Architekturobjekte
Mit freundlicher Unterstützung von Hydro Building Systems Germany (WICONA)
Basisdaten zum Objekt
Lage des Objektes
Antarktis
Objektkategorie
Objektart
Art der Baumaßnahme
Neubau
Fertigstellungstermin
04.2012
Projektbeteiligte Firmen und Personen
Verwendete Produkte
Gebäudedaten
Tragwerkskonstruktion
Stahl
Beschreibung
Objektbeschreibung
Mit der im April 2012 erfolgten Inbetriebnahme der Station endet vorläufig ein Projekt, dessen Anfänge bereits sechs Jahre zurückliegen. Das indische National Centre for Antarctic and Ocean Research (NCAOR) startete damals einen Wettbewerb zur Planung einer indischen Forschungsstation in der Antarktis. Aus dem Verfahren ging die Bremer Käfer Construction GmbH in der Funktion des Generalunternehmers als Sieger hervor. Zu den weiteren Projektbeteiligten gehören die IMS Ingenieurgesellschaft, bof Architekten (beide aus Hamburg) sowie die Braunschweiger m+p Consulting, zuständig für die Gebäudetechnik. Als Bremer Unternehmen pflegten Käfer und die Lenderoth GmbH schon früher für beide Seiten erfolgreiche Geschäftsbeziehungen, so dass das Familienunternehmen für die Metall- und Fassadenbereiche dieses ungewöhnlichen Projektes vom GU ebenfalls in die Ausschreibung einbezogen wurde. Die Entscheidung für Lenderoth hatte einen besonderen Hintergrund: „Bei Käfer war durch frühere Projekt bekannt, dass wir mit der eigenen Planungsabteilung im Haus Vorteile bieten, die dazu beitragen können, das unter starkem Zeitdruck stehende Projekt termingerecht zum Erfolg zu bringen“, erläutert Axel Lenderoth, der zusammen mit seinem Sohn Christophe als geschäftsführender Gesellschafter des Metallbauunternehmens fungiert.
Die gestalterische Planung der Station lag in Händen des Hamburger Büros bof Architekten. Deren Grundidee war ein „Gebäudekern“ aus versetzt gestapelten und technisch modifizierten Containern, umgeben von einer Stahlunterkonstruktion und einer darauf applizierten Aluminiumfassade als Gebäudehülle. Es entstand ein zweischaliger Aufbau mit einem Zwischenraum zwischen der Aluminium-Außenhülle und den Containerwänden. Dieser dient nicht nur als temperaturausgleichendes Luftpolster, sondern auch als Raum für Versorgungsleitungen, als Zugang für Wartungsarbeiten und als Fluchtweg.
Die Fassaden-Ausführungspläne von bof Architekten gelangten im weiteren Projektverlauf zur Lenderoth GmbH. Hier entstanden dann zwischen Mai und Juli 2011 die entsprechenden Detailpläne für die Fassadenelemente mit Glasfronten und die Brandschutzelemente (Fenster und Türen), nach denen zunächst in Bremen gefertigt wurde und später das Montageteam mit Peter Wirtz und Sven Gurka letztlich vor Ort gearbeitet hat.
Eine echte Herausforderung stellten die außergewöhnlich großen Glasfronten für die Nord- und Südfassade (zusammen rund 90 m²) der Polarstation dar. Für die Architekten der besondere Clou ihres Entwurfes: „Wir wollten den Wissenschaftlern vor Ort die Möglichkeit bieten, das Naturschauspiel Antarktis vor der Tür auch direkt durch Panoramafenster bewundern zu können“, so Bert Bücking von bof Architekten. Entwicklungsdetails und Konstruktion der Fassade orientierten sich an den extremen Wetterbedingungen in der Antarktis. Windgeschwindigkeiten von 300 km/h, Winterstürme mit riesigen Schneemengen und Temperaturen von -40° C und darunter schaffen thermische und mechanische Belastungen höchsten Ausmaßes für die Gebäudehülle. Das Phänomen drastischer Temperaturwechsel war im Übrigen schon während des Transportes der Fassadenbauteile absehbar, schließlich überquerte das russische Transportschiff auf seinem Weg von Antwerpen über Kapstadt bis in die Antarktis den Äquator mit entsprechend heißen Temperaturen, die dann im weiteren Verlauf der Seereise bis zu den Larsemann Hills wieder drastisch sinken würden. Axel Lenderoth: „Diese Differenzen mussten wir in der Planung mit berücksichtigen und haben daher schiebende Fugen eingebaut, welche die hohen Temperatur-Spannen ausgleichen.“
Auf spezielle technische Regeln, Normen oder Richtwerte konnte man bei Lenderoth nicht zurückgreifen: „Es gab keine“, so Axel Lenderoth, „wenn wir recherchiert haben, wie sich ein bestimmtes Baudetail, Material oder Verfahren denn bei -40°C verhält, haben wir keine Antworten gefunden.“ Die Konstruktionen wurden vor ihrem Einsatz nicht eigens getestet. Lenderoth beauftragte in der Planungsphase allerdings ein Statikbüro mit der Berechnung der entstehenden Lasten, notwendigen Materialstärken etc. Als hilfreich erwiesen sich zudem die Ergebnisse von Windkanalversuchen, die an einem Modell der Station in Indien durchgeführt wurden.
Die Außenhülle des Komplexes besteht aus einer modifizierten Pfosten-Riegel-Konstruktion mit hochwärmegedämmten Aluminium-Paneelen und dreifach isolierten Glaselementen mit einer 15°-Neigung an der Nord- und Südseite. Die Basis hierfür bilden die WICONA Systeme WICTEC 50 und WICLINE 75 evo, beide jeweils in der HI (High insulated) Version. Mit diesem Aufbau wurde der exzellente Ucw-Wert von 0,8 W/(m²K) erzielt. Als technische Besonderheit und den klimatischen Bedingungen geschuldet sind die Aluminiumrahmen mit elektrischen Heizdrähten ausgestattet. Sie halten die Temperaturen zwischen der Außen- und Innenschale der Fassade bei ca. +10°C.
Bei den Container-Fenstern und -türen sowie den Zugängen zu den Aufenthaltsbereichen (Lounge, Laborräume) stand das Thema Feuerschutz im Vordergrund. Brandschutztüren (T-30) und Brandschutzfenster (F-30) mit Drehflügeln kommen hier zum Einsatz. Auch in diesem Fall bilden mit den WICONA Systemen WICLINE 75 und WICSTYLE 75 – beide in der Version FP (Fire Protected) - normale Serienprodukte die Basis der Konstruktion. „Somit hatten wir in diesem Fall auch den Vorteil, keine extra Brandprüfungen absolvieren zu müssen, sondern es dienten die vorliegenden Brandschutz-Zertifikate von WICONA als Nachweise“, so Axel Lenderoth.
Abweichend von der sonst üblichen Montagepraxis erstellten die Bremer Metallbauer für alle 30 Fassadenelemente der Station zusätzliche Adapterrahmen aus thermisch getrenntem Stahl, um die Präzision beim Einbau sicher zu gewährleisten und die Montagegeschwindigkeit vor Ort zu erhöhen.
Ende August 2011 dann die Bewährungsprobe beim Testaufbau im Duisburger Hafen. Im Beisein von Vertretern des indischen Auftraggebers wurden Container- und Fassadenbauteile aufgestellt und montiert. Axel Lenderoth war natürlich dabei: „Es war spannend, aber der Test verlief wirklich ohne Probleme. Es blieben am Ende nur Kleinigkeiten, die noch verändert werden mussten, beispielsweise die Kabelführung für die Rahmenheizung der Fassadenelemente.“ Am Schluss erteilten die Inder die Freigabe für die Ausführung.
Mit der Verladung der 134 Containermodule und der gesamten Ausrüstung einschließlich Kran und Hebebühnen begann für Peter Wirtz und Sven Gurka das Abenteuer Antarktis. Am 26. Oktober traten sie ihre Reise zusammen mit weiteren Experten anderer Gewerke an Bord des russischen Frachters „Ivan Papanin“ von Kapstadt aus Richtung Larsemann Hills an. Vor ihnen lag der antarktische Sommer, vier Monate mit Tageslicht und vergleichsweise erträglichen Außentemperaturen. In dieser Zeit bis Ende März 2012 musste die Montage abgeschlossen sein. 80 Kilometer vor dem Ziel geriet das Schiff im November 2011 dann aber doch in undurchdringliches Eis, konnte bis zum Eintreffen eines Eisbrechers nicht weiterfahren und wurde Container für Container per Hubschrauber entladen. Zeitverlust: drei Wochen. Endlich angekommen am Zielort wurde zunächst das Bau-Camp und am 4. Dezember 2011 die ersten Elemente der Bharati-Station errichtet. Gemäß dem Grundprinzip der Architekten bilden die 134 Container und die in 21 Achsen unterteilte Stahlkonstruktion das Hauptsystem, auf das dann die Aluminium-Fassade montiert wurde. Dabei arbeitete man als internationales Team: so wie Peter Wirtz und Sven Gurka zuvor beim Aufbau des Bau-Quartiers und des Stahlgerippes geholfen hatten, erhielten die beiden Bremer jetzt Unterstützung von der restlichen Crew bei der Fassadenmontage. Dazu verwendete das Team einen Mobilkran, mit dem die insgesamt 275 gedämmten Aluminiumelemente und die Glas-Fassadenteile verbaut wurden. Hier zeigte sich, dass der Planungsaufwand gerechtfertigt war: die Montage verlief ohne große Zwischenfälle oder technische Schwierigkeiten, Nacharbeiten waren nicht erforderlich, sodass man zumindest einen Teil des mehrwöchigen Zeitverlustes wieder ausgleichen konnte.
Am 23. Februar 2012 war es geschafft, die beiden Lenderoth-Mitarbeiter hatten das letzte Fassadenteil verbaut und traten über Kapstadt den Heimweg nach Bremen an. Der kurz danach einsetzende antarktische Winter sorgte für eine Zäsur bei der Fertigstellung. Gut 90% der Arbeiten konnten beendet werden, ein Team von 15 indischen Forschern hat die Station im April 2012 in Betrieb genommen. In den dunklen Monaten bis zum nächsten Polarsommer laufen nun die ersten Forschungsarbeiten auf der Bharati-Station. Die Pinguine werden dabei zuschauen…
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