche.
Diese gestalterischen und arbeitsergonomischen Aspekte wurden holzbautechnisch und konstruktiv anspruchsvoll umgesetzt.
BESONDERHEITEN DER BAUKONSTRUKTION
• Tragwerk aus einem Brettschichtholzrahmenbau (braun)
• Pfosten-Riegel-Konstruktion mit schlanken Profilen und 16 Metern freier Spannhöhe – tragend für Dreifachverglasung
• Lärchenfassade in Nut-Feder-Konstruktion
• Brandschutzklasse F60 ohne Kompensationsmaßnahmen durch Aufteilung in Nutzungseinheiten
• Mehrere Betonwände (schwarz) zur Aussteifung und Brandwandausbildung
• Sonnenschutz wärmetechnisch und statisch in die Fassade eingearbeitet
Schlagworte
Energetische Kennwerte
Energiestandard
Energetische Kennwerte
Primärenergiebedarf ("Gesamtenergieeffizienz")
95,00 kWh/(m²a)
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