Architekturobjekte
Fachwerkhaus Kolpinghaus in Halberstadt
38820 Halberstadt, Dominikanerstraße 3
Mit freundlicher Unterstützung von Knauf Gips
Mit freundlicher Unterstützung von Knauf Gips
Basisdaten zum Objekt
Lage des Objektes
Dominikanerstraße 3, 38820 Halberstadt, Deutschland
Objektkategorie
Objektart
Art der Baumaßnahme
Sanierung / Modernisierung
Fertigstellungstermin
05.2013
Projektbeteiligte Firmen und Personen
Verwendete Produkte
Lage und Umgebung
Beschreibung
Objektbeschreibung
Die Altstadt von Halberstadt ist sehenswert, nicht zuletzt durch einige wunderschöne Fachwerkhäuser. Bis zum Zweiten Weltkrieg galt die Stadt sogar als das "Rothenburg des Nordens". Einem verheerenden Bombenangriff kurz vor Kriegsende fiel jedoch fast die gesamte Altstadt zum Opfer. In den 70er Jahren wurden viele weitere Häuser abgerissen, um modernem Wohnraum Platz zu machen. Zu den heute knapp 450 noch übrig gebliebenen Fachwerkgebäuden zählt das Kolpinghaus, das jetzt durch eine sorgsame Sanierung vor dem Verfall gerettet wurde. Es erreicht durch die speziell für Fachwerk entwickelte Innendämmung TecTem® Insulation Board Indoor Historic eine deutlich verbesserte Energieeffizienz und erhält vor allem auch einen Dämmstoff, der speziell auf die bauphysikalischen Besonderheiten im Fachwerk Rücksicht nimmt.
Viele Jahre fristete es ein kümmerliches Dasein, das Kolpinghaus in der Dominikanerstraße, Halberstadt. Nach zwölf Monaten Bauzeit und 1,1 Millionen Euro Investitionen ist das 1671 errichtete Gebäude jetzt wieder ein Schmuckstück in der Altstadt.
Das Haus, seit 1921 in kirchlichem Besitz, hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Es war Kaufmannshaus, beherbergte 1870/1871 französische Kriegsgefangene, Blumenhändler, Bürstenmacher, Korbmacher, Hebammen, Schuhmacher, Büchsenmacher, Uhrmacher und einen Schiffbauer. Seit 1921 betreuten Karmelitinnen heimatlose Kinder im "Josefsheim" genannten Gebäude. Seit den 1970er Jahren hatte die Halberstädter Kolpingsfamilie das Haus genutzt und unter großen Mühen versucht, es zu erhalten. Nach einigen Jahren des Leerstandes wurde das markante Fachwerkgebäude 2011 vom Kolping Berufsbildungswerk Hettstedt übernommen. Die Modernisierung wurde im Rahmen der „Modellstadt für die Stadtsanierung“ gefördert durch Stadt, Land und Bund.
Neue Nutzung: Barrierefreies Wohnen
Durch ein neues Nutzungskonzept sind seitdem insgesamt zwölf Wohneinheiten entstanden. Acht behinderte Jugendliche haben hier eine Wohnung gefunden, um den Schritt in ein selbstständiges Leben zu wagen. Zwei weitere Wohnungen sind privat vermietet, zwei Dachgeschosswohnungen werden bis Mai 2013 noch ausgebaut. Im Erdgeschoss wurde ein großer Gemeinschaftsraum geschaffen, vermietet an einen Verein.
Die geringen Kosten der Sanierung erklären sich durch die Tatsache, dass das Ausbauvorhaben auch genutzt wurde, um AZUBIS des Kolpingwerkes bei ihrer Arbeit einen guten Praxisbezug zu geben. Tischler, Maler und Zimmerer, die in Hettstedt und Walbeck ihr drittes Lehrjahr absolvieren, kamen in Halberstadt zum Einsatz.
Nach der Entkernung des Gebäudes folgte die komplette Erneuerung von Heizungen und Sanitäranlagen, gefolgt von Dachsanierung und Innendämmung. Der Anbau eines Fahrstuhls an der Rückseite des Hauses sowie die Überarbeitung der Fassade erfolgten im Sommer.
Spezielle Innendämmung für Fachwerk
Die energetische Sanierung eines Fachwerkhauses beeinflusst stark die gesamte Konstruktion und die damit verbundenen bauphysikalischen Prozesse. Sie ist daher sorgfältig und immer individuell für das einzelne Objekt zu planen. Im Kolpinghaus gab es bis dato allerdings gar keine Dämmung, „der Wind pfiff quasi durchs Haus“, so der Architekt Oliver Flügel.
Nach Freilegung des Fachwerks zeigten sich erhebliche Schäden an den Fachwerkbauteilen und im Dachstuhl, welche selbst der hinzugezogene Holzschutz-Sachverständige vor der Freilegung nicht erkennen konnte. Diese Schäden mussten von einem spezialisierten Zimmererei-Fachbetrieb instand gesetzt werden.
Herausforderungen bei der Fachwerksanierung
Das Kolpinghaus besteht aus einem Kellergeschoss, Erdgeschoss, zwei Obergeschossen und drei Dachgeschossen. Saniert wurden alle Geschosse. Zum Einsatz kamen unterschiedliche Baumaterialien: Holz als Fachwerk mit einer Stärke von ca. 20 cm, Hochlochziegel, Kalksandstein und Lehmausfachungen im Fachwerk. Das Ziegelmauerwerk variiert zwischen 115 und 365 mm Wandstärke.
Fugenreiche Konstruktionen aus hölzernem Tragwerk und verschiedenen Ausfachungsmaterialien reagieren empfindlich auf jegliche Veränderung. Bei Objekten, bei denen das Fachwerk außen sichtbar bleiben soll, ist ein Wärmeschutz noch schwieriger zu realisieren.
Der maßgebende Unterschied des Fachwerks zu herkömmlichen Ziegelkonstruktionen besteht darin, dass der Baustoff Holz sich der relativen Feuchte der umgebenden Luft anpasst. Diese Feuchte wiederum beeinflusst erheblich das Schwinden und Quellen des Holzes. Den jahreszeitlichen Witterungen ausgesetzt ist es also ständig in Bewegung und macht eine schlagregendichte Fugenausbildung der Fachwerkfassade unmöglich. Diese Tatsache muss sowohl bei der Beurteilung der Konstruktion als auch bei den erforderlichen regelmäßigen Wartungen berücksichtigt werden.
Ideale Dämmstärke: 60 mm
Alle Außenwände, die nicht von außen gedämmt werden konnten wie beispielsweise die Fachwerkwände, wurden innenseitig mit TecTem® Historic-System gedämmt. Dazu zählen neben der Dämmplatte u.a. der Grundputz Lehm und der Klebespachtel Lehm. Die mineralische Dämmplatte TecTem® Insulation Board Indoor Historic der KNAUF AQUAPANEL GmbH ist in jeder Hinsicht auf Fachwerkgebäude abgestimmt. Sie nimmt durch ihre Diffusionsoffenheit und ihre Kapillaraktivität die genannten Herausforderungen an. Auch die für ein Objekt ideale Dämmstärke muss nicht erst ermittelt werden: Die 60 mm dicke Dämmplatte hat sich als optimal für Fachwerkkonstruktionen herausgestellt. Es konnte in vielfachen Simulationen nachgewiesen werden, dass nicht nur die Anforderungen aus dem Mindestwärme- und Feuchteschutz erfüllt sind und eine Schimmelwahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, sondern mit TecTem® Historic auch die Anforderungen der EnEV 2009 (U-Wert ≤ 0,84 W/m²K) für Sichtfachwerk erfüllt werden.
Die Dämmplatte wird durch folgende Systemkomponenten optimal ergänzt: den extrem kapillarleitenden und flexiblen TecTem® Grundputz Lehm als Ausgleichsputz für Sichtfachwerkwände oder bei größeren Unebenheiten des Bestandsputzes sowie den TecTem® Klebespachtel Lehm, zum Anbringen der Dämmplatten.
TecTem® Grundputz Lehm
Gebäude mit Sichtfachwerk haben nur selten ebene Wände, insbesondere bei alten Scheunen oder ähnlichen Gebäuden, die heute aber oft zu Wohnräumen umgebaut werden. Gefache und Holz zeigen Versprünge, die eine effiziente und sorgfältige Dämmung erschweren. Diese Unebenheiten müssen zunächst mit einem Material ausgeglichen werden, das ein ähnliches Feuchteverhalten wie Holz aufweist, zudem möglichst plastisch sein sollte, um Bewegungen aus dem Untergrund auszugleichen und in großen Schichtstärken aufgetragen werden kann. Hier kommt TecTem® Grundputz Lehm zum Einsatz – kapillar leitfähig, wasserdampfdurchlässig und mit hoher Verbundhaftung. Er ist ideal dafür geeignet, die häufig auftretenden Unebenheiten an den Innenwänden von Fachwerkhäusern auszugleichen, und passt sich optimal der späteren Dämmung, aber auch dem Feuchteverhalten des Holzes an.
TecTem® Klebespachtel Lehm
Der Klebespachtel wiederum wird zum Verkleben von TecTem® Insulation Board Indoor Historic auf Fachwerkwänden im Innenbereich eingesetzt. Der TecTem® Klebespachtel Lehm überzeugt durch eine hohe Verbundhaftung und Abrutschsicherheit und ist dabei kapillaraktiv und wasserdampfdurchlässig.
Sollte es zu einem Tauwasserausfall innerhalb des Wandaufbaus oder einem Feuchteeintrag über die Fugen von außen kommen, garantieren diese Systemkomponenten in Verbindung mit der Platte durch ihre kapillare Leitfähigkeit, dass Auffeuchtungen sowohl nach innen als auch nach außen schnell wieder abgeben werden können. Das System TecTem® Historic ist somit in der Lage, optimal mit der komplexen Feuchte- und Wärmesituation umzugehen und sie ganz natürlich zu regulieren.
Objektspezifische Planung der Dämmung
Im Vorfeld wurde das Institut für Bauklimatik der TU Dresden mit Analysen und Simulationen zu den Wandaufbauten, insbesondere aber auch zu folgenden Anschlussdetails, beauftragt: Ausbildung der Fensteranschlüsse, Gebäudeeckausbildung zum Giebel und Erkersituation mit Versatz. Um die Komplexität der Sanierung realitätsnah abbilden zu können, wurde das wissenschaftliche Simulationsprogramm DELPHIN für den gekoppelten Wärme-, Feuchte-, und Stofftransport in kapillarporösen Baustoffen eingesetzt. Die Simulationen berücksichtigten objektspezifisch z.B. die Schlagregenbelastung, aufsteigende Feuchte und eingebrachte Baufeuchte am Objekt. Beim Kolpinghaus wurde unter Berücksichtigung der Bestandsituation, des Einflusses der umgebenden Bebauung, vorhandener Vorsprünge des Hauses und eines großen Dachüberstandes die Schlagregenbelastung mit 30 % definiert. So wurden die Detaillösungen der Anschlüsse geprüft und falls erforderlich angepasst. Darüber hinaus folgten Empfehlungen zur Wahl des Farbanstrich auf der Außenseite, der schlagregendicht, diffusionsoffen und wasserabweisend sein muss.
Vorbereitung des Untergrundes
Für die Montage der Dämmplatten musste zunächst ein tragfähiger und ebner Untergrund geschaffen werden. So mussten zahlreiche Rücksprüngen und Unebenheiten der Wand erst ausgeglichen werden. Bei Gefachen, die vollständig erneuert werden mussten oder große Rücksprünge aufwiesen, wurden Lehmziegel eingesetzt. Die Holzbalken wurden mit Schilfrohrgewebe überspannt. Schilfrohrgewebe ist ein traditioneller Putzträger und wurde schon im 18. Jahrhundert verwendet. Heutzutage wird Schilfgewebe als Putzträger vor allem beim biologischen Bauen, im Fachwerk und im Bereich der Denkmalpflege als historischer Baustoff eingesetzt.
Dann wurde der TecTem® Grundputz Lehm vollflächig über Gefache und Holz aufgebracht. Auf diesen jetzt planen Untergrund konnte einfach und schnell die 60 mm starke Dämmplatte TecTem® Insulation Board Indoor Historic mit dem speziell für das Fachwerk entwickelte TecTem® Klebespachtel Lehm aufgeklebt werden.
Innenwände und Decken
Da die Innenwände nachträglich im Trockenbau errichtet wurden, konnte die Dämmung durchlaufend über die gesamten Innenseiten der Fachwerkaußenwände gezogen werden. Die Trockenbauwände wurden dann direkt davor gestellt, so dass es auch hier keine Problemstellung durch Wärmebrücken gab.
Heizkörper und Steckdosen
Auch die Flächen unter den Heizkörpern wurden mit TecTem® Insulation Board Indoor Historic gedämmt. Die Befestigung der Heizkörper erfolgte mit Spezialdübeln, um Wärmebrücken zu vermeiden. Auf den Innenseiten der Außenwände wurden Steckdosen und so weit wie möglich vermieden. Da die Innenwände neu errichtet wurden, konnten sie problemlos dort untergebracht werden. An den wenigen Stellen, wo dennoch Steckdosen installiert wurden, wurde darauf geachtet, dass immer noch Dämmmaterial hinter den Dosen lag und keine direkte Verbindung mit der Außenwand bestand.
Geprüft wurden vom Institut für Bauklimatik außerdem die Wärmebrücken im Bereich der gedämmten Ecken an Erkern und an den Versatzstellen vom 1. zum 2. OG. Als Klimadaten wurde das Klima Mitteldeutschland angesetzt. Im Ergebnis konnte eine Schimmelbildung nach dem DIN-Nachweis 4108-2 im kritischen Punkt ausgeschlossen werden, da weder die zulässige Minimaltemperatur unterschritten noch die zulässige maximale Feuchte überschritten wurde. Die Trocknungszeiten der eingebrachten Materialien wurden genauestens eingehalten, damit keine unnötige Feuchte im Bauwerk verbleibt und gegebenenfalls die Holzbauteile beeinträchtigt.
Fenster und Wandoberfläche
Die Dämmung der Fensterlaibungen erfolgte mit der 25 mm starken Laibungsplatte aus dem TecTem® System. Eine noch dickere und damit vorteilhaftere Laibungsdämmung konnte aufgrund der baulichen Gegebenheiten nicht eingesetzt werden. In besonders kalten und langen Wintern besteht allerdings ein erhöhter Lüftungsbedarf, um die Schimmelbildung tatsächlich auszuschließen. Auch eine Kalkglätte mit Kalkfarbe oder Sumpfkalk minimieren in diesem Bereich das Schimmelrisiko. Insbesondere schwere Vorhänge sollten nicht angebracht werden. Die Wandoberflächen wurden zum größten Teil mit einer diffusionsoffenen Farbe gestaltet. Kleinere Flächen in den Sanitärbereichen wurden gefliest.
Nachahmung empfohlen
Das imposante Fachwerkgebäude Kolpinghaus Halberstadt ist also gerettet. Mehr noch: Durch die sorgsame und fachgerechte Dämmung bietet es ein angenehmes Raumklima in den Wohnungen, deutliche Energieeinsparungen beim Heizen und vor allem auch nachhaltigen Schutz für die bauphysikalisch so komplexen Wandkonstruktionen. Die Sanierung mit TecTem® Historic könnte als Vorbild dienen: In Deutschland stehen circa 2 Millionen Fachwerkgebäude, die somit einen beträchtlichen Teil des Gebäudebestandes ausmachen und mit wachsendem Anspruch an Wohnkomfort und Energieverbrauch gedämmt werden könnten – mit einem innovativen, auf Fachwerk maßgeschneiderten Dämmstoff.
Beschreibung der Besonderheiten
• Entkernung und kompletter Umbau
• Erneuerung von Heizung und Sanitäranlagen
• Fachwerksanierung, Dachsanierung
• Innendämmung mit TecTem® Insulation Board Indoor Historic
• Schaffung von 12 Wohneinheiten, 2 davon
Behindertengerecht, 10 barrierefrei
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