Architekturobjekte
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Eva Mittner
Basisdaten zum Objekt
Lage des Objektes
Kolpingstraße 4, 92355 Velburg, Deutschland
Objektkategorie
Objektart
Art der Baumaßnahme
Sanierung / Modernisierung
Fertigstellungstermin
03.2022
Projektbeteiligte Firmen und Personen
Gebäudedaten
Bauweise
Mauerwerksbau
Anzahl der Vollgeschosse
2-geschossig
Raummaße und Flächen
Nutzfläche
649 m²
Kosten
Gesamtkosten der Maßnahme (ohne Grundstück)
3.600.000 Euro
Lage und Umgebung
Beschreibung
Objektbeschreibung
Klug gelöst
Neue Architektur und Wertschätzung für einen alten Stadl
Ein Umbau mit technischen und energetischen Verbesserungen nebst neuen Strukturen und Ergänzung durch einen Neubau, damit wurde im Stadtbild von Velburg ein historisches Wahrzeichen wiederbelebt: Der altehrwürdige Wieserstadl hat durch seinen Companion eine neue Wirkung bekommen, ohne seinen ursprünglichen Ausdruck zu verlieren. Das ungewöhnliche Gebäude-Ensemble wurde nach Sanierung und Neubau als Kulturzentrum zum Hingucker. Im Frühjahr 2022 konnte man den niveauvollen Veranstaltungsort eröffnen.
Das Quartier Wieserstadl unterhalb der Stadtpfarrkirche wirkte vor der Sanierung auf Bürger und Besucher von Velburg eher deprimierend: Eine triste Leerstelle mitten in der im 13. Jahrhundert planvoll angelegten Stadt. Der an der Kolpingstraße 4 stehende hohe Bruchsteinbau war sehr in die Jahre gekommen und das angebaute Wohnhaus baufällig.
Die Kommune nahm sich bereits seit 2015 eine Veränderung dieser Situation vor.
Langer Leerstand vor Wiederentdeckung
Über die Jahrhunderte und nach vielerlei Nutzungen verfiel der Stadl aber zusehends und besaß keine Ausstrahlung mehr. Das hat sich 2022 geändert: Rötlich verputzt, mit feinem hellem Fugennetz überzogen, nimmt der ehemalige Zehentstadl nun wieder eine beachtliche Stellung in der Oberstadt von Velburg ein.
Durch seine neu zurückeroberte Aufgabe als Veranstaltungsort wird er wieder stark wahrgenommen und wertgeschätzt. Bis das möglich war, mussten aber einige Hürden genommen werden.
Sanierung überfällig – Frühere Aufgaben und ...
Der Zehentstadel wurde vermutlich bis ins ausgehende 19. Jahrhundert traditionsgemäß als Lager für Getreide genutzt. Aufzugsluken und Reste von Korn bezeugen dies. Mit Einbau der Werkstätte und des Kellerraumes um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert siedelte sich ein Seilerbetrieb an. Später wurden Baumaschinen im Stadel gelagert.
...ortsgerechte Gestaltung mit neuer Nutzungsidee
„Wir hatten es hier mit einem anspruchsvollen Bauvorhaben zu tun. Wichtig war es, für dieses spezielle Gelände ein schlüssiges Nutzungskonzept in eine angemessene Architektur zu übersetzen und damit zugleich wieder mehr kulturelles Leben in die Stadt zu bringen.“ berichtet Dipl. Ing. Michael Kühnlein sen. vom beauftragten Büro Kühnlein Architektur aus Berching.
„Das an den Wieserstadl angrenzende neuere Wohnhaus in der Kolpingstraße 4 war durch verschiedene Eingriffe sehr verbaut und zudem durch mangelnden Bauunterhalt so stark geschädigt, dass wir es nicht mehr retten konnten. Die historische Substanz war aufgrund der vielen Umbauten ohnehin nicht mehr vorhanden.“ sagt er.
Anders dagegen der historische Stadl. Er war gemäß der begutachtenden Experten erhaltenswert. Eingeritzte und gekerbte Abbundzeichen – als relevante Markierungs- und Zeichensysteme – in den Holzbalken des Gebäudes zeigten, dass seit dem Baujahr dieses Denkmal nahezu unverändert geblieben war.
Die Bauforschungsanalyse der hinzugezogenen Fachfirma MEMVIER aus Bamberg förderte spannende Details zutage. Die Experten fanden an den Innenwänden nahezu flächendeckend den groben Kalkputz der Entstehungszeit vor. Weitere Nachweise zur sogenannten Scheinarchitektur der Fassaden wurden entdeckt, genau beschrieben und in die neue Architektur überführt.
Der Nachweis zeigt auf, wie wichtig der Getreide- und Finanzspeicher den Stadtherrschern war, da sie dafür einem Stadl aus groben Bruchsteinen eine solche Fassung gewährten.
Die seit Dekaden nicht mehr funktionierende Dachentwässerung hatte bei beiden Gebäuden dafür gesorgt, dass sowohl der Dachstuhl, aber auch das Mauerwerk des Stadls feucht, marode und schadhaft geworden waren.
Die Planer erfüllten den Wunsch der Bauherrenschaft – die Stadt Velburg – , den historischen Wieser-Stadl als Ursprungsbau stärker zur Geltung kommen zu lassen. Dies gelang durch Neuplanung des Geländes, Wiederherstellung einer offenen Hoffläche und durch die schlichte architektonische Form des Neubaus mit untergeordneten Proportionen und Farben. Dort hat man kleine Fensteröffnungen wie Scheunenluken gestaltet. Highlight ist die Freistellung des historischen Gebäudes, ergänzt durch eine erdgeschossige Verbindung im überdachten Eingangsbereich.
So hat man für den denkmalgeschützten Stadl und das neue Haus einen gemeinsamen Nenner gefunden. Die beiden Gebäude bekommen durch die Neuausrichtung erst richtigen Bezug zueinander. Die besonderen Vorzüge des Altbestandes haben die Planer dabei sorgfältig herausgearbeitet.
Die gassenähnliche Flucht zwischen dem Stadl und dem Neubau wurde an beiden Seiten mit Glasfronten geschlossen und mit einem Flachdach gedeckt. Östlich des Haupthauses wurde ein neuer Behindertenparkplatz geschaffen.
Die beiden Gebäude – Denkmal und Neubau – stehen auf Abstand und dadurch entstand der Raum für das Foyer für die neue Nutzung. Der Gassencharakter wird städtebaulich noch dadurch betont, dass die Fassaden von Alt- und Neubau in den Innenbereich des Foyers geführt wurden.
Durch ein langgezogenes Oberlicht, sowie verglaste Eingangselemente an beiden Enden wird der als Foyer genutzte Raum taghell. Das Oberlicht erlaubt außerdem den Durchblick auf das Dach des Denkmals mit den neuen Gauben. Jetzt ist das „Miteinander“ der Objekte richtig wahrnehmbar.
Ruhige Raumwirkung - Ein Veranstaltungsort der Extraklasse
Der neu angelegte Staudengarten am Rand des südlichen Vorhofs lädt Besucher und Einwohner der Stadt zum Treffen und Austauschen ein mit verschiedenen Sitzgelegenheiten.
Im Inneren wurde vieles bewahrt und in seiner Ursprünglichkeit belassen. Beispielsweise hat man Holzbalken zwar umfänglich gereinigt, aber im Anschluss daran unbehandelt belassen, was den historischen Charakter betont.
Auch der bestehende Kalkputz blieb innen weitestgehend erhalten und wurde nur zum Teil ergänzt und mit einer Integrationslasur einheitlich zusammengeführt.
Prima Partner - Ersatzneubau statt Wohnhaus
Der Ersatzneubau wurde vom Stadl abgerückt und auf dem Grund des ehemaligen seitlich gelegenen Wohntrakts errichtet. Dieser giebelständige, langgestreckte Neubau bildet nun optisch attraktiv den östlichen Quartiersrand unterhalb der Stadtpfarrkirche. Entstanden ist dort ein zweigeschossiges, hell verputztes Ziegelgebäude in klassischer massiver Bauweise.
Es enthält jetzt alle wesentlichen Funktionen, die im Denkmal zu massiven Substanzverlusten geführt hätten: Eine Zwischenstation für das Nahwärmenetz der Stadt in einem separaten Kellerraum, eine Küche mit Getränkeausgabe nach Bedürfnissen der ortsansässigen Gastronomen, WC-Räume, Treppen, Aufzug verschiedene Mehrzweckräume, einen Putzraum und ein Stuhllager.
Das Treppenhaus mit Aufzug endet im Foyer, das den Veranstaltungs-Stadl mit dem Funktionsbau verbindet. Es gibt drei Eingänge auf den unterschiedlichen Ebenen und zwar in der Kolpingstraße, der Burgstraße und ein weiterer auf der Kirchenseite.
Wichtig war den Beteiligten die Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärmeerzeugung und der Anschluss an das Nahwärmenetz. Mit Biomasse wird Strom und Wärme erzeugt und ergänzend hat man Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung installiert.
Eine städtebauliche Aktivierung mit viel Raum, viel Freiheit und viel Qualität hat man aus diesem lange Jahre unscheinbaren Ort gewonnen – eine gute Entscheidung, betonen die Beteiligten.
Beschreibung der Besonderheiten
Umbauter Raum Neubau: 1.822 m³
Förderungen:
- Mittel des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung Bayern
- Mittel des Entschädigungs-Fonds nach dem Bayerischen Denkmalschutzgesetz
- Bezirk und Landkreis, Städtebauförderung
Nachhaltigkeit
Objekte in der Umgebung
Ähnliche Objekte