Neubau des Kunsthauses im Kunstquartier Göttingen
Mit freundlicher Unterstützung von CAPAROL Farben Lacke Bautenschutz
Basisdaten zum Objekt
Lage des Objektes
Göttingen, Deutschland
Objektkategorie
Objektart
Art der Baumaßnahme
Neubau
Fertigstellungstermin
01.2021
Projektbeteiligte Firmen und Personen
Verwendete Produkte
Beschreibung
Objektbeschreibung
Kunstquartier Göttingen bezirzt mit Besenstrich
Ein Kunstquartier soll im Süden Göttingens entstehen, dort, wo mittelalterliche Gebäude das Auge bezirzen und schon heute das Günter-Grass-Archiv seinen Platz hat. Nun ist das Kunsthaus hinzugekommen, ein fulminanter Neubau, in dem vorzugsweise Arbeiten auf Papier präsentiert werden. Ebenso fulminant: Die Fassade mit ihrem Kammzug.
Die Nachbarn sind alt, sehr alt. Seit über 700 Jahren stehen sie hier in der Düsteren Straße, geduckt, zurückhaltend, aber mit fein restauriertem Fachwerk. Zwischen sie hat sich nun ein Neubau platziert. Gedrängt wäre falsch, denn der Neuling zeigt viel Respekt, bändelt mit seinen Nachbarn an, entstammt aber unverkennbar der Jetztzeit. Das Kunsthaus Göttingen, 2021 eröffnet, ist ein gelungenes Werk: Es fügt sich harmonisch in die schmale Lücke der Göttinger Altstadt ein und bietet auf seinen insgesamt vier Geschossen eine Ausstellungsfläche von 500 Quadratmetern – bei einer Grundstücksgröße von gerade mal 140 Quadratmetern. Knapp drei Jahre wurde am Kunsthaus gebaut, dessen Konzeption auf den Wettbewerb des Jahres 2016 zurückgeht.
Alt und neu in der Düsteren Straße
Wer die Düstere Straße in der südlichen Altstadt Göttingens entlanggeht, wird das neue Gebäude vermutlich erst gar nicht wahrnehmen. Der Neubau, entworfen vom Leipziger Architekturbüro Atelier ST, bleibt sehr dicht an den historischen Bautraditionen, zumindest auf formaler Ebene, während der Stahlbetonbau mit seinem mineralischen Wärmedämmverbundsystem konstruktiv ein Kind seiner Zeit ist. Die Traufständigkeit, das spitze Dach, die Betonung der Horizontalen und das der Rähmbauweise nachempfundene Auskragen der einzelnen Etagen – all dies sind Anleihen aus der Tradition mittelalterlichen Bauens.
Im Inneren jedoch herrscht kompromisslose moderne Reduktion, aus der eine charaktervolle Bühne für die Exponate der Druckgrafik und Fotografie erwächst. Hohe Räume, ein bis in den First offenes Dachgeschoss, Sichtbeton und filigrane Treppengeländer: all das gibt dem Haus eine elegante, klare und bewusste Erscheinung.
„Es sollte bis auf die Wandflächen der Ausstellungsräume ein veredelter Rohbau bleiben“, so Architekt Sebastian Thaut.
Wenn die Augenbrauen zucken
Reduktion prägt auch den Duktus der Fassade: Monochrom in einem warmen Hellgrau gehalten und nur mit wenigen Öffnungen versehen, fällt sie in der Straßenflucht zunächst kaum auf. Steht man jedoch unmittelbar vor ihr, dann dürften die Augenbrauen nach oben zucken. Und eine Weile oben bleiben.
Denn die komplette Straßenfassade wurde wie auch die zum halböffentlichen Hof orientierte Fassade mit einem horizontalen Kammzug versehen – in einer Perfektion, die ihresgleichen sucht. So präzise die Plastizität, so präzise läuft der Zug über die gesamte Länge der Fassade – wer die Technik kennt, der weiß, wie herausfordernd sie sein kann.
In Göttingen gelang die Umsetzung geradezu beispielhaft – mittels eines rund 60 Zentimeter breiten Werkzeugs, kombiniert mit einer Führungsschiene sowie der notwendigen Mischung aus ruhiger Hand, beherzter Bewegung und dem persönlichen Einsatz der ausführenden Fachhandwerker des Küllstedter Malerbetriebs Bosold.
Ergänzt werden die beiden Hauptfassaden durch die Besenstrichtechnik an den Giebelseiten: Der Oberputz erhielt hier ebenfalls eine horizontale, jedoch feinere Strukturierung. Die bewusste Anwendung des traditionellen Stilelements der Fassadenhierarchie gliedert das Kunsthaus also in doppeltem Sinn in den geschlossenen historischen Straßenzug ein. Das Kunsthaus beweist also, dass die beiden traditionellen, handwerklichen Techniken auch in der heutigen Architektur ihre Berechtigung haben.
Schritt für Schritt
Vor der endgültigen Ausführung des Kammzuges entstanden mehrere Probemuster für Farbton und Struktur, die vor Ort gesichtet, verändert, bewertet und schließlich verbindlich abgenommen wurden.
Der Kammzug war übrigens als wesentliches und definiertes Merkmal der Fassade bereits im öffentlichen Ausschreibungsverfahren enthalten und wurde dadurch entsprechend vergütet – eine leider oft unterschätzte Voraussetzung für Qualität. Die Erstellung von Mustern wurde – genauso wie das Anfertigen des Werkzeugs – gesondert vergütet, was die Relevanz hervorhebt. Der „Kamm“ selbst blieb nach Ausgebrauch beim Bauherrn – für künftige Ausbesserungen oder Renovierungen.
Mit einer Tiefe von rund drei Millimetern nimmt der Kammzug Teilbereiche des Capatect Fassadenputzes fein ab. Das Ergebnis ist eine horizontal und linear strukturierte Fassade mit einer – vor allem bei bestimmten Lichtverhältnissen – faszinierenden Plastizität. „Mit dem Kammzug war ein einzelner Mitarbeiter betraut, was die konstante Handschrift und Qualität sicherstellte. Auch dies trug wesentlich zum Ergebnis bei“, so Bauleiterin Nicole Thiele.
Ebenso relevant war die präzise Arbeitsvorbereitung: Die Mitarbeitenden von Christian Bosold maßen die Fassadenbereiche der Höhe nach zunächst genau auf und positionierten die jeweilige Führungsschiene so, dass unabhängig vom Geschossversatz immer gleiche Kammzug-Rapporte entstanden. Nicht nur dies, auch die enge Abstimmung mit dem Gerüstbau, der flexibel auf den Stand der Fassadenbearbeitung reagierte, sicherte die Gleichmäßigkeit der Fassadenstruktur.
Das Papier nach außen geholt
Übrigens ist der Kammzug nicht einfach eine formale, oberflächliche Idee, er trägt das, was in seinem Inneren stattfindet, in gewisser Weise nach außen. „Der klar gegliederte Baukörper erinnert mit seiner horizontalen Putzstruktur an einen Stapel Bücher und an geschichtete Papiere“, so Sebastian Thaut. Jene Papiere, die als Druckgrafiken das Kunsthaus beleben.
Armin Scharf
Bautafel
Objekt: Kunsthaus Göttingen, Göttingen
Architektur: Atelier ST, Leipzig
Bauleitung: onp-Schwieger GmbH, Göttingen
Bauherr: Stadt Göttingen
Ausführung Fassade: Malerbetrieb Bosold, Küllstedt
Caparol-Außendienst: Günter Krämer
Verwendete Caparol-
Produkte (Auswahl): Capatect MW Fassadendämmplatte 159
Capatect Modelier- und Spachtelmasse 134
Capatect Klebe- und Armierungsmasse 186M
Capatect Fassadenputz fein
Caparol Putzgrund 610
Fassadenfarbe Sylitol Finish 130
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