Architekturobjekte
Heinze ArchitekturAWARD 2025: Teilnehmer
Lehm schafft Raum - Ein kollektiver, ruraler Ort
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: TU Dortmund, Fakultät Bauwesen, Luiz Seitz, Marvin Simons, Emilija Macianskaite
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: TU Dortmund, Fakultät Bauwesen, Luiz Seitz, Marvin Simons, Emilija Macianskaite
Basisdaten zum Objekt
Lage des Objektes
Deutschland
Objektkategorie
Objektart
Art der Baumaßnahme
Entwurfskonzept
Fertigstellungstermin
07.2024
Zeichnungen und Unterlagen
Gebäudedaten
Bauweise
Lehmbau
Tragwerkskonstruktion
Holz
Anzahl der Vollgeschosse
3- bis 5-geschossig
Raummaße und Flächen
Bruttorauminhalt
22.800 m³
Bruttogrundfläche
1.900 m²
Beschreibung
Objektbeschreibung
Historisch betrachtet war die Kirche der zentrale Treffpunkt in vielen Dörfern. Mit dem Rückgang ihrer Bedeutung fehlt vielen Gemeinden heute ein solcher Mittelpunkt. Gleichzeitig stehen zahlreiche Gebäude leer, die aufgrund der aktuellen Urbanisierung als neuer Wohnraum genutzt werden. Es zeichnet sich ein zunehmender Trend ab, dass immer mehr Menschen aus städtischen Gebieten aufs Land ziehen, sei es aufgrund steigender Lebenshaltungskosten oder des Wunsches nach mehr Lebensqualität. Diese Zuwanderung führt jedoch zu infrastrukturellen Defiziten, die durch ein neues Gemeinschaftshaus ausgeglichen werden sollen. Ziel des Entwurfs ist es, das gemeinschaftliche Beisammensein zu fördern und Zugezogene in die Dorfgemeinschaft zu integrieren, um so den sozialen Zusammenhalt nachhaltig zu stärken. Besonders in Ostdeutschland ist der Leerstand auf dem Land stark ausgeprägt. Während die Zuwanderungsrate in kreisfreien Städten sinkt, steigt sie in dünn besiedelten Regionen. Für unser Projekt haben wir Grumbach in Sachsen als Standort ausgewählt.
Nutzung und Gestaltung
Die Räume des Gemeinschaftshauses werden vielfältig genutzt. Es entstehen flexible Flächen für örtliche Vereine und Zusammenkünfte. Der Entwurf berücksichtigt den ländlichen Kontext und die traditionelle Bauweise, weshalb eine Holz-Lehm-Struktur entwickelt wurde. Durch eine dem Baustoff gerecht werdende Gebäudestruktur hat der Lehm allerdings großes Potential nicht nur einen architektonischen Mehrwert, sondern insbesondere auch einen Beitrag zur Reduktion der CO2 - Emissionen in der Herstellung des Gebäudes zu leisten. Die Gebäudestruktur besteht aus einem Regelbereich aus Schotten und zwei aussteifenden Kernen. Die massiven Lehmkerne umrahmen das Regelsystem und dienen zusammen mit den Laubengängen als aktivierte Zirkulationsräume. Die Geschosshöhen orientieren sich an der vorgesehenen Nutzung der jeweiligen Etagen. Eine wichtige infrastrukturelle Einrichtung, die durch den Zuwachs des Dorfes gestärkt werden muss, ist die Freiwillige Feuerwehr, die im Gemeinschaftshaus integriert wird. Einmal jährlich findet in Grumbach ein Dorffest statt, bei dem die Garage in eine Festhalle umgewandelt wird. Die beiden Regelgeschosse bieten Raum für örtliche Vereine, Vorträge, Seminare und Arbeitsplätze.
Bauweise und Konstruktion
Das rurale Bauen bildet die Grundlage der Konstruktion. Die Geschossdecken sind als Hauptträger-Nebenträger-Konstruktion ausgeführt. Das Dach schützt, in seiner einfachsten Form, vor Regen und Feuchtigkeit und bietet durch den Dachüberstand zusätzlichen Schutz für die Lehmwände. Die Setzung des Lehms erfordert spezifische baukonstruktive Lösungen im Bauablauf, der Vorspannung des Lehms, in der Fassadengestaltung sowie in der Zonierung der einzelnen Schotten. Die technisch notwendigen Vorrichtungen wie Schneefanggitter, Holzschutz, Anprallschutz und Sonnenschutz sind in die Struktur integriert. Die Vorspannstäbe dienen beispielsweise als Führung des Sonnenschutzes.
Beschreibung der Besonderheiten
Eine Besonderheit des Lehmbaus ist sein starkes Kriechverhalten, das nach etwa einem halben Jahr weitgehend abgeschlossen ist. Um den Bauprozess optimal zu gestalten, sind spezifische Lösungen erforderlich. Aufgrund der unterschiedlichen Konstruktionen im Regelbereich und im Kernbereich des Gebäudes, die als zusammengehörige Einheit fungieren sollen, muss der Bauablauf präzise aufeinander abgestimmt werden. Erst nach den planmäßigen Setzungen des Regelbereichs werden die drei Gebäudeteile durch das letzte Deckenfeld verbunden, sodass die Konstruktion als einheitliches System funktioniert, ohne dass große Setzungsunterschiede zu erwarten sind.
Vorspannung
Um die Nutzlasten bereits im Bauzustand in die Lehmwände einzuleiten, kommt eine externe Vorspannung zum Einsatz. Diese wird über eine Stahlplatten-Tellerfeder-Konfiguration auf die Hauptträger aufgebracht. Die Hauptträger müssen dabei biegesteif dimensioniert werden, um Spannungsspitzen zu vermeiden und Risse oder Abplatzungen an den Lehmwänden zu verhindern. Um die Biegesteifigkeit direkt über der Lehmwand zu erhöhen, wird ein dritter Träger zwischen den Zangen eingebaut, der schubfest mit diesen verbunden wird. Dadurch wirken die drei Bauteile als ein gemeinsamer Querschnitt.
Zusätzlich ist ein Fassadenanschluss erforderlich, der Setzungen des Lehms ermöglicht, ohne Zwängungen im System zu erzeugen. Während des Setzungsprozesses wird die eingeleitete Kraft an jedem Knoten durch Sensoren gemessen, sodass Ungleichgewichte sofort erkannt und korrigiert werden können. Nach Abschluss der Setzungen unterstützt die Vorspannung das Gebäude bei horizontalen Belastungen, insbesondere durch die Vertikalfuge in der Fassadenebene, die das Aussteifungsverhalten in Querrichtung schwächen würde.
Raumklima und TGA-Konzept
Die positiven raumklimatischen Eigenschaften des Lehms sind Teil des TGA-Konzepts. Die 1 Meter dicken Lehmkerne besitzen eine enorme Speicherfähigkeit, die im Sommer zur Kühlung genutzt wird. Nachts abgekühlte Kerne geben ihre niedrige Temperatur tagsüber an die Schottenbereiche ab. Luftkanäle innerhalb der Wände sorgen dafür, dass der gesamte Querschnitt der Lehmkernwand abgekühlt wird. Im Winter dienen die weniger gut isolierten Kerne als Pufferbereich. Wandflächenheizungen heizen den Regelbereich.
Das TGA-Konzept ist, ebenso wie das architektonische Konzept, auf das ländliche Bauen ausgerichtet und somit auf das Einfachste reduziert. Auf eine RLT-Anlage wird verzichtet, die Lüftung erfolgt über die Fenster. Über Klappen unter dem offenen Dach kann warme Luft entweichen, und dieser Bereich bietet gleichzeitig Platz für den Wärmeerzeuger.
Nachhaltigkeit
Die Energieeffizienz des Gebäudes wird durch bauliche Maßnahmen weiter optimiert, die auf das natürliche Raumklima und die Energiespeicherung setzen. Die massiven Lehmkerne des Gebäudes wirken als Speicher für überschüssige Wärme im Winter und tragen dazu bei, das Gebäude im Sommer zu kühlen. Diese Eigenschaften reduzieren den Bedarf an künstlicher Klimaanlage und Heizung und sorgen so für ein ausgewogenes Raumklima im Jahresverlauf.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit liegt in der Flexibilität des Neubaus, insbesondere der oberen Geschosse. Diese wurden so konzipiert, dass sie einfache Nutzungsänderungen ermöglichen, wodurch das Gebäude langfristig an sich verändernde Bedürfnisse angepasst werden kann.
Auszeichnungen
DOMO Award 2024
Schlagworte
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