Nominiert für die Shortlist der Jury 2024
Kreisverwaltung Ingelheim
55218 Ingelheim, Konrad-Adenauer-Straße 34
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Canzler GmbH Mülheim
Basisdaten zum Objekt
Lage des Objektes
Konrad-Adenauer-Straße 34, 55218 Ingelheim, Deutschland
Objektkategorie
Objektart
Art der Baumaßnahme
Neubau
Fertigstellungstermin
04.2024
Zeichnungen und Unterlagen
Projektbeteiligte Firmen und Personen
Verwendete Produkte
Gebäudedaten
Bauweise
Holzhybridbau
Tragwerkskonstruktion
Holz
Anzahl der Vollgeschosse
3- bis 5-geschossig
Raummaße und Flächen
Bruttorauminhalt
62.000 m³
Bruttogrundfläche
17.000 m²
Nutzfläche
8.800 m²
Grundstücksgröße
10.000 m²
Kosten
Gesamtkosten der Maßnahme (ohne Grundstück)
46.500.000 Euro
Lage und Umgebung
Beschreibung
Objektbeschreibung
Der Neubau wurde als Kammstruktur mit Büro- und Verwaltungsräumen für mehr als 300 Mitarbeitende geplant. Das viergeschossige Volumen bildet dabei ein lang gestrecktes U, in dem mittig ein zweigeschossiger Pavillon mit Haupteingang eingestellt ist. Das Stützraster gliedert den Grundriss in Mittel- und Außenzone. In der Mittelzone sind die dienenden Räume angeordnet. Die Büro- und Besprechungsräume liegen entlang der Außenfassaden und werden über die fast raumhohen Fenster natürlich belichtetet. Der Neubau wird über Kraft-Wärme-Kopplung mittels einer Holzpellet-Anlage nachhaltige geheizt. Heiz-/Kühl-Deckensegel sorgen für ein ausgewogenes Raumklima in den Büroräumen. Gefördert wurde das Projekt durch den Landesbeirat Holz mit dem Förderschwerpunkt modulares Konstruktionssystem Holzbau.
Beschreibung der Besonderheiten
Nachhaltigkeit
1. Konstruktion nach dem Baukastenprinzip
Die von Fast + Epp entwickelte Konstruktion darf man sich als einfaches Stecksystem nach dem Baukastenprinzip vorstellen. Die Brettschichtholz-Pendelstützen, welche die vertikalen Lasten abtragen, werden in den Flurachsen als Gabelstützen, in den Außenwänden mit Doppelfalz-Ausschnitt ausgebildet. Sie dienen den Unterzügen (ebenfalls aus Brettschichtholz) als Auflager, wodurch Spannweiten von 2,7 Metern (Stützenraster) erreicht werden. Hierauf werden vorgefertigte fünflagige Brettsperrholz-Deckenelemente (CLT) gelegt. Dank einer Aussparung in den Platten leiten die oberen Stützen die vertikalen Lasten direkt in die unteren ein, wodurch Querdruckprobleme in den Decken und Unterzügen vermieden werden. Aufgrund des Steckprinzips konnte im Wesentlichen auf Stahlbauteile verzichtet werden, welche zur Einhaltung der Brandschutzanforderungen verkleidet werden müssen.
Insgesamt wurden in Ingelheim rund 2.000 Kubikmeter Fichten- und Birkenholz verbaut. Dadurch werden im Vergleich zur konventionellen Stahlbetonbauweise bereits bei der Herstellung rund 2.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid weniger emittiert (graue Energie).
In Anerkennung des Neubaus als «echte Besonderheit und ein tolles Beispiel für gelebten Klimaschutz» hat das rheinland-pfälzische Klimaschutzministerium das Projekt mit einer namhaften Summe gefördert.
2. Laubholz als Alternative zu Nadelholz
Im Zuge der Entwurfsplanung hat Fast + Epp verschiedene Varianten der Nutzung von Laubholz anstelle von Fichtenholz betrachtet. Anlass dafür waren vor allem stark schwankende Rohholzpreise, die zu einem Zielkonflikt führten: Entweder die Baukosten wären immens gestiegen, oder man hätte die Verwendung des ökologischen Baustoffes Holz minimieren müssen. Im Ergebnis konnte Birke als gangbare Alternative identifiziert werden. Birkenholz war zwar pro Kubikmeter um 270 Euro teurer als Fichte. Durch schlankere Querschnitte war es jedoch möglich, das Volumen des verbauten Holzes um 82 Kubikmeter (ca. 21 Prozent) zu reduzieren, so dass sich die Kostensteigerung insgesamt auf nur 9 Prozent beläuft. Zudem konnte man von stabilen Preisen, hoher Verfügbarkeit und guten Transportmöglichkeiten profitieren und den innovativen Charakter der Konstruktion wahren, die das Bauvorhaben zu einem Leuchtturmprojekt macht.
Da zusätzlich zu den Stützen auch Unterzüge aus Birke hergestellt werden sollten und hier Durchbrüche erforderlich waren, ist auf Anraten des Prüfingenieurs sicherheitshalber die Einholung einer vorhabenbezogenen Bauartgenehmigung (vBG) gemäß § 17 a Abs. 2 Nr. 2 LBauO erfolgt. Für die Antragsunterlagen hat die Firma Hasslacher aus Sachsenburg (Österreich) als Hersteller der Birkenholzelemente eine gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. Gerhard Schickhofer, dem Leiter des Instituts für Holzbau und Holztechnologie der Technischen Universität Graz, eingeholt. Mit Hilfe von Finite-Element-Berechnungen sind die Spannungen im Bereich von Durchbrüchen in den Unterzügen in Abhängigkeit von ihrer Lage und Größe untersucht worden. Auf der Grundlage dieser Berechnungen sind Querzug- sowie vereinzelt Querkraftverstärkungen angeordnet worden.
3. Hohe Flexibilität durch integrale Planung
Planungsaufgaben wie der Neubau des zweiten Dienstgebäudes in Ingelheim sind so komplex, dass ihre erfolgreiche Bearbeitung nur durch einen integralen Planungsprozess im Zusammenspiel aller Projektbeteiligten gelingen kann. Somit trägt eine integrale Planung zur Steigerung der Qualität bei, insbesondere dann, wenn ein Bauteil – wie etwa ein Unterzug – mehr als eine Funktion übernimmt.
Der Landkreis Mainz-Bingen als Bauherr hatte schon in der Ausschreibung mit Blick auf eine spätere Umnutzung der Räume eine hohe Grundrissflexibilität gewünscht. Auf diese Vorgabe vom Bauherrn und den Architekten hin hat Fast + Epp ein optimales Tragwerkskonzept entwickelt. Der Lastabtrag erfolgt über die Stützen und Unterzüge in den Flur- bzw. Außenachsen. Somit können die Decken über den Räumen frei spannen. Die Trennwände sind nichttragend und daher frei verschiebbar.
Im Dialog mit den Architekten und den Fachplanern der Technischen Gebäudeausrüstung konnte erreicht werden, dass die Durchbrüche in allen Unterzügen identisch und somit die Bauteile gleich sind. Das hohe Maß an Serialität umfasst schließlich die Deckenheiz- und Kühlsegel an den Bürodecken. Diese liegen nämlich in einer Achse mit den Fenstern und folgen somit dem Fassadenraster, das seinerseits aus dem Raster der Skelettkonstruktion abgeleitet ist. Zahlreiche Bauteile konnten vorgefertigt und die Bauzeit verkürzt werden.
4. Sichtbare Oberflächen und Brandschutz
Zu den zahlreichen Vorteilen von Holz als Baustoff zählt bekanntlich sein essentieller Beitrag zum Ambiente. Holz schafft Wärme und Wohlfühlatmosphäre durch ein gesundes Raumklima mit optimaler Luftfeuchtigkeit. Daher war schon im Zuge der Vorentwurfsplanung und Ausschreibung angedacht, die Innentüren aus einem beschichteten Holzwerkstoff anzufertigen. Im fertiggestellten Gebäude werden nun die sichtbaren Oberflächen der Stützen, der Unterzüge und der Decken zu einem angenehmen Raumklima beitragen.
Gelöst werden musste hier der Konflikt zwischen einer – zudem möglichst sichtbaren – Tragkonstruktion aus Holz und den Brandschutzanforderungen. Da das Brandschutzkonzept für den Neubau in Ingelheim insgesamt die Feuerwiderstandsklasse F90-B ausweist, ist über die aufgezählten gesonderten Maßnahmen für sämtliche nicht verkleidete Holzbauteile ein entsprechender Nachweis geführt worden.
5. Ökologische Baustoffe ressourcenschonend einsetzen
Im mehrgeschossigen Holzhybridbau kommen regelmäßig Holz-Beton-Verbunddecken zum Einsatz, um beispielsweise die Tragfähigkeit zu erhöhen, Deckenschwingungen zu minimieren oder den Brandschutz zu verbessern. Auch für das Bauvorhaben in Ingelheim ist diese Variante betrachtet, jedoch aufgrund diverser Nachteile nicht weiterverfolgt worden.
Als Kriterium einer nachhaltigen Architektur, die zu schaffen das Gebot der Stunde ist, gilt nicht zuletzt deren Rückbaubarkeit. Bauteile und -elemente sind zunächst nach Material sortenrein und ohne großen Aufwand zu trennen und dann wieder dem technischen Kreislauf zuzuführen. Auf diese Weise wird der hohe Anteil der Baubranche am weltweiten Ressourcenverbrauch reduziert. Dank der von Fast + Epp entwickelten Konstruktion nach dem Baukastenprinzip ist eine spätere Rückbaubarkeit problemlos möglich und die Wirkung der eingesetzten Materialien auf die Umwelt weitgehend reversibel.
6. Kurzfassung
Die aufgehenden Geschosse des 4-geschossigen Baukörpers sind in Holzbaubauweise errichtet und durch fünf Betonkerne, die Treppen und teilweise auch Aufzüge beherbergen, ausgesteift. Einfach und materialgerecht wurden Gabelstützen und Unterzüge aus Brettschichtholz der Holzart Birke mit Deckenelementen aus Brettsperrholz der Holzart Fichte nach dem Baukastenprinzip zu einem modularen Gebäude zusammengefügt. Dieses Stecksystem ohne metallische oder geklebte Verbindungen ist in der Anwendung für ein Verwaltungsgebäude von dieser Größenordnung ein Novum. Im Inneren kann das Holz sichtbar belassen und die Brandschutzauflagen können dennoch erfüllt werden.
Die einfache Trennbarkeit der verbauten Materialien ermöglichen eine vollständige Wiederverwendung der eingesetzten Hölzer am Ende der Lebensdauer des Gebäudes.
7. Energiekonzept
Heizzentrale
Die Energieversorgung der Kreisverwaltung erfolgt über eine hocheffiziente Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung mittels BHKW in der Grundlast und eine Holzpelletsanlage in der Spitzenlast, die mit einem Elektrofilter zur deutlichen Reduzierung der Staubemissionen ausgestattet wird. In der Heizzentrale befinden sich jeweils ein Wärmespeicher und eine Kältespeicher mit 15.000 Liter Volumen sowie die Wärme- und Kältehauptverteiler nebst allem Zubehör. Die Heizzentrale sowie das Pellets-Lager befinden sich im Untergeschoss angrenzend an die Tiefgarage. Das Pellet Lager hat eine Lagerkapazität von ca. 45 Tonnen.
Die Kälteversorgung besteht aus einer Adsorptionskältemaschine, die aus der BHKW-Abwärme hocheffizient Kälte erzeugt und 2 Spitzenlastkühlgeräten, die basierend auf Wasser als Kältemittel (R 718) sehr umweltfreundlich und nachhaltig Kälte erzeugen. Die Rückkühlung erfolgt jeweils auf dem Dach über zwei adiabate Rückkühler mit Hydropads.
Photovoltaikanlage
Die hocheffiziente und erneuerbare Energieversorgung des Gebäudes wir durch eine Photovoltaikanlage, besteht aus 220 Photovoltaikmodulen mit einer Leistung von 90 kWp ergänzt. Die Module werden auf ein freitragendes nach Ost-West ausgerichtetes Flachdachmontagesystem montiert. Zur Anlage gehören 4 Wechselrichter sowie ein Batteriespeicher mit einer nutzbaren Kapazität von 46,8 kWh, womit das PV-System die Stromeigenversorgungsquote des neuen Dienstgebäudes erhöht.
Klimaschutz
Das Energiekonzept für das neue Dienstgebäude der Kreisverwaltung Manz-Bingen reduziert die klimarelevanten CO2-Emissionen um 188,3 Tonnen pro Jahr im Vergleich zu einer konventionellen Strom- und Wärmeversorgung.
Schlagworte
Energetische Kennwerte
Energiestandard
Energetische Kennwerte
Primärenergie
Fernwärme
Sekundärenergie
Strom
Energetische Kennwerte
Primärenergiebedarf ("Gesamtenergieeffizienz")
38,40 kWh/(m²a)
Heizenergieverbrauchswert
62,50 kWh/(m²a)
Stromverbrauchswert
10,50 kWh/(m²a)
Energiebedarf (Prozentuale Verteilung)
Heizung
68 %
Warmwasser
3 %
Beleuchtung
8 %
Lüftung
5 %
Kühlung inkl. Befeuchtung
16 %
Weitere Dokumente zum Objekt
Objektdetails
Gebäudespezifische Merkmale
Anzahl Arbeitsplätze
1.400
Das Objekt im Internet
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