Architekturobjekte
Holz Ziegel Lehm – Pilotprojekt Nachhaltiger Geschosswohnungsbau Berlin
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: ZRS Architekten Ingenieure
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: ZRS Architekten Ingenieure
Basisdaten zum Objekt
Lage des Objektes
12359 Berlin, Deutschland
Objektkategorie
Objektart
Art der Baumaßnahme
Neubau
Fertigstellungstermin
10.2025
Zeichnungen und Unterlagen
Projektbeteiligte Firmen und Personen
Verwendete Produkte
Gebäudedaten
Bauweise
Holzbau
Tragwerkskonstruktion
Holz
Anzahl der Vollgeschosse
3- bis 5-geschossig
Raummaße und Flächen
Bruttorauminhalt
12.313 m³
Bruttogrundfläche
3.622 m²
Nutzfläche
2.374 m²
Verkehrsfläche
303 m²
Wohnfläche
2.391 m²
Grundstücksgröße
2.671 m²
Beschreibung
Objektbeschreibung
Die beiden freistehenden Neubauten mit Satteldach entstehen auf einem Grundstück in Alt-Britz. Sie verfügen jeweils über fünf Etagen ohne Keller. 36 förderfähige Mietwohnungen sind geplant, die Hälfte davon barrierefrei. Die Baukörper sind in Grundriss und Volumen identisch, werden jedoch mit unterschiedlichen Materialien und Ansätzen geplant. Ein Gebäude entsteht als reiner Holzbau in Skelettbauweise, das zweite als monolithischer Ziegelbau. In beiden Gebäuden kommt Lehmputz zum Einsatz. Im Rahmen des Projektes wird die ökologische Bilanz der beiden Bauweisen miteinander verglichen. Die Gebäude werden möglichst robust, einfach, solide und langlebig konzipiert. Durch den Einsatz von diffusionsoffenen Baustoffen kann auf Lüftungs- und Klimatechnik verzichtet werden. Die Planung, der Bauprozess und die Nutzung der Häuser werden wissenschaftlich begleitet und ausgewertet.
Beschreibung der Besonderheiten
Städtebau und Gebäudekonzept
Das für das Realprojekt zur Verfügung stehende Baugrundstück in Berlin-Britz ist sehr beengt und weist einige Zwangspunkte auf. Dennoch wurde entschieden, das Pilotprojekt diesen im innerstädtischen Bereich üblichen Zwängen zu unterwerfen und nicht „auf der grünen Wiese“ zu planen. Die beiden freistehenden Neubauten befinden sich in einem städtebaulich sehr heterogenen Kontext. Sie schreiben die städtebauliche Großform des westlichen Nachbarn fort und vermitteln gleichzeitig zum heterogenen, locker gesetzten Kontext nach Osten. Die beiden in Grundriss und Volumen quasi identischen Gebäude werden an einer gedachten Achse zwischen beiden Gebäuden gespiegelt und zueinander versetzt. Sie sind in ihrer Grundform im Grundriss rechteckig und jeweils an zwei sich gegenüberliegenden Ecken leicht abgeschrägt. Diese Knicke im Grundriss modellieren die Baukörper und schaffen Bezüge zur städtebaulichen Körnung der Umgebung. Die Bauten verfügen über fünf Etagen und ein Satteldach mit einer Dacheindeckung aus Photovoltaik-Modulen. Aufgrund der hohen Kosten und der schlechten Ökobilanz wird kein Kellergeschoss errichtet, Kellerersatzräume sind in einem Nebengebäude vorgesehen. 36 förderfähige Mietwohnungen sind geplant, die Hälfte davon barrierefrei. Alle Wohnungen verfügen über ein Bad mit Tageslicht und Wohnküchen, so dass für alle Räume eine natürliche Belüftung sichergestellt ist. Ein Gebäude entsteht als reiner Holzbau mit Massivholzdecken, das zweite Haus ist ein monolithischer Ziegelbau mit Ziegeleinhangdecken.
Typologische Untersuchungen
Zunächst wurde die Frage untersucht, inwiefern es Typologien und typologische Ansätze im Geschosswohnungsbau gibt, die aufgrund ihrer räumlichen und architektonischen Eigenschaften dazu beitragen, technikreduzierte und ressourcenschonende Geschosswohnungsbauten herzustellen und zu betreiben und die eine nachhaltige Nutzung der Gebäude im Sinne der Dauerhaftigkeit über alle Lebensphasen versprechen. Die typologischen Möglichkeiten werden als architektonische, räumliche und konstruktive Strategien im Sinne eines Lowtech-Konzepts für mehrgeschossige Wohngebäude identifiziert und abstrahiert. Das Ziel ist, die natürlichen Wirkmechanismen und Strategien anhand eines Leitfadens für das typologische Entwerfen von technikreduzierten und robusten Wohnungsbauten zu bündeln und übertragbar zu machen. Dazu wurden in einem ersten Schritt relevante gebaute Beispiele aus vier historischen typologischen Gründungsmomenten Berlins von der Gründerzeit bis in die Gegenwart unter den Aspekten der Forschungsfrage analysiert und in einem Vergleich kritisch diskutiert. Darauf aufbauend wurde im zweiten Schritt der Leitfaden entwickelt. Im interdisziplinären Verfahren wurden die Strategien zusammen mit dem Planungsteam im Entwurfsprozess des Reallabors angewendet. Dabei wurden auch immer wieder idealtypische Lösungen auf den Bedarfsfall angepasst. Im Fokus der Untersuchungen stehen dabei die Wohnungsgrundrisse und deren typologische Eigenschaften. Demnach stellen die Grundrisskonzepte einen der zentralen Bestandteile des Leitfadens dar. Dabei wiederum sind die Flexibilitätskonzepte von übergeordneter Bedeutung für die Adaptionsfähigkeit und Resilienz der Gebäudestruktur. Gerade die konstruktiven Möglichkeiten und Eigenschaften des Holzbaus bieten vielversprechende Ansatzpunkte, weswegen hier schwerpunktmäßig dieser Aspekt beleuchtet werden soll.
Flexibilitätskonzepte
Robuste Systeme sind gegenüber unsteten und sich verändernder Randbedingungen stabil, widerstandsbzw. anpassungsfähig. Für robuste, d. h. zukunftsfähige und langlebige Typologien im Geschosswohnungsbau bedeutet dies, dass die Grundrissstrukturen gewissermaßen flexibel angelegt sind. Für die Beschreibung der Flexibilität wird auf die von Dr. Sigrid Loch in ihrer Dissertation „Das adaptive Habitat“ entwickelte Systematik zurückgegriffen. Im Reallabor ist vor allem die Kategorie der „Konstruktiven Flexibilität“ relevant. Unter diesem Aspekt sind speziell die konstruktiven Eigenschaften des Holzbaus von Interesse. Insbesondere die prinzipielle und systemimmanente Trennung von Tragstruktur und Ausbau der Holzständerbauweise erlaubt einen höheren Freiheitsgrad beim Zuschnitt der Wohnungen. Das heißt, sie eignen sich besonders zur Gestaltung von Angebotsflexibilität und für langfristige Anpassungsrythmen. Konkret wird im Realprojekt das Zimmer in der Erschließungsachse am Aufzug, als sogenannter Schaltraum, entweder der angrenzenden Zwei oder der Dreizimmer- Wohnung zugeschlagen. Somit kann sowohl im Planungs- als auch im Bauprozess eine Angebotsflexibilität gewährleistet werden. Auch kann im Nachhinein, mit geringem konstruktivem Aufwand, die Zuordnung des Raums geändert werden. Darüber hinaus zählt auch die Kombination von zwei Wohneinheiten auf einer Gebäudehüfte zu einer großen Wohnung zu der Kategorie „Konstruktive Flexibilität“. Dies wird beispielsweise im Erdgeschoss ausgeführt, um das Wohnungsangebot zu ergänzen.
Jahreszeitliche Betrachtung
Das Forschungsvorhaben zielt darauf ab, die Synergien zwischen Gestaltung, Bauphysik und technischer Gebäudeausrüstung zu nutzen, um ein gesundes und nachhaltiges Wohnen zu ermöglichen. Das wird durch die typologische Entwicklung der Wohneinheiten verstärkt, so dass eine ausgewogene Balance zwischen Ressourceneffizienz und wohnpsychologischen Vorteilen geschaffen wird. Neben den planerischen Leistungen bedarf es der Integration der Bewohner*innen der Häuser. Ist ihnen nicht bewusst, wie die Lüftung das Raumklima beeinflusst, kann dies in den Sommermonaten zu langfristiger Überhitzung führen sowie in den Wintermonaten zu trockene Luft hervorrufen. Durch zweimaliges Stoßlüften am Tag kann der Anteil der Zustände zu trockener Luft um 15% im Vergleich zu mechanischer Lüftung gesenkt werden. Das ist besonders während der Heizperiode wichtig, um die Gesundheit in den Wohnräumen zu verbessern. Die Variante einer mechanischen Lüftung unter Berücksichtigung der Eingriffe durch die Nutzer*innen zeigt, dass es hier Defizite geben kann. Wenn neben der mechanischen Lüftung zusätzlich die Fenster zu 20% des Jahres gekippt geöffnet sind, steigt der Heizwärmebedarf um das Zweieinhalbfache an und die Zustände zu trockener Luft verdoppeln sich. Mit ausreichendem Verständnis für das Lüftungsverhalten der Bewohnenden kann jedoch ein komfortables Raumklima in den Wintermonaten erzielt werden. Der Heizwärmebedarf liegt dann voraussichtlich zwischen den idealisierten Varianten und der Variante mit ungünstigem Eingriff durch die Nutzer*innen. Durch eine sorgfältige Gestaltung und Auswahl der Fensterkennwerte kann zudem ein ausgewogenes Verhältnis zwischen sommerlichem Wärmeschutz und Tageslichtversorgung erreicht werden. Realisiert wird ein Fensterflächenanteil von über 20%, um die Räume mit einem Tageslichtquotienten von über 2% zur Verfügung zu stellen. Dies erfolgt unter der Voraussetzung, dass der sommerliche Wärmeschutz nicht beeinträchtigt wird, was unter anderem durch die Platzierung von Lehmbaustoffen auf der Raum zugewandten Seite ermöglicht wird.
Wechselwirkung Baukonstruktion und Bauphysik
Im Rahmen des Forschungsvorhabens erweisen sich natürliche Baustoffe als bedeutend, da sie einen wesentlichen passiven Beitrag leisten und ein bis zu sechsfach erhöhtes Feuchtepuffervermögen vorweisen. Dies ermöglicht eine Verringerung des Einsatzes komplexer Anlagentechniken bei gleichzeitiger Steigerung des Wohnkomforts. Die Gestaltung der Bauelemente spielt eine entscheidende Rolle für das Gesamtergebnis. Verschiedene Konstruktionsweisen wurden im Hinblick auf schichtenoptimiertes und rohstoffreduziertes Bauen analysiert und angepasst, um den vorteilhaften relativen Feuchtebereich zwischen 40 und 60% ganzjährig zu optimieren. Es konnte dargestellt werden, dass bestimmte Varianten, die im Rahmen des Forschungsvorhabens verwendet werden, besonders vorteilhaft gegenüber erhöhten Feuchtebelastungen sind und gegenüber konventionellen Bauweisen auf eine mechanische Abluftanlage im Sanitärbereich verzichtet werden kann. Angesichts der zu erwartenden zukünftigen Klimaveränderungen, die regionalspezifisch mit erhöhten Feuchtebelastungen in den Sommermonaten einhergehen können, kann dies einen verbesserten passiven Beitrag zur Innenraumkonditionierung leisten. Bauteilbewertung Ein entscheidender Faktor in der Umweltwirkung von Bauteilen sind gesetzliche Anforderungen in Bezug auf Wärme-, Schall- und vor allem auf Brandschutz. Das Projekt wurde nach der aktuellen M-HolzBauRL bewertet, wonach sich verschiedene Anforderungen ergeben. Um die in der Richtlinie formulierten Anforderungen an eine brennbare Fassade zu erfüllen, wurden verschiedene kompensatorische Maßnahmen gewählt. In einer späteren Planungsphase hat sich jedoch herausgestellt, dass einer brennbaren Holzfassade trotz der ergriffenen Maßnahmen nicht zugestimmt werden konnte. Insbesondere die Berliner Bauordnung ist bezogen auf den Holzbau sehr streng formuliert. Deswegen wurde für das Bauvorhaben auf eine Aluminiumfassade zurückgegriffen. Abgesehen vom planerischen Ergebnis im Realkontext soll im Forschungsprojekt geprüft werden, ob ein tendenziell schichtenärmerer Wandaufbau möglich sein könnte. Neben verschiedenen Bauteilsimulationen ist hierbei auch die Bewertung hinsichtlich der Ökobilanz ein wichtiges Werkzeug in der Entscheidungsfindung mit der Auftraggeberin.
Gesamtbilanz
Mithilfe der Lebenszyklusanalyse konnten Design-Entscheidungen im Projekt im Hinblick auf die Umweltauswirkungen bewertet werden. Somit konnten Einsparpotenziale identifiziert werden. Bei der Ökobilanzierung werden die erstellten Varianten hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen über den gesamten Lebenszyklus betrachtet. Dieser beinhaltet die Herstellungsphase der Gebäude inklusive Rohstoffabbau, -bearbeitung und Transport (A1–3), den Energieverbrauch innerhalb der Nutzungsphase über den definierten Lebenszeitraum (B6), Instandhaltungsmaßnahmen während der Nutzungsphase (B2) und die Wiederverwendung, -verwertung (D) bzw. Entsorgung und Abfallverwertung am Ende des Lebenszyklus (C3–4). Der hier relevanteste Umweltindikator stellt das Treibhauspotenzial (GWP) in kg CO2-Äqv. dar. Damit die Ergebnisse aus der Ökobilanz eingeordnet und bewertet werden können, werden der Holzbau und der Ziegelbau in identischer Bauform und Abmessung geplant. Zusätzlich wird ein drittes Gebäude (Typenhaus) simuliert, welches die konventionelle Bauweise widerspiegelt. So kann gleichzeitig das Einsparpotenzial der verschiedenen Bauweisen im Vergleich aufgezeigt werden. Die Ergebnisse werden abschließend pro Quadratmeter und pro Kopf dargestellt, um eine Vergleichbarkeit herzustellen. Alle Ergebnisse werden jeweils inklusive und exklusive einer thermischen Verwertung dargestellt. Die Ökobilanzvergleiche hinsichtlich des Treibhauspotenzials führen zu sehr eindeutigen Ergebnissen. Grundsätzlich stellt sowohl der Ziegelbau als auch der Holzbau eine Verbesserung des Treibhauspotenzials im Vergleich zu dem Typenhaus dar. Es wird deutlich, dass das Treibhauspotenzial aufgrund des CO2-Speichers in Holzbauteilen besser wird, je mehr Holzbauteile zum Einsatz kommen. Selbst unter Berücksichtigung einer thermischen Verwertung am Ende des Lebenszyklus können mit dem Holzbau mehr als 200 t CO2 eingespart werden.
Holzbau im Detail
Gemäß der Projektziele wurde ein Holzbausystem konzipiert, das möglichst robust, einfach und reversibel ist. Als Materialien werden bevorzugt CO2-arme, trennbare und leicht rezyklierbare Baustoffe verbaut. Im Rahmen der städtebaulichen Vorstudien wurde frühzeitig klar, dass aufgrund der engen Platzverhältnisse eine Feuerwehrzufahrt und somit ein 2. Rettungsweg über Gerät der Feuerwehr nur mit großen Einschränkungen realisierbar gewesen wäre. Es wurde daher entschieden, ein „Sicherheitstreppenhaus light“ nach der Berliner SiTrR als alleinigen Rettungsweg zu planen. Der hochfeuerhemmende Treppenhauskern inkl. Aufzugschacht in Brettsperrholz steift das Gebäude aus. Die Entscheidung für ein Sicherheitstreppenhaus hatte aber auch höhere Brandschutzanforderungen zur Folge, weshalb die geplante Fassadenbekleidung aus Holz durch Aluminium ersetzt werden musste. Die Lasten werden von einem Holz-Skelett abgetragen, welches in die Außenwandebene integriert ist. So kann eine größtmögliche Flexibilität und Robustheit in der Nutzungsphase gewährleistet und die Brandschutzanforderungen an die (nichttragenden) Außenwände reduziert werden. Auf Installationen in den Außenwänden wird vollständig verzichtet, sodass Schichten eingespart werden können. Die Decken sind als schlanke, holzsichtige BSP-Decken geplant, auf denen ein komplett trockener Fußbodenaufbau mit Fußbodenheizung und Holzdielung verlegt wird. Durch den Einsatz einer ungebundenen Masseschüttung sowie eines Trockenestrichs aus Formplatten kann im Regel-Fußbodenaufbau vollständig auf Verklebungen, Verguss und Zement verzichtet werden. Der gesamte Aufbau ist so mit einfachen Mitteln reversibel. Um dies zu erreichen wurden beim Trittschall Kompromisse eingegangen. Vergleichsmessungen zufolge soll ein Trittschall von L’n,w von ca. 50 dB erreicht werden. Sowohl für die Außenwand als auch für das Dach wurden hinterlüftete Konstruktionen gewählt, da sich diese als dauerhafter und weniger schadensanfällig erwiesen haben. Für die Dachscheiben kommen vorgefertigte, regensichere Elemente mit Naturfaserdämmung zum Einsatz. Dank der Eindeckung mit einem PV-Dachsystem konnte eine sehr flache Dachneigung umgesetzt werden, die die städtebaulichen Vorgaben einhält und sich wirtschaftlich umsetzen lässt. Sämtliche Innenwände innerhalb der Wohnungen sind nichttragend und werden in Lehm-Trockenbauweise errichtet. Ebenso werden die Außenwände raumseitig mit Lehmbauplatten und Lehmputz versehen. Somit sind alle Oberflächen der Wohnräume mit atmungsaktiven und feuchtesteuernden Materialen ausgestattet. Mithilfe dieser Materialwahl in Verbindung mit den diffusionsoffenen Bauteilaufbauten kann vollständig auf Lüftungsund Klimatechnik verzichtet werden. Das Raumklima und das Lüftungsverhalten der Nutzer*innen wird im Rahmen des Monitoring ausgewertet und verglichen. Die Beheizung erfolgt grundsätzlich über eine Luftwärmepumpe in Verbindung mit der PV-Anlage und einer Fußbodenheizung. In zwei Wohnungen je Haus wird jedoch auf die FBH verzichtet, hier erfolgt die Beheizung rein elektrisch mittels Infrarotstrahlplatten. Durch konsequente Einhaltung der Prinzipien des zirkulären Bauens kann der Bau zukünftig als Materiallager für die Wieder- und Weiterverwendung dienen.
Nachhaltigkeit
Der Stadt und Land ging es bei dem Vorhaben darum, auszuloten, welche Lowtech-Strategien auf den öffentlichen Wohnungsbau anzuwenden sind, um einerseits ökologische Ziele zu verfolgen und andererseits wirtschaftlich günstige Wohnungen anbieten zu können. Konkret wurden vier Fragestellungen untersucht:
1. Unter welchen Rahmenbedingungen kann im geförderten Wohnungsbau, also bei einer begrenzten Wohnfläche von unter 30 m2 pro Kopf auf Lüftungstechnik verzichtet werden und welche Rolle spielen dabei sorptionsfähige Materialien wie Holz Ziegel und Lehm?
2. Wie muss der Wohnungsbau typologisch gestaltet sein um als Lowtech-Gebäude wirtschaftlich betrieben werden zu können?
3. Wie robust und einfach können Konstruktionsweisen und Details gestaltet werden, um einfach herstellbar, kreislaufgerecht und ressourcenschonend zu sein? Welche Rolle spielen dabei sorptionsfähige Naturbaustoffe?
4. Welche Planungsstandards können und müssen im Rahmen des Reallabors unter wissenschaftlicher Begleitung abgesenkt werden?
Im Rahmen des Reallabors wurden insbesondere die heute üblichen mechanischen Lüftungssysteme und entsprechende Lüftungsnormen hinterfragt und ein Konzept zur freien Lüftung über Fenster entwickelt. Hierzu wurden im Rahmen der Forschung unterschiedliche räumliche, konstruktive und materielle Konzepte in bauphysikalischen Simulationen und Materialtests in der Klimakammer untersucht. Das Planungsteam wurde so in seiner Entscheidungsfindung begleitet, auf der anderen Seite wurden über den realen Kontext hinaus optimierte Planungsvarianten untersucht und bewertet.
Das Reallabor wurde als dialogischer Prozess aller Projektbeteiligten auf Augenhöhe geführt. Hierzu haben in der Planungsphase verschiedene Abteilungen der Stadt und Land, Behörden, das Forschungs- und Planungsteam kooperierend gearbeitet. Die Nutzenden werden in einer frühen Phase noch vor dem Einzug in den Diskurs eingebunden, auf die Besonderheiten der Gebäude vorbereitet und während der ersten Jahre der Nutzung begleitet. Hierbei wird das im Haus zu installierende Sensorsystem, das der wissenschaftlichen Auswertung der Gebäudeperformance dient, unterstützen.
Lowtech-Bauweise mit sorptionsfähigen Baustoffen und diffusionsoffenen Wandaufbauten
Das Lowtech-Konzept basiert auf feuchtesteuernden, sorptionsfähigen Materialien, die sehr gut Feuchte aufnehmen und wieder abgeben und so die Spitzen der relativen Raumluftfeuchte im Tagesverlauf abpuffern können. Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurde ein breiter Baukasten an Materialien nach Lehmbaunorm auf ihre Sorptionsfähigkeit hin untersucht. Mit der Verwendung von Naturfaserdämmung, Holz und Lehm wurden die Holzrahmenwände diffusionsoffen, ohne dampfsperrende Folien hergestellt. Die klimasteuernde Bauweise erzeugt eine angemessene mittlere Raumluftfeuchte und Schimmelfreiheit bei gleichzeitig hoch gedämmten Außenwänden.
Im Rahmen des ClimaDesigns wurden Fenstergrößen mit einem angemessenen Glasanteil entwickelt, um zwischen Belichtung und sommerlichem Wärmeschutz zu vermitteln. Die Fenster werden innenseitig angeschlagen, um über die Laibungstiefe zu verschatten. Die großen Verglasungen des Wohnbereiches werden im Sommer von der Loggia verschattet und ermöglichen im Winter passive Energiegewinne.
Die Grundrisskonzeption ermöglicht durch über Eck angeordnete Wohnungen und das an der Fassade liegende Bad eine „freie“ Querlüftung und den kompletten Verzicht von Lüftungs- und Klimatechnik. Über die gesunden, klimasteuernden Baustoffe kann bei zweimaligen Stoßlüften pro Tag in den Wohnungen eine hohe Raumluftqualität sichergestellt werden.
Auszeichnungen
DGNB Sustainability Challenge 2023 | Gewinner – Kategorie Forschung
Klimaschutzpartner Berlin 2024 | Gewinner – Kategorie C Projekte öffentlicher Einrichtungen
Schlagworte
Energetische Kennwerte
Energetische Kennwerte
Primärenergie
Umweltthermie (Luft / Wasser)
Objektdetails
Gebäudespezifische Merkmale
Anzahl Wohneinheiten
36
Das Objekt im Internet
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