Architekturobjekte
Nominiert für die Shortlist der Jury 2021 - Nachwuchsarbeiten
Hochgebirgsstauseen Kaprun - ein Ort für Naturwahrnehmung
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Technische Universität Braunschweig, Fakultät 3 - Architektur, Bauingenieurwesen & Umweltwissenschaften, Philipp Knaus
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Technische Universität Braunschweig, Fakultät 3 - Architektur, Bauingenieurwesen & Umweltwissenschaften, Philipp Knaus
Basisdaten zum Objekt
Lage des Objektes
Österreich
Objektkategorie
Objektart
Art der Baumaßnahme
Entwurfskonzept
Fertigstellungstermin
09.2020
Zeichnungen und Unterlagen
Gebäudedaten
Tragwerkskonstruktion
Holz
Anzahl der Vollgeschosse
3- bis 5-geschossig
Beschreibung
Objektbeschreibung
Nachhaltigkeit ist zu unserer Zeit ein omnipräsentes Thema, denn der Klimawandel wird durch länger werdende Sommer und schneearmer Winter immer deutlicher. Um die globale Erwärmung in den Griff zu bekommen, braucht es das gesamte Kollektiv; die Wahrnehmung unserer natürlichen Umgebung hingegen, muss jeder als Individuum für sich selbst erfahren und entwickeln. Der Entwurf verortet sich auf ca 2200 Metern über Normalnull, an einem der beliebtesten Orte im Kapruner Tal. Neben den beiden Staumauern des Mooserboden Sees entstehen drei unterschiedlich dimensionierte Baukörper, deren Nutzungen auf den steigenden Tourismus, mögliche Antworten bieten sollen. Hierbei spielt neben dem Aspekt der Nachhaltigkeit, auch die Idee der humanen Formensprache und der manipulativen Räume eine tragende Rolle. Betrachtet man die Beschaffenheit dieses Ortes genauer, so wird die Willkür und die spielerische Leichtigkeit der Natur enorm deutlich, welche im primär urbanen Raum nahezu unauffällig bleibt. Menschliche Nuancen an Geröllhängen und Felswänden, welche über viele Jahrhunderte von Schnee, Eis, Wind und Regen geformt wurden, werden durch gerade Linien und bauliche Hinterlassenschaften aus der Zeit der Stausee Errichtung sichtbar. Diese scheinen wie Übergriffe in eine nahezu unberührten Natur zu sein. Betrachtet man die geometrische Form auf philosophischer Ebene so wird klar, dass die unnatürlichste Form der rechte Winkel ist. Dieser Zusammenhang von Natur und Form oder auch aus natürlicher Willkür und menschlicher Planung, wird in in den „Kapruner-Höhen“ dadurch enorm deutlich.
Wie von Gletschern transportierte Findlinge bilden die drei Baukörper somit den offensichtlich, menschlichen Charakter an diesem so surrealen Ort und stehen am Anfang, zwischen und am Ende der beiden Staumauern, welche den Touristen somit auf einen klar vordefinierten Weg führen. Um das individuelle Denken der besuchenden Personen anzuregen, bedarf es einer architektonischen Grundhaltung und Bauart, welche entgegen der äußerlich wirkenden Erscheinung einen dramatischen innenräumlichen Gegensatz schafft. Äußere Massivität wird der inneren Leichtigkeit gegenüber gestellt. Starke Winkel werden zu fließenden Rundungen. Räumliche Ausblicke werden zu einer Reise durch die Zeit. Entgegen der baulichen Konstruktionsart unterscheiden sich die Baukörper lediglich in ihrer räumlichen und zeitlichen Wirkung. Grundsätzlich stehen alle drei Würfel auf einem aus Beton hergestellten Sockel. Diese werden aus den recycelten Relikten aus der Zeit der Staumauer-Errichtung erstellt, welche in weiten Teilen um den Stausee verstreut liegen. Auf dieses massive Fundament werden hölzerne Grundgerüste gestellt, welche durch eine Zangenausbildung statisch ausgesteift werden. Auch die bereits vorhandenen Baugruben werden effektiv genutzt, ohne in das empfindliche Berggefüge eingreifen zu müssen. Diese Kuben sind so erbaut und konstruiert, dass die Möglichkeit besteht, die Bauten auch in der Zukunft neu zu denken und den stetig steigenden Anforderungen anzupassen, welche besonders in der Forschung nötig sind. Über die Holzkonstruktionen wird ein vorgehängtes Kleid von Kalk- und Schieferplatten geworfen, welches einen massiven und der felsigen Umgebung angepassten Charakter vermitteln.
Beschreibung der Besonderheiten
Nach dem Aufstieg zu den Stauseen ist die erste Anlaufstelle die Unterkunft für Wanderer, welche im Sockel ein Restaurant mit Ankunft und Information ausbildet. Der großzügige Speiseraum soll zum gemeinschaftlichen Austausch von erfahrenen Hochgebirgswanderern und unkundigen Tagestouristen anregen. Dabei wird der Blick ganz bewusst durch die große Glasfront über den Mooserboden See in Richtung permanenter Gletscherlandschaft gerichtet. Ein Blick auf das was man selbst als Tourist bald noch erleben wird, aber auch ein Blick auf das, was unser Klima im ewigen Eis für viele Jahre konserviert hat und in naher Zukunft verschwinden wird. Die Schlafräume im Kubus werden als Gemeinschaftsräume mit 4 bzw. 6 Betten ausgebildet und definieren innerhalb der Struktur den einzigen privaten Rückzugs- und Ruheort im Gegensatz zur offenen, extrovertierten Erschließungszone.
Nachdem man seine Kräfte über Nacht regenerieren konnte, führt der Weg über den ersten Stausee in Richtung Museum für Naturwahrnehmung, welches auf den ersten Blick keinen direkten Eingang offenbart. Über einen schmalen Pfad taucht man nach und nach in seine eigene Welt der Sinneswahrnehmung ab, welche mittig unter dem Würfel an einem Fahrstuhl beginnt. Mit diesem wird man bis auf die obere Ebene gebracht, auf eine Fläche die als allgemeinen Ausstellung dient und dem Besucher den Ort maßstäblich darbringen soll. Über die im Zentrum liegende Erschließung, wird man nach unten über vier weitere Ebenen geführt, welche auf unterschiedliche Art und Weise, die vorhergehenden Erlebnisse wie entstehende Geräusche, Lichtverhältnisse, unterschiedliche Gerüche und Temperaturen des Aufstiegs thematisieren sollen. Dabei wird ein menschliches Phänomen aufgezeigt, welches uns bei überhöhter Eindruckslast, gewisse Details übersehen lässt und die gesammelten Erinnerung aus dem Kontext zieht. Dieser phänomenologische Ansatz dient zur Gedankenanregung und lässt das Individuum gewisse Thematiken mit einzelnen Sinnen erneut wahrnehmen und verinnerlichen. Im Sockel angekommen, endet die Reise mit einem Rückblick ins Kapruner Tal; über den unteren Stausee, vorbei an dem Weg, welchen man so mühevoll begangen hat. Ein finaler Rückblick der zum Denken und Verweilen einladen soll.
Als letzte menschlich geschaffene Station vor dem finalen Gipfelaufstieg, dient die Forschungsstation für Gletscherkunde und Permafrost als festigendes Element und führt den Besucher an einen Ort der Andacht. Nach dem Queren des zweiten Stausees leitet ein, in eine Felsspalte gelagerter, imposanter Eingang, tief in den Berg hinein, welcher über einen unterirdischen Gletscherbach seine reißende Wucht tief in den Berg schallen lässt. Je tiefer man vordringt, desto kälter und ruhiger wird es, bis letztendlich nur noch die eigenen Schritte zu hören sind. Dieser Weg endet in drei sakral anmutenden Räumen. Diese Räume beherbergen, was durch unser menschliches Eingreifen und den Klimawandel ein Ende gefunden hat. Der erste Raum beinhaltet Bohrkerne von ehemalig in Österreich existierender Gletschern, welche zylinderförmig angeordnet sind. Der zweite Raum gibt einen Einblick in die Forschungsergebnisse weltweiter Studien, welche in abzweigenden Lagern und Serverräumen gesammelt und verarbeitet werden. Der letzte Raum zeigt im Zeitraffer aufgenommene Bilder, sich zurückziehender Gletscher, welche in unserer Zeit nicht mehr existieren. Der „globale Klimatresor“ wurde hierbei ganz bewusst künstlich in den Berg geschlagen, da an diesem Ort die Ergebnisse und Hinterlassenschaften auf viele Jahrhunderte gesammelt und auch gesehen werden sollen. Der den Berg zusammenhaltende Permafrost, garantiert zudem eine natürliche, verlustarme Kühlung der Bohrkerne ohne zusätzliche Energie von Außen hinzuführen zu müssen. Forschende Personen können über einen Fahrstuhl bis in den oberhalb am Hang liegenden Kubus, fahren. Hier befinden sich auf der Sockelebene ein Konferenzbereich zur Präsentation der gesammelten Erkenntnisse, sowie Labor und Wohneinheiten zur Arbeit und zum Leben für einen langfristigen, gar abgeschotteten Aufenthalt.
Hier nun Endet die architektonische Reise durch Phänomene, Interventionen und Andachten und lässt den Besucher bei seinem weiteren Weg auf die Gipfel dieser Welt hoffentlich erkennen, dass es nicht das Ziel ist von Oben auf die Welt herabzuschauen, sondern das die Natur nur im Einklang mit dem Menschen, als Teil dieser richtig und gesund funktionieren kann.
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