Architekturobjekte
Mit freundlicher Unterstützung von Knauf Gips
Basisdaten zum Objekt
Lage des Objektes
79576 Weil am Rhein, Deutschland
Objektkategorie
Objektart
Art der Baumaßnahme
Sanierung / Modernisierung
Fertigstellungstermin
03.2017
Projektbeteiligte Firmen und Personen
Verwendete Produkte
Gebäudedaten
Anzahl der Vollgeschosse
3- bis 5-geschossig
Raummaße und Flächen
Wohnfläche
200 m²
Beschreibung
Objektbeschreibung
Nahe der Schweizer Grenze wurde in einem unter Denkmalschutz stehenden Ortskern ein knapp 400 Jahre altes Fachwerkgebäude saniert. Nach kompletter Entkernung wurden alle Außenwände gedämmt. Zum Einsatz kam die mineralische Dämmung TecTem® Historic, speziell für die komplexen Bedürfnisse von Fachwerk entwickelt.
Auf dem Rücken des Tüllinger Berges nahe der Schweizer Grenze liegt Ötlingen, ein Stadtteil von Weil am Rhein, der seine historisch gewachsene, dörfliche Substanz sehr gut erhalten konnte. Seit 1971 gehört das Dorf zur Stadt Weil am Rhein. Das wertvolle Ortsbild steht unter Denkmalschutz, unterstützt durch das Sanierungsprogramm „Dorfentwicklung“ des Landes. Mit seiner Hilfe gelang es, weite Teile der aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammenden Architektur zu sanieren. Das älteste Haus am Ort ist ein aus dem Jahr 1571 stammendes Fachwerkhaus. Weit über die Stadtgrenzen hinaus ist Ötlingen heute als preisgekröntes Musterdorf bekannt.
Jetzt wurde ein im ursprünglichen Ortskern liegendes Gehöft, das zu den sechs ältesten Häusern des Ortes zählt, aufwendig saniert, um einer dreiköpfigen Familie als Wohnhaus zu dienen. Zum ursprünglichen Bauernhaus gehört eine Heuscheune mit drei Etagen: Im Keller die Güllegrube, darüber der ehemalige Kuhstall und abschließend die Heubühne. Das Bauernhaus hatte seinerzeit sogar ein Brennerecht, welches aber zwischenzeitlich abgegeben wurde.
Komplett entkernt
Das Gebäude wurde komplett entkernt, tragendes Mauerwerk bzw. tragende Balken, wo es nötig war, erneuert und das Dach als Galerie ausgebaut. Es verfügt nach Ausbau – Fußbodenaufbau von ca. 7,5 cm inkl. Fußbodenheizung – über Raumhöhen zwischen 2,03 m, über 2,20 und 2,50 m sowie 2,70 m in der Galerie. Das Haus steht in einem Erdbebengebiet, daher ist Fachwerk hier ideal. An einigen Stellen hatte der Putz der Fassade Risse, ansonsten war die Fassade aber gut erhalten. Allerdings war an undichten Stellen im Gefach Feuchtigkeit im Obergeschoss aufgetreten und das Fachwerk hatte teilweise ebenfalls Feuchteschäden. Die Außenmauern des Erdgeschosses sind massiv aus 50 cm dicken Backsteinen gemauert. Im 1. Und 2. OG bestehen die Außenwände aus Fachwerk mit Gefachen aus Bruchsteinen.
Sichtbares Fachwerk
Außen waren bei älteren Sanierungsmaßnahmen teilweise Holzwolle-Leichtbauplatten an die Wand gekommen, die man beließ, um durch äußerliche Veränderungen nicht mit dem Denkmalsschutz in Konflikt zu kommen. Die sichtbaren Gefache an zwei Seiten des Hauses hatten entsprechend Auswirkungen auf die Wahl der Dämmung.
Erweiterung des Dachs
Zu einer Straßenseite hin konnten Dachgauben in das Dach eingefügt werden, die dem historischen Ortsbild entsprechen. Zur Südseite wurden Dachflächenfenster von der Denkmalbehörde genehmigt, da diese vom öffentlichen Raum aus nicht einsehbar waren. Die Galerie, die unter dem Dach entstanden ist – Steigungswinkel des Dachs: 50 Prozent – wird über eine maßgeschneiderte Wendeltreppe erreicht.
Das Wohnhaus hatte über die Jahrhunderte einige Bauabschnitte und Veränderungen erlebt, u.a. um circa 1870, wie man an gefundenen Zeitungsbelegen feststellen konnte. Weitere Sanierungsmaßnahmen fanden um 1970 und 1980 statt, als unter anderem Styroporplatten und Holzwolle-Leichtbauplatten innen auf die Außenwände aufgebracht wurden. Im 1. OG und Dachgeschoss wurden Böden aus Betonestrich eingegossen. In den Zwischenböden stieß man bei der Entkernung auf ein wahres Sammelsurium an Reststoffen, mit denen man früher versucht hatte zu islolieren, u.a. Glaswolle und Steinwolle. Leider wurde mit diesen laienhaften Maßnahmen ein großer Schaden an der Bausubstanz verursacht. Es gab an vielen Stellen Schimmelpilz durch Kondensatbildung.
Betonschwere Altdecken
Der schwere Betonestrich hat die Holzbalkendecken um bis zu 45 cm nach unten gebogen. Nach Entlastung der Holzbalkendecken sind diese von alleine wieder ca. 10 cm nach oben gegangen. Anschließend wurden die Balken in der feuchten Jahreszeit mit 30to Hebeböcken (Stockwinde) und aufgesetzten Stahlpfosten Woche um Woche nach oben in ihre Ursprungslage gedrückt, um die ursprüngliche Raumhöhe zu gewinnen: Im 1 OG um 35 cm, bis zum Dach um 45 cm. Da das Gebäude in diesem Zeitraum komplett entkernt war, mussten die Außenwände vorübergehend statisch gesichert werden, damit das Haus nicht zusammenfällt.
Die zur statischen Absicherung der Decken eingebauten Stahlträger verbleiben, schwarz gestrichen, dauerhaft im Gebäude. Das Stahlkorsett (Verstärkung der Unterzüge, Stahlträger) des Hauses bleibt sichtbar und bildet als Industriedesign einen spannenden Kontrast zum Stil des alten Gehöftes. Die Hauseingangstüre als Eichentüren wiederum wurde original und massiv nachgebaut und die Fenster teils gusseisern vergittert. Die überall eingebauten Kunststofffenster aus den 80er Jahren wurden gegen traditionelle Holzsprossenfenster ausgetauscht.
Raumblicke und Sichtbeziehungen
Auf jeder Etage hat man vom Treppenhaus Einsichten in die riesige angrenzende Scheune geschaffen, durch welche Spannung und Größe im kleinen Bauernhaus erzeugt werden. In der Scheune wurden alle Zwischenböden entfernt, sie steht jetzt quasi als Kunstwerk aus Holz am Bestand. Bemerkenswert ist die Leiter zum Heuschober: Sie besteht schlichtweg aus einem Pfahl mit Asteinschüben und dürfte schon Jahrhunderte auf dem Buckel haben.
Das Haus wurde kernsaniert, nur die Außenmauern blieben stehen. Erhalten wurden auch die Holzbalken der Fußböden bzw. Decken, alte Eichenbalken, von denen nur bei zwei erneuert werden mussten: Das Gebäude ist teilunterkellert, als Natursteinkeller mit Lehmboden, und beim Öffnen des Bodens im Erdgeschoss stellte man fest, dass zwei der Deckenbalken, die im Sand auflagen, an den Auflagestellen komplett morsch waren. Daher wurde im Keller als Auflage für die Balken eine neue Wand aus ausbetonierten Kellerschalsteinen eingezogen. Zusätzlich wurde der Keller durch eine Dampfsperre zum Erdgeschoss hin abgedichtet, da der Keller weiterhin als Naturkeller mit einem Boden aus Erdreich genutzt wird.
Heizung
Im gesamten Gebäude wurden die Heizkörper entfernt. Die neue Heizung basiert auf einer Fußbodenheizung mit extrem niedrigen Aufbauhöhen in allen Räumen. Im Erdgeschoss wurde ein Kaminofen eingebaut. Dieser erwärmt mit seiner zentralen Lage das ganze Gebäude im Winter und in der Übergangszeit. Durch eine große Glasscheibe sorgt die sichtbare Brennstelle für ein besonderes Ambiente. Zusätzlich wurde im Dachstudio ein weiterer Schwedenofen aufgestellt, um auch dort eine entsprechende Atmosphäre zu erhalten.
Spezialdämmung für Fachwerk
Die Gefache des Gebäudes sind zum Teil in der Außenansicht zu sehen. Eine Außendämmung kam daher nicht in Frage. Nicht zuletzt aufgrund der schattigen Lage in der engen, immer angrenzenden Dorfbebauung des Hauses konnte auf eine Dämmung aber nicht verzichtet werden. Auf Grundlage der Empfehlung des Architekten, ein kapillaroffenes System zu nehmen, das aufeinander abgestimmt ist, entschied man sich schließlich für eine Spezialdämmung für Fachwerkgebäude: TecTem® Historic von Knauf.
Der maßgebende Unterschied des Fachwerks zu herkömmlichen Ziegelkonstruktionen besteht darin, dass der Baustoff Holz sich der relativen Feuchte der umgebenden Luft anpasst. Dies Feuchte wiederum beeinflusst erheblich das Schwinden und Quellen des Holzes. Den jahreszeitlichen Witterungen ausgesetzt ist es also ständig in Bewegung und macht eine schlagregendichte Fugenausbildung der Fachwerkfassade unmöglich. „Eine luftdichte Gebäudehülle nach EnEV hat in einem historischen Fachwerkhaus nichts zu suchen und verursacht mehr Schaden als Nutzen“, so der Architekt Thomas Grützmacher vom Architekturbüro Grützmacher in Steinen.
TecTem® Insulation Board Indoor Historic
Aufgrund der Problematik des Schlagregens und den schlanken, circa 150 mm starken Wänden ist bei der Wahl des Dämmmaterials darauf zu achten, nicht zu viel des Guten zu tun: Fachwerk darf nur mäßig gedämmt werden, damit das Trocknungspotenzial der Bestandswand erhalten bleibt. TecTem® Insulation Board Indoor Historic ist eine in jeder Hinsicht auf Fachwerkgebäude abgestimmte mineralische Dämmplatte. Sie ist hydrophil und nimmt durch ihre Diffusionsoffenheit und ihre Kapillaraktivität die genannten Herausforderungen an. Und sie bietet die auch für das Ötlinger Objekt ideale Dämmstärke: Über 150 Simulationen haben gezeigt, dass die 60 mm schlanke Dämmplatte optimal für Fachwerkkonstruktionen geeignet ist.
Die natürliche Dämmplatte TecTem® Historic ist eingestuft in der Baustoffklasse A1/nicht brennbar, diffusionsoffen, kapillaraktiv, hydrophil, faserfrei und hat einen schimmelpilzfeindlichen pH-Wert 10. Sie dämmt effizient und puffert Feuchtigkeit in hohem Maße ab. Der Wasseraufnahmekoeffizient AW beträgt 105,6 kg/(m2h0,5), der Wasserdampfdiffusionswiderstand μ beträgt 5-6. TecTem® Historic trägt entscheidend zu gesundem Wohnen bei: Die natürliche Dämmplatte wurde mit dem Blauen Engel sowie den Zertifikaten eco und natureplus ausgezeichnet.
Optimal für die besondere Feuchte- und Wärmesituation
Sollte es zu einem Tauwasserausfall innerhalb des Wandaufbaus oder einem Feuchteeintrag über die Fugen von außen kommen, garantieren die
Systemkomponenten in Verbindung mit der Dämmplatte, dass Auffeuchtungen sowohl nach innen als auch nach außen schnell wieder abgeben werden können. Das System ist somit in der Lage, optimal mit der komplexen Feuchte- und Wärmesituation im Fachwerk umzugehen und sie ganz natürlich zu regulieren. Man erhält eine sichere und gebäudeerhaltende Dämmung, die zudem ein behagliches Raumklima schafft.
Montage der mineralischen Dämmplatten
Für die Dämmung wurden im komplett entkernten Haus alle Makel und Verschmutzungen auf den Innenseiten der Außenwände beseitigt. Auf den sehr unebenen Untergrund konnte dann als Ausgleichputz TecTem® Grundputz Lehm aufgebracht werden, mit bis zu 10 cm Unterschied in der Auftragsstärke. Er ist kapillar leitfähig, wasserdampfdurchlässig und hat eine hohe Verbundhaftung. Er passt sich optimal der späteren Dämmung, aber auch dem Feuchteverhalten des Holzes an.
Auf die so vorbereiteten Außenwände wurde TecTem® Historic mit dem im System abgestimmten Klebespachtel Lehm montiert. Er ist ebenfalls kapillaraktiv und besonders elastisch. An den Fenstern wurden Laibungsplatten eingesetzt. Die Dämmplatten wurden an den Innenseiten der Außenwände durchgezogen, die Balken allerdings ausgespart. Da alle Innenwände neu eingezogen und vor die gedämmten Außenwände gestellt wurden, konnten sie keine Gefahr für Wärmebrücken bilden.
Besonders glatte Oberflächen
Auf die gedämmten Wandflächen kam anschließend TecTem® Grundierung zur Oberflächenverfestigung der Dämmplatten. Nach der Trocknung trugen die Handwerker TecTem® Innenputz in Bahnenbreite des TecTem® Gewebes auf, das anschließend eingebettet und nochmals dünn mit Innenputz überzogen wurde. Auf die verfestige Armierungsschicht konnte am Folgetag erneut Innenputz aufgetragen werden. Um den Abrieb des Putzes in Grenzen zu halten entschied man sich dafür, eine Silikatfarbe aufzutragen. Der Einsatz einer Silikatfarbe wurde mit dem Hersteller des Dämmsystems abgestimmt, damit die TecTem® Platten ihre Diffusionsoffenheit und Kapillaraktivität behalten. Diese Abstimmung ist sehr wichtig, damit mit dem falschen Anstrich nicht das gesamte System zerstört wird. „Ein Aufklärung der Bauherrschaft ist hier extrem wichtig“, so Architekt Grützmacher, „umso wichtiger, dass der Hersteller deutlich darauf hinweist.
Installationen
Lichtschalter und Steckdosen wurden möglichst auf den Innenwänden angebracht, was bis auf vier Ausnahmen möglich war. Im Sanitärbereich musste außerdem ein Abflussrohr innen an der Außenwand verlaufen.
Bodenaufbau mit Fußbodenheizung
Alle Böden wurden neu aufgebaut, indem 4 cm dicke OSB-Platten auf die Tragbalken montiert wurden. Auf die OSB-Platten wurde Holzfaser-Trockenestrichelemente verlegt. Darauf kam eine dünne Fußbodenheizung, ein System, das einen dünnschichtigen Bodenaufbau ermöglicht und mit einer Estrichüberdeckung von 20 mm über den Noppen auskommt. Das Ergebnis hat gerade mal 60 kg pro qm Estrichgewicht. Den Abschluss bildet anschließend ein Eichenechtholzparkett.
Fachwerk sanieren und gesund wohnen
Die Sanierung des alten Fachwerkhaueses ist ein Werk von Liebhabern, die keine Mühe gescheut haben. Sehr hilfreich war die ständige Präsenz des befreundeten Zimmermanns Marcel Straube auf der Baustelle, der als Zimmermann mit den unterschiedlichen und individuellen Anforderungen an den Holzbau souverän umgehen konnte. Gemeinsam mit ihm hatte die Bauherrenfamilie immer wieder eine Gratwanderung zu gehen zwischen Erhalt und Erneuerung, zwischen Modernität und Tradition. Die Funktionalität sollte stimmen, aber den Charakter des Hauses nicht grundlegend ändern. Die immer wieder auftretenden, häufig unangenehmen Überraschungen, üblich bei einem solchen Sanierungsobjekt, konnten im stimmigen Zusammenhalt aller Beteiligten dann auch gut gemeistert werden.
Das Objekt wurde nach 16 Monaten Bauzeit Ende März 2017 bezogen. Es wirkt offen und hell, trotz teilweise niedriger Deckenhöhen und eher kleinen Fenstern, und vereint auf sehr individuelle Weise Tradition und Moderne. Für den Erhalt des alten Fachwerkgebäudes sorgt jetzt nicht zuletzt die Dämmung mit der mineralischen Dämmplatte, die ein Zuviel an Feuchtigkeit und Schimmelpilz gar nicht erst zulässt.
Das Gebäude wurde weiß gestrichen, die Holzverschläge in hellem Grau, das Fachwerk und die Gewänder in dunklem Grau. Von außen wirkt es eher bescheiden und lässt nicht erahnen, wie intelligent und modern wohnlich es innen gestaltet ist – ein Vorbild für viele derartige Gebäude, die noch auf eine Sanierung warten!
Bautafel
Objekt: Wohnhaus Reinhart Weil am Rhein
Bauherr: Familie Reinhart
Architekten: ARCHITEKTURBÜRO GRÜTZMACHER, Ernst-Hänssler-Str.8, 79585 Steinen (Dilp.Ing.(FH) Thomas Grützmacher
Verarbeiter: größtenteils in Eigenleistung; Das TecTem® System wurde ebenfalls in Eigenleistung appliziert, der Fachberater Alexander Thümmrich von KNAUF AQUAPANEL stand jederzeit unterstützend und mit Tatkraft zur Seite.
Fachberatung: Alexander Thümmrich, Verkaufsleiter Nord KNAUF AQUAPANEL
Verwendete Systeme
TecTem® Insulation Board Historic
TecTem® Insulation Board Klebespachtel Lehm
TecTem® Insulation Board Füllmörtel
TecTem® Insulation Board Grundierung
TecTem® Insulation Board Innenputz
TecTem® Insulation Board Gewebe
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