Architekturobjekte
Heinze ArchitekturAWARD 2021: Teilnehmer
Haus mit Knick - L19 - sozialtherapeutische Werkstätten der LebensWerkGemeinschaft gGmbH
14165 Berlin, Ladiusstraße 19
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Kara + Brodrück - Architekten
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Kara + Brodrück - Architekten
Basisdaten zum Objekt
Lage des Objektes
Ladiusstraße 19, 14165 Berlin, Deutschland
Objektkategorie
Objektart
Art der Baumaßnahme
Erweiterung
Fertigstellungstermin
10.2020
Zeichnungen und Unterlagen
Projektbeteiligte Firmen und Personen
Verwendete Produkte
Gebäudedaten
Tragwerkskonstruktion
Holz
Anzahl der Vollgeschosse
2-geschossig
Raummaße und Flächen
Bruttorauminhalt
5.778 m³
Bruttogrundfläche
1.700 m²
Nutzfläche
1.474 m²
Verkehrsfläche
247 m²
Grundstücksgröße
1.458 m²
Kosten
Veranschlagte Rohbaukosten des Bauwerks
1.980.000 Euro
Gesamtkosten der Maßnahme (ohne Grundstück)
3.530.000 Euro
Lage und Umgebung
Beschreibung
Objektbeschreibung
Das Grundstück liegt in einer etwas vergessenen Rand-Lage des ehemaligen West-Berlin. Dieser nicht ganz so elegante Teil Zehlendorfs ist sehr heterogen aber in lockerer Form bebaut mit Siedlungs-, Ein- und Mehrfamilienhäusern aus verschiedenen Epochen.
Am Grünzug entlang der Andrézeile und an einer Strasseneinmündung gelegen, bot ein aufgegebenes Supermarktgebäude die Chance einen kaum definierten Eingang zu einem versteckt liegenden ‘Dorfplatz' städtebaulich zu formulieren.
Für Menschen mit geistigen und seelischen Einschränkungen entstanden Werkstätten in den Bereichen Keramik, Textilwerkstatt und Hausmeisterei. Ein Ladenlokal für eine Kooperation zwischen der hausinternen Hauswirtschaftsabteilung und einem ortsansässigen Konditor ist ebenso Bestandteil, wie ein Saal, der als Aula dient, wie auch mit angegliederter Küche als Speiseraum. Das Gebäude bietet Arbeitsplätze für 70 Klienten und ca. 15 Betreuer und hat eine Nettonutzfläche von 1.475 qm.
Entgegen einer vorliegenden Planung, die den Komplett-Abriss und einen 5-geschossigen Neubau vorsah, wurden aus mehreren Gründen - und nicht zuletzt aus denen der Nachhaltigkeit - Erhalt und Fortnutzung empfohlen, d.h. die Nutzung der mit dem eingeschossigen und teilunterkellerten Gebäude schon vorhandenen 'Grauen Energie':
1. durch Abriss wäre der Bestandsschutz entfallen; dieser sicherte mit dem bestehenden Gebäude ein sehr großes Baufenster auf beengtem Grundstück und erlaubte damit die erforderlichen, sehr flächig zu organisierenden Grundrisse und bessere Funktionszusammenhänge für die gefragten, großflächigen Räume.
2. die Stapelung solch großer Räume über 3 und mehr Etagen hätte einen ungleich höheren Aufwand zur Folge; beginnend bei der Baumaßnahme, über die Gebäudetechnik bis hin zu den Betriebskosten.
3. es ist weitaus ressourcenschonender einen vorhandenen ‘Bauwert‘ weiter zu nutzen, anstatt zu vernichten; die Baumaßnahme wird damit insgesamt reduziert, ebenso der Aufwand und die Umweltbelastungen durch Verringerung von Entsorgung, Transport, Aushub und neuem ‘Baustoff-Bedarf‘ ('Graue Energie').
Aus dem Bestandsbau, seiner Position und dem hier geknickten Straßenverlauf wird die Gebäudeidee entwickelt.
Der ‘Knick‘ strukturiert den gesamten Baukörper im Äußeren und Inneren und übernimmt hierbei verschiedene Aufgaben. Er gestaltet den Eingang mit überdachter Loggia, er schafft Raum und Fläche durch westseitige Auskragung unter der ein überdachter Arbeitsbereich im Freien entsteht; er gestaltet die Dachlandschaft und gibt Anlass für eine glasgedeckte Fuge durch die Tageslicht in die Mitte der sehr tiefen Grundrisse gelangt. Südseitig bleibt eine der durch den Knick gebildeten Hälften des Obergeschosses 6,0m von der Südkante zurück und lässt Platz für eine großzügige Dachterrasse unter weit ausladenden Kronen der Bestandsbäume.
Es wurde ein Gebäude entwickelt, welches jedem der 4 vorgelagerten, und sehr verschiedenartigen Außenräume eine adäquate und 4 mal unterschiedliche Ansicht bietet. Dennoch hat das Haus mit seinem allseits erkennbaren Thema und mit der gestalteten Holzfassade, die in ihrer Webstruktur Hinweis auf die Gebäudefunktion gibt, eine umlaufend eindeutige und wiedererkennbare Gestalt.
An den Haupteingang schließt sich in der inneren Längsachse eine Halle mit einer breiten Haupttreppe an, die alle weiteren Nutzungsbereiche des EG und OG funktional erschließt. Mit ihrer Ausrichtung, ihrer von oben belichteten Zweigeschossigkeit und mit mehreren großflächigen Glaswänden bindet die Halle diese Werkbereiche auch räumlich und optisch an.
Mit dem Gebäude wurde ein umfassendes Nachhaltigkeitskonzept umgesetzt, beginnend mit dem Verzicht auf ressourcenverschwendenden Abriss.
Die Aufstockung des Obergeschosses über dem eingeschossigen und nur teilunterkellerten Bestandsgebäude wurde als Holzkonstruktion geplant, sowohl um mit einem nachwachsenden Baustoff zu arbeiten, als auch um so wenig Auflast wie möglich auf den Bestandsbau und seine Gründung zu bringen. Die Aussteifung des Gebäudes erfolgt über tragende Mauerwerkswände, die vom OG bis KG bzw. auf die Bodenplatte durchgehen. Die Außenwände im OG wurden als aussteifende und lastabtragende Holzständerwerks-Wände ausgebildet. Große Spannweiten werden durch massive Holzunterzüge, teilweise übereinander in zwei Ebenen und auf wenigen Auflagerpunkten, ermöglicht. Die horizontale Aussteifung übernehmen Keller- und neue Erdgeschossdecke aus Stahlbeton, die des OG die Dachdecke aus OSB/3-Platten. Konstruktive Holzbauteile der Aufstockung sind tw. überdimensioniert und auf Tauglichkeit bei Abbrand berechnet.
Regenerative Energiequellen wie Photovoltaik, Wärmepumpe und Wärmerückgewinnung decken den Großteil des Energiebedarfs. Das Dach ist großteils begrünt. Wände und Dach wurden mit Zelluloseflocken gedämmt. Ehemals versiegelte Grundstücksflächen wurden entsiegelt und wo erforderlich durch versickerungsfähige Beläge je nach Nutzung ersetzt.
Holz als nachwachsendes Baumaterial wird sichtbar von der Konstruktion bis zu weiten Bereichen des Ausbaus und für die Fassade eingesetzt und schafft für die Nutzer einen behaglichen Ort.
Beschreibung der Besonderheiten
Für die großflächigen Räumen, wie sie wegen der Gruppengrößen, aus Betreuungsgründen und wegen teils großformatiger Maschinen und Geräte (Webstühle, Keramik-Drehscheiben und -öfen) notwendig waren, wurde entgegen den stadtplanerischen Vorstellungen der Erhalt des bestehenden Verkaufsgebäudes und eine eingeschossige Aufstockung vorgeschlagen. Eine mehrgeschossige Stapelung kleinerer Ebenen über engerem Baufenster hätte sowohl zu funktionalen Defiziten, zu höheren Umweltbelastungen, wie auch zu einem wesentlich höheren Bau- und Betriebsaufwand geführt. Auch sollte die Betreuung im Haus generell zwischen verschiedenen Werkstattbereichen wechselseitig möglich sein;
Weiterhin war die Küche einerseits sowohl mit dem als Bistro-Café gedachten straßenseitigen öffentlichen Ladenlokal, als auch mit dem hausintern genutzten Speisesaal jeweils so zu verbinden, daß diese wenig gegenseitige Störung erfahren sollten; zudem waren die Umkleiden für diesen Trakt als Schwarz-Weiß Räume mit Zugang von der Halle einerseits und, getrennt davon, zur Küche andererseits anzuordnen.
Die in den tiefen Grundrissen mittige, jedoch tagesbelichtete Erschließung ermöglicht kurze Wege und durch die räumliche Zweigeschossigkeit auch eine vertikale gegenseitige Sichtbarkeit, Aufmerksamkeit und Kommunikation; Um die zentrale Halle herum sind die Werkstattbereiche nochmals untereinander verbunden, im OG durch einen kompletten Umlauf, der gleichzeitig als 2.RW fungiert. Für nahezu jeden Weg und jede Verbindung innerhalb des Gebäudes gibt es - nicht zuletzt aus Achtsamkeitsgründen bei eventuellen Havarien - einen Alternativweg. Glaswände erhöhen gegenseitige Sichtbarkeit. Endpunkt der Halle im EG ist der großzügige Eingang zum Speisesaal. Dieser wird auch als Aula genutzt. Darüber im OG tritt man hier hinaus auf die gemeinschaftliche Dachterrasse.
Jedem Werkstattbereich ist ein eigener Außenbereich zugeordnet.
Belichtung und Belüftung der Werkstätten werden durch eine Übererfüllung öffenbarer Tageslichtöffnungen und durch das mit Baukörper und Dachgestalt gegebene Anwachsen der Raumhöhen sichergestellt.
Das Gebäude ist in mehreren Aspekten – durch Licht und durch akustische, optische wie taktile Maßnahmen - barrierefrei gestaltet und geht auch auf andere, besondere Belange der Nutzer ein. So sind zum Beispiel die Treppen, die durch die beibehaltene und notwendig hohe Geschosshöhe für viele Nutzer einen beängstigend weiten Weg nach unten darstellen, so gestaltet, daß die unteren Stufen und Zwischen-Podeste diesen Weg optisch verkürzen, indem sie mit geschlossenen Brüstungen und als massive, sichere Trittstellen den Absteigenden 'früher entgegenkommen'.
2. Nachhaltigkeitsaspekte
2a. Generell
Nutzung des bestehenden Altbaubestandes ('Graue Energie', statt: Abriss, Komplett-Entsorgung, erweiterter Aushub und umfangreicherer Neubau)
Reduktion Hüllfläche zu Nutzfläche
Reaktion der Gebäudekubatur auf Baumbestand - keine Fällungen
Gründach (extensiv) zur Vorklärung/Rückhaltung von Niederschlagswasser
Verringerung der zuvor bestehenden Grundstücksversiegelung (Entsiegelung und versickerungsfähige neue Wege- und Pflasterdecken )
Begleitung des BVH’s durch Naturschutz-Fachgutachter, periodische Umsiedlung von standorttreuer Fauna, Nistkästen zur Neuansiedlung
2b. Baukonstruktion + Ausbau
Holz als wesentliches Konstruktions-Material, nachwachsend
Holz/Zellulose-Dämmstoffe (weitgehend, ansonsten mineralisch wg. Brandschutz)
Holz als vornehml. Baustoff des Ausbaus für Fenster, Türen, Treppenbeläge, Fussleisten, Möbel
Linoleum-Bodenbeläge, Naturbaustoff
Weitgehender Verzicht auf Bauteile, Baustoffe aus Leichtmetall/Aluminium, Kunststoffen, auf Acryl- und Kunstharzprodukte
Ausschließlich regionale Firmen mit Verpflichtung auf regional produzierte/bezogene Baustoffe (wo möglich !), Verringerung der Anfahrts- und Transportwege
Alle Aufenthaltsräume natürlich be-/entlüftet (Übererfüllung Öffnungsflügel)
Alle Aufenthaltsräume natürlich belichtet (Übererfüllung Tageslichteinfall),
2c. Gebäudetechnik
Soviel wie nötig, so wenig wie möglich;
Photovoltaikanlage für hauseigenen Verbrauch und zur Einspeisung in Stromnetz;
Rigole zur Rückhaltung von Niederschlagswasser;
Weitgehender Verzicht auf mechan. Lüftung (nur Keramik-Brennraum + innenliegende Sanitärräume)
Gebäude-Heizung als Kombinationssystem aus:
Luft-Luft/Wasser Wärmepumpe/Wärmetauscher
Wärmerückgewinnungsanlage aus Lüftung und Verbrauchswasser
Verteilung über NT-Fussbodenheizung
Warmwasser vielfach über verbrauchsgesteuerte WW-Durchlauferhitzer, selten über regulierte WW-Boiler, Energie hierfür über hauseigene PV-Anlage;
Wasserspar-Armaturen und ebensolche WC-Spülkästen;
Reduzierte Gebäudeautomation (nur Türen an neuralgischen Durchgängen, Sonnenschutz, Brandalarmanlage, Entrauchungssteuerung)
Schlagworte
Energetische Kennwerte
Energiestandard
Energetische Kennwerte
Primärenergie
Umweltthermie (Luft / Wasser)
Sekundärenergie
Gas
Strom
Solarthermie
Energetische Kennwerte
Primärenergiebedarf ("Gesamtenergieeffizienz")
70,60 kWh/(m²a)
Stromverbrauchswert
52,50 kWh/(m²a)
Energiebedarf (Prozentuale Verteilung)
Heizung
43 %
Warmwasser
31 %
Beleuchtung
14 %
Lüftung
12 %
Objektdetails
Gebäudespezifische Merkmale
Anzahl Arbeitsplätze
85
Anzahl Stellplätze
4
Objekte in der Umgebung
Ähnliche Objekte
- Beleuchtungslösungen für die JVA Heidering
- Eine-Welt-Zentrum "Berlin Global Village"
- FoldFlatShelter
- Hortneubau Freie Waldorfschule am Prenzlauer Berg
- Fraueninsel - "ein Meer zwischen mir und meiner Vergangenheit"
- Vereinsheim - Instandsetzung, Sanierung und Umgestaltung zum ''Offenen Haus der Begegnungen'' mit Einrichtung einer touristischen Rast- und Kulturstätte
- ZEIT:WÄNDE Sorgen um das Zurückgelassene - Ein Hafen im Alltag