Architekturobjekt 176 von 213

Architekturobjekte


Haupttribüne An der Alten Försterei, Berlin

12555 Berlin, An der Wuhlheide 263

Mit freundlicher Unterstützung von Odenwald Faserplattenwerk (OWA)

Die Fassade des neuen Tribünengebäudes zitiert die für den Verein und die Fans so wichtige Industriegeschichte, die den Südosten Berlins lange geprägt hat. - Haupttribüne An der Alten Försterei, Berlin

© Gerhard Zwickert, Berlin im Auftrag von OWA

Von den Stehplätzen der Fans, die diese in 140.000 freiwilligen Arbeitsstunden mit erbaut haben, geht der Blick auf die neue Haupttribüne, die die Stadionkapazität An der Alten Försterei seit Sommer 2013 auf 21.717 Plätze vergrößert hat. - Haupttribüne An der Alten Försterei, Berlin

© Gerhard Zwickert, Berlin im Auftrag von OWA

Der Name der „Eisern Lounge“ spielt einerseits auf den Schlachtruf der Fans „Eisern Union“ an und greift zugleich das industrielle Motiv der gesamten Gebäudegestaltung auf. - Haupttribüne An der Alten Försterei, Berlin

© Gerhard Zwickert, Berlin im Auftrag von OWA

Das Foyer des Veranstaltungs- und VIP-Bereiches mit einem in den Vereinsfarben Rot-Weiß beleuchteten Lichtfeld, das mit einem umlaufenden Fries in die Akustikdecke eingefügt wurde. - Haupttribüne An der Alten Försterei, Berlin

© Gerhard Zwickert, Berlin im Auftrag von OWA

Die Decke der „Schlosserei“ präsentiert sich bewusst technisch und funktional mit sichtbaren Lüftungskanälen. Durch die friesartige Einfassung der Kanäle konnten Plattenzuschnitte vermieden werden, sodass eine harmonische Ansicht mit immer gleichen Platte - Haupttribüne An der Alten Försterei, Berlin

© Gerhard Zwickert, Berlin im Auftrag von OWA

In den Duschen konnte das Deckensystem in identischer Optik mit korrosionsbeständiger Konstruktion und feuchtraumgeeigneten Platten ausgeführt werden. - Haupttribüne An der Alten Försterei, Berlin

© Gerhard Zwickert, Berlin im Auftrag von OWA

Eine spezielle ballwurfsichere Ausführung der Decke kam in den Gymnastikund Krafträumen zum Einsatz. - Haupttribüne An der Alten Försterei, Berlin

© Gerhard Zwickert, Berlin im Auftrag von OWA

Mit freundlicher Unterstützung von Odenwald Faserplattenwerk (OWA)

Basisdaten zum Objekt

Lage des Objektes

An der Wuhlheide 263, 12555 Berlin, Deutschland

Objektkategorie

Objektart

Art der Baumaßnahme

Neubau

Fertigstellungstermin

06.2013

Projektbeteiligte Firmen und Personen

Architekt/Planer

AFprojekt GmbH

Rennbahnstraße 86

13086 Berlin

Deutschland

Bauleistung: Dachdeckung, Dachabdichtung

K. Rogge Spezialbau GmbH

Saatwinkler Damm 13

13627 Berlin

Deutschland

Beschreibung

Objektbeschreibung

Für die neue Haupttribüne wählte der 1. FC Union Berlin eine an industrielle Bauformen erinnernde architektonische Formensprache. Die rustikalen Raumgestaltungen sind von Sichtbeton, Stahl und Glas geprägt – und von funktionalen Akustikdecken, die bei weitgehend gleicher Optik jeweils raumspezifische Anforderungen erfüllen.

Neue Baulichkeiten können offenbar auch sportlich beflügeln, wie derzeit der 1. FC Union beweist. Mitten im Stadionumbau war der Verein 2009 in die 2. Bundesliga aufgestiegen und zeigte 2012/13 – nach dem Abschluss aller Bauarbeiten – einen fulminanten Saisonauftakt. Letzter Bauabschnitt des de facto Komplettneubaus des Stadions war die im Sommer 2013 eingeweihte Haupttribüne, die auf spannende Weise modernes Fußballmarketing mit dem traditionell bodenständigen Image des Vereins verbindet.

Denn „Eisern Union“, wie der Verein nach dem Schlachtruf seiner Fans auch genannt wird, war schon immer ein etwas anderer Fußballklub: 1906 als Olympia Oberschöneweide in einem damaligen Industrievorort Berlins gegründet hat der Verein über alle politischen Umbrüche hinweg seine Wurzeln bei einfachen Arbeitern und kleinen Leuten nie verloren und verleugnet. Der Preis dafür war ein Dasein als Underdog – wirtschaftlich, sportlich und manchmal sogar politisch stand Union oft im Schatten der großen Hauptstadtklubs, wie des BFC Dynamo zu DDR-Zeiten oder von Hertha BSC seit der Wiedervereinigung.

Union-Fan zu sein war also nicht immer ganz einfach, wodurch aber auch eine ganz spezielle Verbundenheit der Anhänger zum Verein entstanden ist. Diese bewies sich beim Stadionumbau 2008/09, an dem sich über 2.300 Fans mit Eigenleistungen beteiligten. In über 140.000 freiwilligen Arbeitsstunden unterstützten sie den Neubau der Tribünen und Treppen auf drei Stadionseiten sowie den Einbau der Überdachung der Stehplätze und der Rasenheizung. Mit ihrem im heutigen Profifußball einzigartigen Engagement haben die Fans ihr Stadion damit praktisch selbst gebaut und ihrem Verein einige Millionen Euro eingespart.

Zitierte Industriearchitektur und -geschichte

Offen blieb nach dem ersten Bauabschnitt zunächst die vierte, für die Haupttribüne vorgesehene Seite des reinen Fußballstadions An der Alten Försterei. Sie wurde 2012/13 als klassisches baugewerbliches Projekt verwirklicht und bietet neben den Umkleiden sowie den Kraft- und Regenerationsbereichen für die Mannschaften eine moderne Infrastruktur für den Verein sowie verschiedene VIP-Bereiche, Logen und Veranstaltungsräume.

Auf diese Elemente des modernen Fußballmarketings kann auch ein Verein - wie der 1. FC Union - aus wirtschaftlichen Gründen nicht verzichten. Den anderswo schon beobachteten kulturellen Konflikten zwischen den VIPs und den einfachen Fans auf den Stehplätzen ist der Verein jedoch bewusst aus dem Weg gegangen. Statt „Schickimicki“ und glattem Perfektionismus wurde für die Haupttribüne eine bodenständige und funktionale Architektur mit vielen Anklängen an den industriellen Hintergrund des Vereins und seiner Anhänger gewählt. Schon von außen erinnert die Fassade mit Klinkern und Stahlfenstern an die traditionellen Fabriken der Stadtteile Oberschöneweide und Köpenick. Im Innern setzt sich dieser Gedanke mit rustikalem Sichtbeton und offenen Stahlkonstruktionen bis in die Namensgebung der Räume fort: Für Veranstaltungen kann man hier etwa die „Schlosserei“ oder die „Eisern Lounge“ mieten.

Mehrfach funktionales Deckensystem

Die von Materialien wie Beton, Glas und „Eisen“ (sprich: Stahl) geprägten Wände bilden sehr schallharte Oberflächen, die beim Aufenthalt vieler Personen eine unangenehme, von zu großem Nachhall geprägte Akustik hervorrufen. Die Räume erhielten deshalb abgehängte Akustikdecken, die durch ihre Schallabsorption die Hörsamkeit, also eine gute, verzerrungsfreie akustische Qualität, sicherstellen.

Passend zur architektonischen Gesamtidee wurde das Deckensystem OWAcoustic S 3 verwendet, weil es sich durch einen sehr wirtschaftlichen und funktionalen Aufbau mit sichtbaren Tragprofilen und herausnehmbaren Platten auszeichnet, der perfekt zum angestrebten technischen Charakter des Gebäudes passt.

Ein zusätzlicher Vorteil waren die Variationsmöglichkeiten der Konstruktion: Neben dem Standardsystem S 3 für Büros, Flure oder die Foyer- und Veranstaltungsbereiche konnten mit S 3 bws und S 3 kb auch spezielle Funktionen verwirklicht werden. So steht „bws“ für eine ballwurfsichere Ausführung in den Gymnastik- und Reha-Räumen, deren Decken gegen den harten Aufprall von Bällen geschützt sind. Die besonders korrosionsbeständige Ausführung „kb“ zeichnet sich durch eine verstärkte Verzinkung aller Metallteile aus und wurde in Dusch-, Wasch- und Saunaräumen eingesetzt.

Akustikplatten regulieren Nachhall

Das Spiel mit der immer wieder ähnlichen Optik, die aber in ihrer Funktion genau auf den jeweiligen Raum abgestimmt ist, konnte auch bei den Akustikplatten fortgesetzt werden. In allen Bereichen mit akustischen Anforderungen wurden vlieskaschierte Mineralwolleplatten OWAcoustic premium Sinfonia B verwendet. Die vom Hersteller OWA als Service angebotene Berechnung der Nachhallzeit hatte ergeben, dass sie mit ihrer Schallabsorption αW = 85 % für eine gute Hörsamkeit und eine ausreichend gedämpfte Geräuschkulisse sorgen.

In den Dusch- und Waschräumen stand weniger die Akustik als vielmehr die große zu erwartende Feuchtigkeit im Mittelpunkt, weshalb hier das Dessin AquaCosmos zum Einsatz kam, eine Mineralwolleplatte mit einer Feuchtigkeitsbeständigkeit bis 100 % relativer Luftfeuchte. In Nebenräumen ohne besondere Anforderungen konnte die einheitliche Gestaltung mit dem Dessin Schlicht, das allein optische Funktionen erfüllt, sehr wirtschaftlich ausgebildet werden.

Harmonie ohne angeschnittene Quadrate

Bei aller Vielfalt der Funktionen des Deckensystems bilden die helle Farbe und die durchgängige quadratische Form der Akustikplatten die gemeinsame gestalterische Klammer. Die Quadratgrößen von 625 x 625 mm ließen sich gut in die sehr unterschiedliche Raumgeometrie der Flure, Büros oder Säle integrieren.

Zumal die Deckenmonteure der Firma K. Rogge Spezialbau GmbH aus Berlin eine spezielle gestalterische Variante verwirklicht haben: Alle sichtbaren Deckeneinbauten, die es als offen liegende Lüftungskanäle und als Einbauleuchten an vielen Stellen gibt, wurden mit passgenauen Friesen aus Gipskarton eingefasst. Erst daran schließen sich die Akustikdecken an, bei denen auf diese Weise immer gleiche Plattenmaße in stets quadratischer Form zu sehen sind. Das Fehlen unregelmäßiger, vom Quadrat abweichender Plattenzuschnitte beruhigt die Deckenansicht und gibt ihr eine eigenständige Harmonie.

Trotzdem konnte genau das verwirklicht werden, was sich der Verein für seine neue Haupttribüne gewünscht hatte: Ein wirtschaftlicher Ausbau mit einem bodenständigen, auch im VIP-Bereich nicht abgehobenen Ambiente, wie es zu diesem kulturell etwas anderen Fußballverein passt – der aber längerfristig mit seinem jetzt komplett fertigen Stadion durchaus zu sportlichen Höhenflügen ansetzen will.

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