Heinze ArchitekturAWARD 2017: Teilnehmer
Textilbetonpavillon
52074 Aachen, Mies-van-der-Rohe-Straße 1
Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: IP arch - Büro für Integrale Planung GmbH
Basisdaten zum Objekt
Lage des Objektes
Mies-van-der-Rohe-Straße 1, 52074 Aachen, Deutschland
Objektkategorie
Objektart
Art der Baumaßnahme
Erweiterung
Fertigstellungstermin
04.2015
Zeichnungen und Unterlagen
Projektbeteiligte Firmen und Personen
Verwendete Produkte
Gebäudedaten
Tragwerkskonstruktion
Sonstige
Anzahl der Vollgeschosse
1-geschossig
Raummaße und Flächen
Bruttorauminhalt
900 m³
Bruttogrundfläche
210 m²
Kosten
Gesamtkosten der Maßnahme (ohne Grundstück)
800.000 Euro
Lage und Umgebung
Beschreibung
Objektbeschreibung
Beschreibung der Besonderheiten
Der Pavillon besteht aus vier miteinander gekoppelten, 4 m hohen »Schirmen«. Auf je eine Stütze aufgesetzt sind 7 x 7 m große, doppelt gekrümmte Textilbetonschalen mit nur 6 cm Dicke, die hier weltweit erstmals ausgeführt wurden und in der Tradition der Hyparschalen von Félix Candela stehen (s. auch db 5/2014, S. 78). Es ging den Forschern darum, eine effiziente, wirtschaftliche und dabei auch ästhetische Form zu entwickeln. Durch die Vorfertigung der Bauteile entfielen aufwendige Schalungsarbeiten, dieselbe Holzschalung konnte mehrfach verwendet werden und die Herstellung unabhängig von der Witterung erfolgen. Detaillierte Analysen führten zur Entwicklung eines effizienten Tragwerks und der richtigen Kombination aus textiler Bewehrung und Feinbeton, wobei bereits das Versetzen der Fertigteile und deren Montage untereinander sowie an Stütze und Fundament berücksichtigt wurde. Beispielsweise verläuft die Entwässerung der Schirme durch die Mitte der Stützen, und die Schirme wurden so miteinander verschraubt, dass sie sich nicht gegeneinander verschieben, sondern Wind-, Schnee- und Eigenlasten direkt vertikal abgeleitet werden können. Da dadurch auch der Stützenfuß entlastet wird, konnten sie sogar von oben nach unten schlanker werden – ganz im Sinne eines leichten Erscheinungsbilds des Pavillons.
Herstellung und Montage
Beton ist eine grobmotorische Angelegenheit? Von wegen! Bei der Herstellung der Schalen musste absolute Genauigkeit eingehalten werden – immerhin waren in den 6 cm Dicke 12 Lagen Carbontextil mit einem Abstand von 4,6 mm zueinander unterzubringen. Toleranz: 1-max. 3 mm. Deshalb beauftragten die Wissenschaftler ein mit dieser Herstellungsweise vertrautes Unternehmen, das die vier Bauteile in einem eigens aufgebauten Zelt in je einem Arbeitstag vorfertigte. Auf die Schalung wurden jeweils 5 mm Spritzbeton aufgebracht, eine Lage Textil verlegt und anschließend die nächste Schicht auflaminiert. Dabei wurde von außen nach innen gearbeitet. Ein exakter Verlegeplan sorgte dafür, dass in der gesamten Dicke des Bauteils max. zwei Stöße übereinander liegen, d. h. jeder Stoß von min. zehn anderen Lagen überspannt wird.
Nach diversen Versuchen hatte man sich auf einen Feinbeton mit Größtkorn 0,8 mm sowie ein Kettengewirk aus nicht imprägnierten Carbonfasern festgelegt, die das Institut für Bauforschung bzw. das Institut für Textiltechnik entwickelt hatten. Oft werden die Gewebe mit Epoxidharz oder Styrol-Butadien getränkt, um ihre Festigkeit zu erhöhen. Dadurch werden sie allerdings steifer, und hier war ein flexibles Gewebe aus feinem Garn gefragt, das der Schalenkrümmung einfach folgen konnte. Das Gewirk mit knapp 1 cm großen Maschen legte sich sehr flach und offen auf den Beton, sodass eine besonders gute Durchdringung und Anbindung erreicht werden konnte. Um einen sauberen Kraftfluss zu gewährleisten, war es wichtig, dass es an den Stößen keinen Versatz durch Überlappungen gab. Dafür wurden die Gewebebahnen mit einer Elektroschere bündig zueinander abgelängt und die benachbarten Bahnen miteinander verzahnt. Durch Verwendung von Portlandzement CEM I 52,5 N und ergänzende Zugabe von 6 mm kurzen, alkaliresistenten Glasfasern entstand ein Beton entsprechend C55/67, der aufgrund seiner Festigkeit bereits nach zehn Tagen ausgeschalt werden konnte. Alle zwei Wochen konnte also ein Fertigteil versetzt werden. Zur Montage wurde das Fertigungszelt oben geöffnet, jede Schale mit einem Kran herausgehoben und auf ihre Stütze gesetzt. Anker- und Befestigungspunkt war das Zentrum der Schale. Daher wurde das Bauteil hier auf 31 cm verdickt.
Noch dünner
Der Rohbau war 2011 innerhalb eines halben Jahres fertiggestellt. Ursprünglich war geplant gewesen, ihn für Ausstellungen zu nutzen, doch entschloss man sich recht bald, ihn, deutlich nachhaltiger, primär als Arbeitsplatz für Studenten zu nutzen. Hierfür mussten die Pläne überarbeitet werden, etwa hinsichtlich Wärmeschutz und einer dauerhaften Nutzung. Das Aachener Architekturbüro ip arch wurde damit beauftragt, die Fassade, das Dach und den Innenausbau zu planen. Im April konnte das Gebäude bezogen werden und wird seitdem fleißig genutzt.
Während der Bearbeitung des Pavillons konnten die Wissenschaftler die entwickelte Produktionsmethodik erproben und viel Erfahrung mit dem neuen Werkstoff sammeln. Das Wissen konnte bereits in einen weiterer Experimentalbau einfließen, der 2014 an der RWTH entstand: ein Fahrradunterstand, dessen selbsttragende Überdachung von 10 m² Größe sogar nur noch 20 mm dick ist. Sägeschnitte offenbarten die beeindruckende Lagengenauigkeit von Gelege und Beton. Ginge es noch dünner? Ja – hier hätten laut Alexander Scholzen vom Institut für Massivbau aufgrund der exakten Lagenverteilung und der hohen Zugfestigkeit der Carbontextilien auch 15 mm ausgereicht.
Ausblick
Nicht nur Scholzen sieht den Textilbeton schon längst reif für den allgemeinen Einsatz in der Baubranche. Da jedoch nach wie vor für Textilbeton-Bauten Zustimmungen im Einzelfall notwendig sind, seien die Hürden für Architekten und Ingenieure noch zu hoch, ebenso für die Industrie. Immerhin beschäftigen sich – auch im Zuge der Forschungen an der RWTH – bereits mehrere Firmen intensiv mit dem Thema. Scholzen ist optimistisch, dass es künftig noch mehr werden, insbesondere, wenn weitere Zulassungen für das neue Material erteilt werden.
Überzeugend sind die Vorteile allemal: Durch die auf ihre statische Funktion reduzierte Deckung werden rund 80 % weniger Beton benötigt, damit spart man – auch im Sinne der Nachhaltigkeit – Herstellungs- und Transportenergie, das Transportieren und Verlegen von Fertigteilen wird einfacher und energiesparender, weil die Bauteile leichter sind, und nicht zuletzt gewinnt man durch dünnere Bauteile, etwa Sandwichwände, mehr Fläche zum Arbeiten, Wohnen und Leben.
Schlagworte
Energetische Kennwerte
Energetische Kennwerte
Primärenergie
Fernwärme
Objektdetails
Gebäudespezifische Merkmale
Anzahl Arbeitsplätze
36
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