Architekturobjekt 147 von 199

Architekturobjekte

Heinze ArchitekturAWARD 2015: Teilnehmer


KITA Hansaplatz Münster

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: msa | münster school of architecture, Architektur, Viktoria Millentrup

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Basisdaten zum Objekt

Lage des Objektes

Deutschland

Objektkategorie

Objektart

Art der Baumaßnahme

Entwurfskonzept

Verwendete Produkte

Temme Obermeier

Textile Membranen

ETFE-Folienkissen

Gebäudedaten

Tragwerkskonstruktion

Stahl

Anzahl der Vollgeschosse

3- bis 5-geschossig

Raummaße und Flächen

Bruttogrundfläche

1.700 m²

 

Nutzfläche

1.500 m²

 

Grundstücksgröße

2.500 m²

Beschreibung

Objektbeschreibung

Unter der Voraussetzung der Entwicklung eines adäquaten pädagogischen Entwurfskonzeptes und einer darauf abgestimmten Konstruktion, soll auf dem Hansaplatz eine Kita mit 1500 qm Grünanlage und einer Kapazität von 6 - 8 Gruppen entstehen. Das Raumprogramm soll eine Kindermensa, großzügige Gruppen- und Aktionsräume, Schlafräume, eine Garderobe, eine Verwaltung und eine Mehrzweckhalle beinhalten.

Beschreibung der Besonderheiten

Das pädagogische Entwurfskonzept

Durch die städtische Lage ergeben sich ruhige und lärmbelastete Platzseiten. Eine dementsprechende Umgestaltung der Platzstruktur mit einem geringen Ausdünnen des vorhandenen Baumbestandes und der Erneuerung der Parkanlagen ermöglichen eine gute Positionierung mit genügend Sonnenlicht und niedrigem Geräuschpegel für die geplante Kita, sowie neue Qualitäten für die Anwohner.

Das Konzept der Kindertagesstätte am Hansaplatz basiert auf einem nach innen gerichteten Grundrissprinzip mit einer schlüssigen Raumabfolge, dem Umgang mit der vorherig beschriebenen städtischen Situation und Lage und dem verantwortungsbewussten Zusammenspiel von Grünraum und Gebäude.
Ein nach innen gerichteter Grundrisstyp ermöglicht nicht nur den Kindern das Beobachten und Spielen, sondern erleichtert den Erziehern zusätzlich das Kommunizieren, Betreuen und gezielte Fördern der Kinder.

Eine „Spielinsel“ (Zwischenetage), in der insgesamt zweigeschossigen Anlage, führt die Gruppen zusammen und dient, durch ihre bewusst gewählte Position, gleichzeitig als Vermittler für alle umliegenden Räumlichkeiten. Diese Räume ordnen sich in einem U um die Spielinsel herum an.

Eine membrane kissenartige Dachhaut verleiht dem Ganzen einen Innenhofcharakter und sorgt nicht nur für die ausreichende Belichtung mit natürlichem Tageslicht für alle Gruppen- und Aufenthaltsräume, sondern auch für genügend UV- und Wärmeschutz. Das gezielte Belichten der Räume über den überdachten Innenhof mit Spielinsel ermöglicht gleichzeitig eine sehr klare und zurückhaltende Fassadengestaltung.

Als nächster konzeptioneller Schritt wird das Gebäude angehoben und auf Stützen gestellt, um einen fließenden Grünraum und einen „trockenen“ Spiel-Außenraum für die Kinder zu schaffen. Durch die nach unten durchstechende „Insel“ ergibt sich eine Mehrzweckhalle, die von den Kindern für sportliche Aktivitäten genutzt werden kann. Durch das Abkoppeln dieser Insel vom Gebäude ist es möglich die Mehrzweckhalle separat für Veranstaltungen außerhalb der Betreuungszeiten den Bürgern barrierefrei zur Verfügung zu stellen. Mit dem Anheben des Gebäudes und der nun nutzbaren Unterseite muss nur noch ein Teil der einstmalig öffentlichen Grünfläche in Anspruch genommen werden, ein Drittel der Fläche kann durch diesen Schritt der Öffentlichkeit zurückgeführt werden.

Die Kita ist für sechs Gruppen a fünfzehn Kinder und zwei Betreuer ausgelegt und verfügt darüber hinaus über einen geräumigen Essbereich mit Küche und zahlreiche weitere Aktionsräumen, die je nach Erziehungskonzept für z.B. musikalische, künstlerische, religiöse Früherziehung genutzt werden können. Auch die Garderobe und der Verwaltungsbereich der Kita sind großzügig ausgelegt.

Um ein hohes Maß an Flexibilität der Raumgestaltung zu schaffen, wurden jeweils zwei Gruppenräume einander zugeordnet. Diese teilen sich einen Sanitärblock und einen Ruheraum, der zusätzlich auch für andere Aktivitäten umfunktioniert und sogar vollständig geöffnet werden kann, um das Zusammenlegen der Gruppen zu ermöglichen. Je nach Tagesplan der Gruppen kann entschieden werden, ob und wie ein Raum für Einzelbetreuung, für Kleingruppen, für das Zusammenlegen von einzelnen oder allen Gruppen genutzt werden soll.


Die Konstruktion

Die konzeptionelle Entscheidung das Gebäude anzuheben und auf Stützen zu platzieren erfordert ein Tragwerk das diesen spezifischen Ansprüchen gewachsen ist: Eine Skelettkonstruktion aus Stahl, die die Kräfte sicher durch die drei Auflagerpunkte in das Fundament abträgt und dem entwickelten Entwurf gerecht wird.

Eine weiter Entscheidung war es, die drei Stützten unter die drei Nasskerne des Gebäudes anzuordnen, um sie neben ihrer tragenden Funktion auch für die Unterbringung von Zu- und Abwasseranschlüsse zu nutzen.

Das Primärtragwerk ist eine Konstruktion aus drei sich kreuzenden Vierendeel-Rahmen (HEB 500), welche biegesteif miteinander verschraubt sind. Jeder der drei Rahmen liegt auf einer V-Stütze auf, welche die Kraft in einem Punkt bündelt und in das darunterlegende Fundament abträgt. An dieser Rahmenkonstruktion sind wiederum die Vierendeel-Rahmen, welche die vier Fassadenseiten umfassen, angehängt. Dieses Sekundärtragwerk (HEB 300) ist ebenfalls biegesteif mit dem Primärtragwerk verschraubt.
Alle zwischenliegenden notwendigen Stahlträger des Tertiärtragwekes sind ebenfalls in HEB 300 ausgeführt und gelenkig verschraubt.
Die biegesteifen Verschraubungen der Vierendeelrahmen ergeben ein optimal ausgesteiftes Gefüge aus Stahl, welches, trotz großer Querschnitte, zu einer schwebend wirkenden Konstruktion verhilft.

Die Mehrzweckhalle, umrahmt von transluzent geätztem Glas, unterstreich zusätzlich diesen schwebenden Charakter des Gebäudes und flutet gleichzeitig den äußeren Spielbereich mit Licht.

Der Innenausbau erfolgt über einen klassischen und zudem kostengünstigen Trockenbau, welcher nicht nur ein klares Raumbild ermöglicht, sondern auch den Brandschutzanforderungen für Stahlbau gerecht wird.

Spielbereiche, wie zum Beispiel die Insel mit ihren Rampen zu den anliegenden Räumen und die geschwungenen Spielwand für die Kinder von 0 bis 3 Jahren sind mit weichem, warmen Filz ausgestattet. Die restlichen Böden, auch die der Nassräume, sind in pflegeleichtem und farbenfrohen Linoleum ausgeführt.

Fassadenpanele aus gewelltem weißem Acrylglas ergeben, wie bei dem Referenzprojekt von Sanaa auf dem Vita Campus, ein sehr klares äußeres Erscheinungsbild ohne jegliche Fugen, da jedes einzelne Panel mit einer Höhe von ca. 8m vorgehängt ist und dessen Fugen regelrecht unsichtbar verklebt sind. Diese vorgehängte Fassade verdeckt galant die darunter liegende Dämmung mit den Fassadenhaken und die Attika.

Die durch das Anheben entstandene fünfte Fassadenseite an der Unterseite des Gebäudes und auch die V-Stützen sind mit (abgehängtem) weißem Aluminiumblech verkleidet, um die helle Präsenz der Kita zu vervollständigen.

Das pneumatische Folienkissendach wurde dem Glasdach nicht nur wegen der Wärmebeständigkeit und seinem UV-Schutz vorgezogen, sondern auch weil diese leichte Membrankonstruktion, aufliegend auf ebenso leichten Aluminium-Rahmen, gesteuert durch einen Kompressor, sehr wetterbeständig und schmutzabweisend ist. Durch diese Leichtigkeit und durch das Öffnen des Raumes in den Himmel ergibt sich ein idealer Spielbereich, der eine wunderbare Verbindung zum Außenbereich mit seinen alten hohen Platanen darstellt. Das vom Folienkissendach abperlende Regenwasser wird direkt über die Entwässerungsrinne in das Fallrohr durch das gesamte Gebäude bis zur „fünften Fassade“ geführt, wo es an Regentagen den Außenspielbereich in einen Wasserspielplatz verwandeln soll.


Nachhaltigkeit & Wirtschaftlichkeit

Stahlbau verbindet man in den meisten Fällen mit Industie- und Hallenbau, in dem große Spannweiten erreicht werden müssen. Die kurze Planungs- und Bauzeit mit der flexiblen Ausführung des Tragwerkes machen Stahl aber nicht nur in der Typologie des Hallenbaus für Architekten zu einem interessanten Werkstoff. In dem Entwurf der Kita müssen keine großen Spannweiten überbrückt werden, trotzdem kommt gerade dort die Flexibilität des Werkstoffes Stahl dem Konzept zu Gute.

Durch die Entscheidungen das Gebäude anzuheben und somit den Eingriff in die Natur zu minimieren, um den Anwohnern einen Teil ihres Platzes wieder zu geben und ihnen zusätzlich eine neuen Anlaufpunkt durch die Mehrzweckhalle und die neugestaltete Parkanlagen zu geben, macht diesen Entwurf wirtschaftlich und nachhaltig sehr wertvoll.

Die Zweietagigkeit, das Anordnen der Räume zu einer Art Kubus, welcher durch einen Innenhof belichtet wird und daher eine sehr zurückhaltende Geste in der Fassadengestaltung einnimmt, das Anheben in die Bäume, ermöglicht ein Volumen, dass sich perfekt in das U der alten Platanen einfügt und somit fast alle von ihnen erhält. Der Platz erhält folglich nicht nur eine neue Funktion und Gestalt, sondern wird auch zum Treff- und Mittelpunkt für Jung und Alt im Hansaviertel.

Das Vierendeel-Stahlskelett macht diesen intensiv überlegten pädagogischen Entwurf und die mit dem Anheben einhergehenden Qualitäten überhaupt erst möglich. Das Gebäude kann sich zu den Bäumen erheben und versperrt weder die Sicht, noch Stört es das Auge. Die großen Querschnitte der Stahlträger mögen vorerst den Anschein von Unwirtschaftlichkeit erwecken, näher betrachtet geht mit ihnen aber der Gewinn an allen vorher genannten Qualitäten einher. Das Skelett ermöglicht, trotz der vermeintlichen Schwerfälligkeit, die offene Raumgestaltung im Inneren und die Leichtigkeit des Erscheinungsbildes nach Außen.

Ein weiterer Vorteil ist die schnelle Errichtung, die mit dem Stahlskelett, welches präzise vorgefertigt angeliefert und Vorort verschraubt wird, einher geht. Lediglich das Fundament ist aus dem nassen Baustoff Beton und daher einer gewissen Unbeständigkeit unterworfen, der Restliche Teil des Gebäudes beruft sich auf den Trockenbau, welcher mit standardisierten Montagemethoden eine schnelle Abwicklung finden kann. Das Austauschen von Bauteilen oder sogar der gesamte Abbau würde durch die vorherig genannten Fakten und seiner Recyclingfähigkeit auch keinerlei Probleme darstellen, der Platz würde durch seine minimale Versieglung durch die Fundamente zudem wieder schnell zu seiner alten Form finden.

Schlagworte

Kita, Stahl, Skelettbau, Vierendeel, Trockenbau, Folienkissendach, Hansaviertel, Münster

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