Heinze ArchitekturAWARD 2023: Teilnehmer
Licht und Schatten - Umgestaltung der Kirche St. Nicolaus und Errichtung eines Lern- und Gedenkortes
22297 Hamburg, Dorothea-Kasten-Straße 5
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Zymara Loitzenbauer Giesecke Architekten BDA Partnerschaft mbB
Basisdaten zum Objekt
Lage des Objektes
Dorothea-Kasten-Straße 5, 22297 Hamburg, Deutschland
Objektkategorie
Objektart
Art der Baumaßnahme
Umbau
Fertigstellungstermin
04.2022
Zeichnungen und Unterlagen
Projektbeteiligte Firmen und Personen
Verwendete Produkte
Gebäudedaten
Bauweise
Mauerwerksbau
Tragwerkskonstruktion
Ziegelmauerwerk
Anzahl der Vollgeschosse
1-geschossig
Raummaße und Flächen
Bruttorauminhalt
4.795 m³
Bruttogrundfläche
534 m²
Nutzfläche
407 m²
Grundstücksgröße
6.970 m²
Kosten
Veranschlagte Rohbaukosten des Bauwerks
840.000 Euro
Gesamtkosten der Maßnahme (ohne Grundstück)
2.490.000 Euro
Lage und Umgebung
Beschreibung
Objektbeschreibung
1938 wurde das Kircheninnere im Ungeist der Zeit radikal überformt. Das Chorfenster mit einer Glasmalerei des jüdischen Künstlers Melchior Lechter wurde zerstört und ausgemauert. Stattdessen entstand ein monumentales, den Chor hermetisch abschließendes Sgraffito-Altarbild, auf dem im Kreise der heiligenschein-umkränzten Menschen unter dem Kreuz gerade die drei Schutzbedürftigen ohne Gloriole dargestellt sind. Die ausgrenzende Bildaussage, der Entstehungskontext in der Zeit der Verstrickung der damaligen Alsterdorfer Anstalten in den Nationalsozialismus sowie der massive und düstere Raumabschluss beeinträchtigten in den vergangenen Jahrzehnten die liturgische Nutzung der Kirche immens.
Um den Kirchenraum wieder zum östlichen Tageslicht auszurichten und von der Last des Bildes zu befreien, dieses aber gleichzeitig als ein Dokument der Täterkunst aus dem Spannungsfeld Kirche und Nationalsozialismus zu erhalten, wurde es in den Kontext eines Lern- und Gedenkortes in den Außenraum transloziert. Im Ganzen mit der bauzeitlichen Chorwand versetzt, gedreht und auf einer tieferen Ebene positioniert bleibt der unmittelbare Bezug zum Kirchengebäude weiterhin bestehen.
Auf der Rückseite der sichtbar belassenen Backsteinwand – der Kirche zugewandt – sind die Namen der Alsterdorfer Opfer der „Euthanasie“ zu lesen: zwischen 1940 und 1943 wurden 630 Bewohner und Bewohnerinnen der Alsterdorfer Anstalten in nationalsozialistische Tötungsanstalten deportiert, 513 von ihnen nachweislich ermordet.
Nach dem Umbau steht die Kirche St. Nicolaus nun als lichtes Haus eines freundlichen Gottes wieder allen Menschen offen: ohne länger zu bedrücken, aber auch ohne die über 130-jährige Bau- und Nutzungsgeschichte zu verschweigen, die eine wechselvolle Geschichte von Zuwendung und Ausgrenzung, von Aufarbeitung und Erinnerung, von Eingliederung und Inklusion ist.
Der Gedenkort ist Teil des neu gestalteten Kirchplatzes, der die unterschiedlichen Höhen des vorhandenen Geländes anbindet und zwischen der tief gelegenen Sengelmannstraße und dem höher gelegenen Stiftungsgelände vermittelt. Sitztreppen, breite Rampen, Sitzelemente und die Einbeziehung des alten Baumbestandes schaffen eine hohe Verweilqualität und ermöglichen die barrierefreie Erschließung des Quartiers.
Die Architektenleistungen beinhalteten auch die Planung und Gestaltung der Außenfläche mit 2.700 m² sowie des Innenraumes inklusive der Prinzipalstücke.
Beschreibung der Besonderheiten
Das monumentale, den Chor hermetisch abschließende Sgraffito-Altarbild aus dem Jahr 1938 mit seiner ausgrenzenden Bildaussage, der Entstehungskontext in der Zeit der Verstrickung der damaligen Alsterdorfer Anstalten in den Nationalsozialismus sowie der massive und düstere Raumabschluss beeinträchtigten in den vergangenen Jahrzehnten die liturgische Nutzung der Kirche immens. Gleichzeitig steht die Kirche unter Denkmalschutz, dies umfasst auch das Sgraffito-Altarbild. Die architektonische Lösung musste allen Anforderungen gerecht werden.
Das Transferieren der Chorwand stellte sicherlich den radikalsten Eingriff in das Baudenkmal St. Nicolaus dar. Vorausgegangen war ein langer und intensiver denkmalrechtlicher Abstimmungsprozess. Das Versetzen des hermetisch-massiven Raumabschlusses, der erst durch die Zerstörung und das Schließen des ursprünglichen, großen Chorfensters entstanden ist, baute die entstandene Verwundung zurück und revitalisiert und verstärkt den bauzeitlich intendierten Raumeindruck.
Translozierung und Schaffung eines Lern- und Gedenkortes zur Euthanasie
Um den Kirchenraum von der Last des Sgraffito-Altarbildes zu befreien, dieses aber gleichzeitig als ein Dokument der Täterkunst aus dem Spannungsfeld Kirche und Nationalsozialismus zu erhalten, wurde es in den Kontext eines neu geschaffenen Lern- und Gedenkortes in den Außenraum transloziert. Da das Bild untrennbar mit dem Mauerwerk verbunden ist, wurde es in einem technisch höchst anspruchsvollen Verfahren im Ganzen mit der bauzeitlichen Chorwand herausgelöst, versetzt und gedreht im Außenraum positioniert.
Inklusion und Barrierefreiheit
Der Gedenkort ist Teil des neu gestalteten Kirchplatzes, der die unterschiedlichen Höhen des vorhandenen Geländes anbindet. Breite Rampen ermöglichen die barrierefreie Erschließung des Quartiers, bei der die Belange mobilitäts-, seh- und höreingeschränkter Menschen gleichermaßen Berücksichtigung fanden.
Nicht nur das Außengelände, auch der Kirchenraum sollte den Anforderungen der Inklusion genügen und barrierefrei nutzbar sein. Daher wurden die vorhandenen Stufen im Altarraum entfernt und dieser ebenengleich gestaltet.
Altar und Ambo wurden nach den Entwürfen der Architekten gebaut. Die Gestaltung der mobilen Prinzipalstücke folgt den Prinzipien von Kreis und Schichtung. Sie sind sowohl höhenverstellbar als auch unterfahrbar und damit für mobilitätseingeschränkte Menschen gleichermaßen nutzbar.
Nachhaltigkeit
Die Heizenergie basiert auf einem gasbefeuerten Nahwärmenetz.
Auszeichnungen
Ausgewählt für den Tag der Architektur in Hamburg 2022
Jahrbuch Architektur in Hamburg 2022/23
Ausgewählt für das BDAschaufenster Hannover 2023
Schlagworte
Energetische Kennwerte
Energiestandard
Energetische Kennwerte
Primärenergie
Sonstige Heizenergie
Objektdetails
Gebäudespezifische Merkmale
Anzahl Sitzplätze
150
Das Objekt im Internet
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