Architekturobjekt 2.853 von 3.389

Architekturobjekte


Synagoge in Ulm

89073 Ulm, Am Weinhof 2

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH

Ohne baulichen Saum steht die Synagoge als Solitär auf dem Weinhof. - Synagoge in Ulm

© Yoahn Zerdoun, Freiburg

Eckfenster illuminiert den das liturgische Herzstück der Synagoge, den Thoraschrein - Synagoge in Ulm

© Yoahn Zerdoun, Freiburg

Das Eckfenster spielt mit dem Motiv des Davidsternes als Raumfachwerk - Synagoge in Ulm

© Yoahn Zerdoun, Freiburg

Alle Nutzungen des Gemeindezentrums und der Synagoge sind in dem glatten Baukörper zusammengefügt - Synagoge in Ulm

© Yoahn Zerdoun, Freiburg

In der Dämmerung wird das Motiv durch die Innenbeleuchtung auch nach außen wirksam. - Synagoge in Ulm

© Christian Richters, Münster

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH

Basisdaten zum Objekt

Lage des Objektes

Am Weinhof 2, 89073 Ulm, Deutschland

Objektkategorie

Objektart

Art der Baumaßnahme

Neubau

Fertigstellungstermin

12.2012

Projektbeteiligte Firmen und Personen

Architekt/Planer

kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH

Agrippinawerft 18

50678 Köln

Deutschland

Tel. +49 221 921643-0

koeln@ksg-architekten.de

Beschreibung

Objektbeschreibung

Solitär auf dem Weinhof

20 Monate nach dem Spatenstich übergab das Büro kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH (ksg) am 02.12.2012 die Synagoge an die jüdische Gemeinde Ulms. Das große Fenster mit Davidstern-Motiv markiert die Ausrichtung nach Jerusalem. Bundespräsident Joachim Gauck hielt die feierliche Eröffnungsrede.

Von der ersten Idee zur Realisierung

In 2009 entschließt sich die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs K.d.ö.R. (IRGW) eine neue Synagoge für ihre Ulmer Gemeinde zu bauen und initiiert daraufhin gemeinsam mit der Stadt Ulm den Wettbewerb für den Neubau eines Gemeindezentrums mit Synagoge. Die Stadt Ulm unterstützt das Bauvorhaben wohlwollend und stellt den Bauplatz mitten auf dem Ulmer Weinhof, nur einen Steinwurf von der ehemaligen, in der Pogromnacht zerstörten Synagoge zur Verfügung.

Am 21.01.2010 ist es entschieden: die Wahl der Wettbewerbsjury unter Vorsitz von Prof. Arno Lederer fällt einstimmig auf den Entwurf von kister scheithauer gross architekten und stadtplaner (ksg). „Es ist dem Kölner Team gelungen, diese hochsensible Stelle im Ulmer Stadtraum zu bereichern, ohne ihr ihren einzigartigen Charakter zu nehmen“, so Baubürgermeister Alexander Wetzig. Insgesamt waren zehn Architekturbüros zu dem Wettbewerb eingeladen worden
.
Im Anschluss an den Wettbewerbserfolg wird der Entwurf, auf einige Anregungen des Preisgerichtes und des Rabbiners hin, verändert. Am 08.02.2011 erfolgt die Zustimmung des Ulmer Stadtrates zum überarbeiteten Entwurf der Synagoge, wieder mit einem einstimmigen Ergebnis. Der Quader ist nun niedriger und kürzer als zunächst im Wettbewerb geplant. Er misst jetzt 24 Meter in der Breite, 16 in der Tiefe und ist mit 17 Metern Höhe deutlich niedriger als das nahe gelegene Schwörhaus.
Der Spatenstich erfolgt am 17.03.2011. Gemeinsam mit den Vertretern der IRGW, dem Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner und Minister Yossi Peled als Vertreter Israels eröffnet Frau Prof. Susanne Gross die Baustelle.

Prof. Susanne Gross erläutert das Konzept

„Die Synagoge und das jüdische Gemeindezentrum sind in einem einzigen Baukörper zusammengefasst. Der kompakte Quader steht frei auf dem Platz. Die Position ergibt sich aus der Geschichte: in der Pogromnacht 1938 wurde die ehemalige Synagoge, die in eine Straßenrandbebauung eingefasst war, zerstört. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Lücke mit einem Gebäude profaner Nutzung bebaut. So verloren die Synagoge und das jüdische Gemeindezentrum ihren angestammten Platz im Zentrum der Stadt Ulm.

Das Bauwerk der jetzigen Synagoge hat ein neues Grundstück mitten auf dem Platz, dem Ulmer Weinhof, eröffnet. Als wäre die Synagoge von ihrer ehemaligen Position aus einen Schritt nach vorne getreten, hat sie sich ihren Standort zurückerobert. Ohne baulichen Saum steht sie als Solitär unvermittelt auf dem Weinhof.“

Alle Nutzungen des Gemeindezentrums und der Synagoge sind in dem glatten Baukörper, der gänzlich ohne Vor- und Rücksprünge der Kalksteinfassade auskommt, zusammengefügt: Ein Foyer im Erdgeschoss, eine unterirdische Mikwe, ein Versammlungssaal im 1. Obergeschoss. Die Schul- und Verwaltungsräume befinden sich im 2. Obergeschoss. Im 3. Obergeschoss liegt, geborgen in einem nicht einsehbaren Innenhof, die Kindertagesstätte mit Außenspielfläche. Die Spielfläche ist gleichzeitig das Dach des Sakralraumes.
Im Inneren sind alle Räume orthogonal organisiert, mit einer einzigen Ausnahme, dem Gebetssaal als der eigentlichen Synagoge. In einer Drehung um die einzige freistehende Innenstütze des Gebäudes erstreckt sich die Längsachse des Sakralraumes in die Raumdiagonale. Diese Raumdiagonale hat in ihrer Ausrichtung eine übergeordnete religiöse Bedeutung, sie zielt geographisch exakt nach Jerusalem, dem geistigen und religiösen Zentrum des Judentums.

Durch die diagonale Raumausrichtung ergibt sich im Sakralraum ein Eckfenster, das mit dem Motiv des Davidsternes als Raumfachwerk spielt. Anhand von über 600 einzelnen Fenstern ergibt sich in der Synagoge ein vielfach illuminierter Raum mit Schwerpunkt in dessen geistigem Zentrum, dem Thoraschrein. In der Dämmerung wird das Motiv durch die Innenbeleuchtung auch nach außen wirksam und macht damit auf einfache Weise den Inhalt des Bauwerkes deutlich.

Abgesehen von dem großformatigen Eckfenster hält sich das Gebäude ansonsten dezent zurück. In den funktional notwendigen Bereichen durchbrechen Fensteröffnungen die sonst weithin geschlossene Natursteinfassade. Erst im Bereich des Sakralraumes ist der Naturstein so aufgelöst, dass durch eine Perforation der Fassade das Licht in die Synagoge eindringt und diese zugleich nach außen hin abbildet.

Konstruktion, Fassade, Innenausbau und Materialien

Die Stahlbetonkonstruktion ist von einer Fassade aus Kalkstein umschlossen. Es handelt sich um den „Dietfurter Kalkstein“, der im bayerischen Dietfurt bei Treuchtlingen gebrochen wird. Die vorgehängte Natursteinverkleidung mit geschliffener Oberfläche und geschlossenen Fugen mit farblich abgestimmtem Mörtel besteht aus großformatigen Kalksteinplatten in Maßen bis 1,20 mal 0,90 Metern. Die Platten sind mit versetzten Fugen und in unterschiedlichen Höhenformaten montiert.

Das Eckfenster der Synagoge hat die Abmessungen von 2 mal 4,20 mal 8,50 Metern. Die darunterliegende Tragkonstruktion aus Stahl besteht aus einem Flachgitter mit dreieckigen Feldern. Diese Dreieckskonstruktion erwies sich als besonders belastbar, so dass die Konstruktionstiefe deutlich verringert werden konnte.

Ein Davidstern der perforierten Fassade besteht aus sechs Dreiecken mit einer Seitenlänge von ca. 19 Zentimeter und einem regelmäßigen Sechseck mit einer Höhe von 50 Zentimeter. Die Perforation des Kalksteines wurde mit einem Hochdruck-Wasserstrahl hergestellt.
Zusätzlich zur Synagoge umfasst der viergeschossige Neubau Mikwe (Ritualbad), Gemeindesaal, Bibliothek, Kindergarten mit Spielhof sowie ein Jugendzentrum. Im Foyer wurde eine Steinzeugfliese verlegt, in den restlichen Räumen Linoleum. Der Synagogenraum ist, genauso wie der Gemeindesaal, mit Stäbchen-Eichenparkett ausgelegt.
Der Gebetsraum bietet 125 Personen Platz, 40 davon befinden sich auf der Frauenempore. Die Sitzbänke stammen aus Israel. Die Wände sind bis 3,00 Meter Höhe mit Holztafeln auf einer Holzunterkonstruktion verkleidet. Darüber sind die Wände mit einem hellen Akustikputz versehen.

Die Innenausstattung der Synagoge basiert nur in Teilen auf Plänen von ksg, wie etwa der zwölfeckige Leuchter, ein Symbol für die zwölf Stämme des Volkes Israel. Gemeinsam mit den Vertretern der IRGW übernahm Rabbiner Shneur Trebnik die Auswahl des Gestühls und beauftragte in Israel die Anfertigung von Thoraschrein samt Bima, ein erhöhtes Podium mit Pult, von dem aus die Thora verlesen wird.

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