Architekturobjekte
Nominiert für die Shortlist der Jury 2023
Kirche Canitz - Neue Mitte
01591 Riesa OT Canitz, Schäfereistraße 2
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Peter Zirkel Gesellschaft von Architekten mbH
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Peter Zirkel Gesellschaft von Architekten mbH
Basisdaten zum Objekt
Lage des Objektes
Schäfereistraße 2, 01591 Riesa OT Canitz, Deutschland
Objektkategorie
Objektart
Art der Baumaßnahme
Sanierung / Modernisierung
Fertigstellungstermin
06.2022
Zeichnungen und Unterlagen
Projektbeteiligte Firmen und Personen
Verwendete Produkte
Gebäudedaten
Bauweise
Mauerwerksbau
Tragwerkskonstruktion
Sonstige
Anzahl der Vollgeschosse
1-geschossig
Raummaße und Flächen
Bruttorauminhalt
1.140 m³
Bruttogrundfläche
190 m²
Nutzfläche
102 m²
Grundstücksgröße
1.295 m²
Kosten
Veranschlagte Rohbaukosten des Bauwerks
81.000 Euro
Gesamtkosten der Maßnahme (ohne Grundstück)
485.000 Euro
Lage und Umgebung
Beschreibung
Objektbeschreibung
Neue Mitte – Transformation und Neuinterpretation
In Canitz, einem kleinen eingemeindeten Dorf wenige Kilometer östlich von Riesa, fehlt seit 1975 die Kirche. Den jüngeren Generationen ist nur die überwucherte Ruine auf dem Friedhof bekannt. Der Ursprungsbau der Kirche aus dem 13. Jahrhundert wurde mehrfach umgebaut und erweitert. Die Baugeschichte der Kirche ist eng verbunden mit den unmittelbar nördlich angrenzenden Bauten - Rittergut und Wasserschloss - die beide nach 1945 weitestgehend abgebrochen wurden. Daraufhin legte man auf dem Gelände des Schlosses mit Teich und Park einen Sportplatz an. Fehlende Möglichkeiten der Unterhaltung führten ab 1975 dazu, dass die Kirche wegen Baufälligkeit ebenso in Teilen abgebrochen und die Ausstattung verteilt wurde.
Nach 30 Jahre Leerstand und Verfall der Kirchruine formiert sich im Jahr 2005 der Verein zur Förderung des Wiederaufbaus der Kirche. Die Akteure des Vereins sind sowohl Gemeindemitglieder, als auch konfessionslose Dorfbewohner, deren gemeinsames Ziel es ist, ihrem Dorf den verlorenen Dorfkern wiederzugeben – ein Zentrum, in dem man sich begegnen kann. In jahrelanger ehrenamtlicher Arbeit wurden seitdem die Ruine beräumt und regelmäßig Veranstaltungen zu Spendenzwecken durchgeführt. Mit diesem Engagement konnte die evangelische Landeskirche Sachsen davon überzeugt werden, den Wiederaufbau zu unterstützen. Als Erstes wurden im Jahr 2018 Sicherungs-maßnahmen durchgeführt (Büro für Architektur und Bauforschung, Angelika und Andreas Kern, Dresden). In deren Zuge wurden das Kirchenschiff und Turmstumpf mit einem Dach versehen und im gesicherten Rohbauzustand belassen. Der ehemalige Altarbereich verblieb in ruinösen Zustand und wurde nicht überdacht.
Die anschließende letzte Realisierungsphase beinhaltete den östlichen Raumabschluss des Kirchenraumes, die Fassadensanierung inklusive der Fenster und Türen, die Gestaltung des Innenraumes mit neuer Orgelempore, die Möblierung, das Umfeld der Kirche am Übergang zum Friedhof und der Hof um den ehemaligen Altar. Neben der Nutzung durch die Kirchgemeinde für Gottesdienste und Andachten mit 60 Sitzplätzen sollte die Kirche auch für weltliche Trauerfeiern oder Zusammenkünfte ein Ort des Miteinanders sein. Des Weiteren sollte die Kirche in eine gemeinsame Konzeption als neue Ortsmitte mit dem zukünftigen benachbarten Dorfgemeinschaftshaus und dem bestehenden Sportplatz eingebunden werden.
Die Intervention in dem vorgefundenen gesicherten Rohbau ist im Wesentlichen durch zwei Aspekte gekennzeichnet. Einerseits das behutsame Reparieren von Wände und Böden mit ortstypischen Materialien, wie mehrlagigen Kalkputz und Sandsteinplatten unter Verwendung von vorgefundenem Material. Andererseits die Gestaltung der neuen Einbauten, wie die Orgelempore, die Möbel und insbesondere die Ostfassade mit dem Material Holz ohne einen starken Kontrast zum Bestand zu erzeugen.
Durch die Teilung des ehemaligen Kirchenraumes in einen Freihof und in einen verkleinerten Sakralraum entstand die neue Lage der östlichen Giebelwand. Sie ermöglicht es, den Kirchenraum zum ehemaligen Altarraum hin in seiner ursprünglichen Dimension zu erleben. Mit vertikalen Lamellen im mittleren Bereich und zwei großen transparenten seitlichen Flächen wird eine intensive Verbindung von Innen- und Außenraum hergestellt.
So wird der Außenraum zu einer Fortsetzung des inneren Kirchenraumes, es entstehen Ausblicke, aber auch ein gefasster, abgedunkelter Raum hinter dem mittig angeordneten Altar. Die senkrechten, verdrehten Holzprofile der Pfosten-Riegel-Konstruktion sorgen dort für Blend- und Sonnenschutz.
Der Verschluss aller Fassadenöffnungen wurde im Entwurfsprozess als einheitliche Intervention angesehen. Sowohl Fenster, die Tür an der Westsseite als auch die neue Ostfassade wurden einheitlich in Materialwahl und Detaillierung gestaltet. Die Holzelemente aus siebirischer Lärche wurden dabei raumseitig weiß lasierend und nach außen hin in einem metallisch schimmernden Grauton beschichtet. Die neuen Fenster weisen keine Gliederung auf und treten mit einem tiefen Leibungsfutter als zeitgenössische Zutat nach außen auf.
Der Bodenbelag aus Sandstein im Inneren führt nach Außen und verbindet Kirchenraum mit Hof. Der Plattenbelag befindet sich im Hof nur im mittleren Bereich in der Breite des Kirchraumes, die Randstreifen hingegen sind mit Wegedecke belegt. Es wird dadurch die ehemalige Lage von Trennwänden gekennzeichnet, die in nördlicher und südlicher Richtung den Sakralraum von Nebenräumen trennten. Bei den noch vorhandenen Fassadenfragementen wurden ruinöse Wandstücke entfernt und die Öffnungen in den Wandflächen vermauert. Diese bleiben als Relief jedoch ablesbar.
Der Hof bildet nun einen geschützten Raum mit umlaufenden, geschlossen Wänden und soll für Freitaufen oder kleine Andachten genutzt werden. Dadurch wird der ehemalige Kirchenraum wieder erlebbar und ist nun mehr als eine Ruine.
Bei der Baumaßnahme kamen bewusst wenige Materialien zum Einsatz. Die Wände wurden mit natürlich hydraulischem Kalk mehrlagig verputzt. Am Hauptbaukörper wurde innen wie außen ein zweilagiger Aufbau mit einer geriebenen Oberfläche ausgeführt. Im Inneren des Kirchenraumes wurden zudem restauratorisch gesicherte Putzfragmente aus den verschiedenen Bauphasen erhalten und angearbeitet. Die freistehenden Bruchsteinwände des Hofes wurden mit einem einlagigen Kalkputz in Kombination mit einem zweilagigen Kalk-Schlämmanstrich überzogen und mit einer Abdeckung aus schlesischem Sandstein gesichert.
Die Sandsteinplatten des Bodenbelages aus der Ruine konnten teilweise erhalten werden und fanden bei der Sanierung im Vorraum und im Hof Verwendung. Im Kirchenraum wurde Neumaterial aus gesägtem Postaer Sandstein verlegt. Die Verwendung abweichender Plattenformate in den Bereichen der Sitzbänke unterstützt die subtile Zonierung gegenüber Altarbereich und Mittelgang.
Die Einbauten und Möbel sind aus Holz gefertigt und halb transparent weiß lasiert. Die Orgelempore wurde mit einer Fichtenholzschalung verkleidet, die Möbel sind aus massivem Eschenholz gefertigt.
Dass die Baustelle für die Dorfbewohner etwas Besonderes ist, konnte man schon während der Realisierung der Baumaßnahme feststellen. Jeder Baufortschritt wurde von zahlreichen interessierten Besuchern begutachtet und fotografiert. Über das eigentliche Aufgabenfeld der Bauüberwachung hinaus stand bei den Ortsterminen auch immer ein spontaner Austausch mit den Nutzern und Anwohnern auf dem Programm.
Schon vor der Eröffnungsfeier, die als großes Dorffest am 26. Juni 2022 stattfand, waren die Canitzer zufrieden: „Durch den Wiederaufbau sind wir im Dorf alle mehr zusammengewachsen.“
Nachhaltigkeit
regionaler Naturstein
keine Zentralheizung (nur Bankheizung), keine Anforderungen des Wärmeschutzes an die Fassade
minimaler Materialeinsatz
leichte Rückbaubarkeit (Design for Disassembly)
hohen Anteil an Eigenleistungen, hohe Akzeptanz und Initiative durch die Dorfgemeinschaft
Auszeichnungen
Nominierung – DAM Preis 2024
Anerkennung – db-Preis "Respekt und Perspektive 2022"
Anerkennung – Sächsischer Staatspreis für Baukultur 2022
Schlagworte
Energetische Kennwerte
Energetische Kennwerte
Primärenergie
Sonstige Heizenergie
Objektdetails
Das Objekt im Internet
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