Architekturobjekt 13.152 von 13.816

Architekturobjekte


Extension to Kanton Thurgau Police - Headquarters and Prison

Frauenfeld, Schweiz

Mit freundlicher Unterstützung von RHEINZINK

Mit freundlicher Unterstützung von RHEINZINK

Basisdaten zum Objekt

Lage des Objektes

Frauenfeld, Schweiz

Objektkategorie

Objektart

Art der Baumaßnahme

Neubau

Fertigstellungstermin

03.2006

Projektbeteiligte Firmen und Personen

Architektur: Landschaftsarchitekt

Hochbauamt des Kantons Thurgau

Architekt/Planer

Keller und Schulthess Architekten AG; heute getrennte Büros

Architekt/Planer

Thomas Kai Keller, Amriswil

Architekt/Planer

Rolf Schulthess, Amriswil

Projektsteuerung, Objektüberwachung

Paul Graf, Architekt FH, Amriswil

Fachplanung

Fiorio Fassadentechnik GmbH, Zuzwil

Bauleistung: Dachdeckung, -dichtung

WAGA Spenglertechnik AG

Projektsteuerung, Objektüberwachung

Thomas Rütsche-Brändle

Beschreibung

Objektbeschreibung

Historie und Zukunft vereint in der Fassade des Polizeigebäudes und Gefängnisses Frauenfeld

In Frauenfeld wurden im März 2006 die neuen, erweiterten Bauten der Kantonspolizei und des Kantonalgefängnisses eröffnet. Sie weisen eine Fassadengestaltung auf, die herkömmliche Sehgewohnheiten sprengt.


Die Planung der Erweiterung der Kantonspolizei und des Kantonalgefängnisses wurde dem Planerteam übertragen, das seinerzeit 1989 bis 1992 die gesamten Neubauten realisiert hatte. Dieses führte einen anonymen Wettbewerb durch, bei welchem die jungen Amriswiler Architekten Keller und Schulthess mit dem ersten Rang ausgezeichnet und zur Realisation empfohlen wurden. Drei Gebäudekörper, die alle als Hoftypen ausgebildet sind, verschmelzen zu einer Gesamtform und reagieren damit auf die volumetrische und typologische Konstellation der Altbauten.

Gelungene Verschmelzung von Alt- und Neubau

Das Materialisierungskonzept bezieht sich auf einzelne Komponenten des Altbaus und wendet diese abgewandelt für die Erweiterungsbauten wieder an. Mit der Wahl von Kupfertitanzinkkassetten als Fassadenbekleidung übernehmen die Erweiterungsbauten die Farbigkeit und Materialität der bestehenden Dachaufbauten und Traufdetails. Die Sonderkassetten in Rheinzink "vorbewittert pro blaugrau" mit eingeprägtem Diamantquadermotiv werden bei den drei Gebäudekörpern unterschiedlich angeordnet und wirken für jede Gebäudefunktion verschieden und doch integriert.

Die in Anlehnung an die bestehenden Bauten übernommene kubische Gebäudeform, die Fortsetzung des Sichtbetonsockels als Saum und die aufeinander abgestimmte Fassadenhaut und Fensteranordnung lassen Alt- und Neubau optisch ineinander schmelzen.

Die Fassade als Herausforderung für den Handwerker

Die Blechbekleidung der Fassade erinnert an Mauerwerk aus diamantartig ausragenden Quadern. Aus der Kunstgeschichte ist bekannt, dass dicke Mauern aus derartigen Steinen vor allem Palazzi der Renaissance auszeichnen. Sie sollten durch Massivität Machtanspruch und Prestige ausdrücken. Für ebensolche Zwecke wurde dieses Bild später oft bei Verwaltungsbauten (wie eben Gefängnissen) verwendet. Möglicherweise wollte der Architekt des Polizeigefängnisses Frauenfeld diese Tradition aufgreifen - und sie in die heutige Zeit transferieren - allerdings verfremdet durch das Material Blech. Dass es für ein Gefängnis aus Sicherheitsgründen einen Massivbau aus Beton braucht, stand aber außer Frage. So ist die Fassade in doppeltem Sinn ein optisches Spiel: Anklang an eine historische Formensprache und Verschleierung der konstruktiven Tatsachen. (Auch in der Renaissance waren übrigens die Quader meist nicht massiv, sondern aus Putz modelliert.)

Was gestalterisch einfach und einleuchtend tönt, bedeutete für die ausführende Unternehmung eine gehörige Knacknuss: Wie stellt man tausendfach einen solche präzisen, geschliffenen Eindruck her? Die Lösung fand sich in Blechkassetten auf einer allseitig ausdehnungsfähigen, metallischen Unterkonstruktion mit Wärmedämmung. Die nach außen tiefgezogenen Kassetten bilden die schützende und optisch wirkende Außenhaut der hinterlüfteten Fassade.

Fassadenbau und Erstellung Sonderkassetten

Die Firma Waga Spenglertechnik AG, Sirnach sicherte die Ausführungsplanung und erstellte die Blechbekleidung. Die Unterkonstruktion führte die Firma Jakob Brändle AG, Sirnach im Unterakkord aus. Für die Fabrikation der Kassetten dokumentierten Umfragen bei Fabrikanten und Händlern im In- und nahen Ausland, dass ohne sehr teure Vorinvestitionen in entsprechende Pressematrizen niemand in der Lage war, die gewünschten Kassetten zu produzieren. Die Schwierigkeit bestand darin, innerhalb der nur leichten Überhöhung von 40 mm, die die Spitzen der Pyramiden aufweisen, genügend scharfe Grate pressen zu können, die allerdings auch wieder nicht zu sehr akzentuiert sein durften, weil Reflexionen im Blech jeden Schattenwurf überzeichnen. Das Tiefziehen erwies sich als sinnvollste Technik zur Herstellung der Kassetten. Dazu gehörte auch die richtige Wahl der Blechstärke. Thomas Rütsche, dipl. Spenglermeister und Inhaber der Waga Spengertechnik AG, umschrieb die Problemstellung so: "Es durften keine Wellbleche entstehen". Sonst wäre die rigide Gleichmäßigkeit der Fassade, welche Solidität symbolisiert, zunichte gemacht worden. Zusammen mit dem Werkzeugmacher Niklaus Rütsche der Firma Rewatec tüftelten die Beiden ordentlich, bis das Resultat allen Erwartungen genügte. Erst dann wurde extra das individuelle, für die Großproduktion unentbehrliche Tiefziehwerkzeug hergestellt.

Das Produzieren der Kassetten war anschließend ein reines Mengenproblem. Immerhin mussten aber innert Monatsfrist rund 1200 Kassetten hergestellt werden. Glücklicherweise fiel diese Arbeit in die Monate Januar und Februar; infolge der dann zumal ergiebigen Schneefälle eine willkommene Winterbeschäftigung.

Montage und Toleranzbewältigungen

Die weitaus größere Herausforderung entstand bei der Montage auf dem Bau. Die Genauigkeit des Fassadenbauers bewegte sich im Millimeter-, die Bautoleranz des Rohbaus aber im Zentimeterbereich. Die serienmäßig hergestellten Kassetten erlaubten praktisch kein "Mogeln" auf dem Bau. Aus diesem Grund verlangte der Fassadenbauer vor Beginn seiner Arbeiten eine exakte Bauabnahme. Auf der Fassade positionierte er gemeinsam mit der Bauleitung und dem Fensterbauer die Standorte und Quoten aller Fenster im Einklang mit der Blechkassetten-Einteilung. Die Fassade wurde systematisch mit Laser ausnivelliert. Insgesamt mussten trotz den verlangten Genauigkeiten im Unterbau Toleranzen von bis 50 mm zwischen UK und OK-Kassetten korrigiert werden! Solche Abweichungen verlangten auch von der Waga Spengertechnik AG, dass die eine oder andere Kassette als Sonderform außerhalb des Rasters erstellt wurde. Erforderlich machten dies mitunter Abweichungen, die erst während der Montage an den Tag traten.

Der Gefängnisbezug stand schon lange fest und aus Sicherheitsgründen durfte danach auf keinen Fall mehr ein Gerüst stehen, was hieß, dass die Spezialbleche immer schnellstens zur Stelle sein mussten. So etwas kann nur ein flexibler, leistungsorientierter Betrieb erbringen, der zudem mit seiner Infrastruktur in der Nähe liegt.

Dies ist mitunter ein Grund, warum die Waga Spenglertechnik AG in der Konkurrenz mit großen Anbietern auch aus dem Ausland den Auftrag erhielt. Deren Anzahl hielt sich zwar in Grenzen, weil der Respekt, die Kassetten zu einem tragbaren Preis zu produzieren und transportieren, mit Recht als risikoreich eingestuft wurde. Vereinzelt wurde gar befürchtet, dass "das gar nicht machbar ist". In der Schweiz jedenfalls sind mit dem Werkstoff Rheinzink 1,2 mm stark noch nie Kassetten dieser Größe tiefgezogen worden. Doch Thomas Rütsche`s Bauch und Fachwissen ließen ihn einfach sagen: "das ist anspruchsvoll, aber das schaffen wir!" Dass dies nicht nur ein leerer Spruch blieb, davon überzeugte die Bauherrschaft endgültig ein am Bau montiertes 1:1-Muster mit Eckenausbildung und Fensteranschluss, das dann den Startschuss für den Beginn der Produktion und die Montage am Bau bedeutete.

Speziell und anspruchsvoll waren auch die heute für Nichtberechtigte nicht mehr zugänglichen Pfosten-Riegel-Bekleidungen im Innenhof, die mittels Bügelsystem und geklebten Rheinzink-Abdeckblechen ebenfalls optisch sehr ansprechend realisiert wurden.

Werkstoffwahl

Die Fassaden der Erweiterungsbauten wurden mit Titanzink gestaltet, "denn Zink ist ein neutraler Werkstoff und passt durch seine zeitlose Eleganz zu den unterschiedlichen Baustilen, im vorhandenen Fall zum Sichtmauerwerk der ersten Bauetappe". Der Werkstoff bot sich auf Grund seiner hohen Formbarkeit und damit der Möglichkeit, die gewünschte Kassettenform ohne Verwerfungen erstellen zu können, gerade zu an. Zum Einsatz kam Titanzink der Rheinzink GmbH & Co. KG, Datteln, vertreten durch Rheinzink (Schweiz) AG in Baden-Dättwil. Dieser zu 100 % recycelbare und nach ISO 14025 umweltdeklarierte Baustoff weist eine außergewöhnliche Langlebigkeit auf. Dafür ist die Patina verantwortlich, die sich durch Regenwasser und Kohlendioxid der Luft bildet und den Werkstoff vor Korrosion schützt. Aus diesem Grund bedarf eine Zinkoberfläche ihr Leben lang keinerlei Wartung. Sollte die Oberfläche einmal durch Kratzer beschädigt werden, tritt - anders als bei nicht natürlichen Blechoberflächen - durch die erneute Bildung der Patina ein "Selbstheilungseffekt" ein. Für Anwendungen, bei denen von Beginn an das «fertige» Bild der patinierten Zinkoberfläche gewünscht wird, entwickelte Rheinzink die Technik der echten Vorbewitterung.

Rheinzink lieferte Tafelmaterial-Zuschnitte nach Maß, die in der Werkstatt entsprechend den gestalterischen Vorgaben des Architekten tiefgezogen und abgekantet wurden. Eine werkseitig aufgebrachte Folie, die erst nach der Verlegung entfernt worden ist, schützte die Oberflächen bei Transport und Bearbeitung sowie während der Montage.

Die Bauten erhielten eine edle, exklusive Fassade, die alle Vorteile einer belüfteten Fassade einschließen.

Am Fassadenbau Beteiligte:

Bauherrschaft: Kanton Thurgau, vertreten durch das Kantonale Hochbauamt
Architektur: Keller und Schulthess Architekten AG; heute getrennte Büros:
Thomas Kai Keller, Amriswil, und Rolf Schulthess, Amriswil
Bauleitung: Paul Graf, Architekt FH, Amriswil
Fassadenplanung vor Ausschreibung: Fiorio Fassadentechnik GmbH, Zuzwil
Fassade, Gesamtplanung, Herstellung Kassetten und Montage: Waga Spenglertechnik AG, Sirnach; Gesamtleitung Thomas Rütsche-Brändle, Bauleitung und Ausführung René Strahm
Unterkonstruktion: Jakob Brändle AG; Leitung Andreas Brändle, Sirnach
Werkstofflieferant: Rheinzink (Schweiz) AG, Dättwil; Beratung Bernard Trächsel
Tiefziehwerkzeug Kassetten: Rewatec, Klaus Rütsche, Zuckenriet

Aufbau Fassade von Innen nach Außen

Mehrteilige Metallkonstruktion mit einer Auslandung von gesamthaft 260 - 300 mm bestehend aus
Konsolen SFS mit Isolator, mit Ausreissfestem Untergrund von KVT
Wärmedämmung Steinwolle 160 mm
Klemmen der Isolation mit senkrecht montierten Schienen, mit Dilatationstrennung alle 3-4 m
Zusätzliche Sterndübel zur Befestigung Fläche Wärmedämmung
Wagrechte Omega-Profile (aufgrund Statik), mit Dilatationstrennung alle 3-4 m
Gleitende Kassettenbefestigungsbügel Modell Rheinzink
Tiefgezogene Quader-Sonderkassetten mit Tiefe 40 mm, Sichtmaß mehrheitlich 510 x 1630 mm
Fugen mit Entwässerungsblechen

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