Architekturobjekte

Heinze ArchitekturAWARD 2021: Teilnehmer


Two Sides of One Border

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Universität Stuttgart, Architektur und Stadtplanung, Institut für Raumkonzeption und Grundlagen des Entwerfens, Dalya Ortak

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Universität Stuttgart, Architektur und Stadtplanung, Institut für Raumkonzeption und Grundlagen des Entwerfens, Dalya Ortak

Basisdaten zum Objekt

Lage des Objektes

Deutschland

Objektkategorie

Objektart

Art der Baumaßnahme

Entwurfskonzept

Fertigstellungstermin

06.2021

Gebäudedaten

Tragwerkskonstruktion

Holz

Anzahl der Vollgeschosse

3- bis 5-geschossig

Raummaße und Flächen

Grundstücksgröße

390.000 m²

Beschreibung

Objektbeschreibung

75 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges verblassen allmählich die Spuren der Zeit der Besatzung Deutschlands durch die Alliierten. Vor allem seit der Wiedervereinigung Deutschlands sind die Relikte der Stationierung von ausländischem Militär nur noch schwer aufzufinden. Der starke Abrüstungsprozess seit Anfang der 1990er Jahre, führte dazu, dass zahlreiche Militärstandorte in Deutschland aufgelöst wurden, ausländische Truppen abgezogen sind und die Thematik in den Mittelpunkt des politischen Diskurses rückte. Doch auch heute treten die Flächen immer wieder in den Fokus einiger Politiker*innen, sei es als politischer Spielball zur Machtdemonstration oder als Lösung der Wohnraumproblematik. Jüngst war es die Drohung des umstrittenen US-Präsidenten, die letzten militärischen Liegenschaften in Deutschland aufzulösen und die amerikanischen Soldaten*innen nachhause zu holen. Auch die Region Stuttgart wäre von diesem Abzug betroffen. Die Haltung zu diesen Flächen verändert kontinuierlich und über eine Konversion oder Umnutzung der Flächen wird oft spekuliert. Was würde mit diesen Orten passieren, die seit ihrer Erbauung einen Teil der militärischen Geschichte und der Lebensgewohnheiten ihrer Bewohner*innen konserviert? 

Das Schwierige an einer Neuorganisation dieser räumlichen Strukturen ist es, dass die Flächen mit der militärischen Präsenz zusammen entstanden sind und aufeinander eingewirkt haben. Die Art der Entwicklung und Struktur des Ortes kann dadurch nie isoliert betrachtet werden, sondern muss die Besetzung des Militärs als Teil ihrer eigenen Geschichte anerkennen. Dabei hängt die Raumwirksamkeit der Wiedereingliederung dieser Flächen auf die Region von den grundlegenden Faktoren, wie Größe, Lage, Art und Relevanz der militärischen Liegenschaft, sowie von der geplanten Umnutzung und deren Inkraftsetzung ab. Die Welt, die sich hinter dem hohen Zaun der ausländischen Militärbasen eröffnet, bleibt dabei für Betrachter*innen, sowie die Kommunen verwehrt. Die Eigenart dieser Orte macht die Konservierung der Geschichte und Kultur innerhalb ihrer Grenzen aus. Ihre räumlichen Strukturen erinnern mehr an Inseln – als Land im Land- und formen eine Einheit, die vermutlich erst durch eine Abgrenzung möglich ist. Grenzziehungen ermöglichen so die Ausbildung einer spezifischen Identität des Ortes, sind aber darüber hinaus auch Definitionen von Abschottung und Separation, die von Politiker*innen vor allem in den vergangenen Jahren als politisches Mittel eingesetzt wurden. 

Die Liegenschaft der Kelley Barracks im Stadtteil Stuttgart-Möhringen gliedert sich wie eine Inseln in die umgebende Struktur ein. Das Ensemble bestehend aus mehreren Stadtfragmenten, wie der Wohnsiedlung Asemwald, sowie der Daimler-Benz Konzerns liegt räumlich getrennt zueinander, umgeben von Wald und Ackerflächen. Durch die zunehmend verstärkten Sicherheitsmaßnahmen der USA seit 09/11 ist die Kelley Barracks weder einsehbar noch zugänglich und grenzt sich komplett von der Region ab. Bei einer Umnutzung dieser Fläche werden die physischen Barrieren der Kaserne aufgelöst. Dieses Auflösen ist jedoch nie gänzlich möglich, denn die Spuren der Grenzziehung werden bleiben. Auch von der Umgebung entstanden Grenzen, da sich die Region um die Kaserne über Jahre hinweg unabhängig von deren Präsenz entwickelt hat. Durch die Lage der Kaserne bietet sich ein Umnutzungskonzept auf der Mikroebene an, d.h. an das Anzuknüpfen was bereits vor Ort vorhanden ist. Die Universität Hohenheim, welche in unmittelbarer Nähe zur Kaserne liegt, will sich in den nächsten Jahren vergrößern und zum europäischen Standort für Bioökonomie heranwachsen. Für dieses Vorhaben bietet sich die Fläche der Kelley Barracks als neuer zukunftsorientierter Standort an und schafft so eine Verknüpfung zur den umliegenden Strukturen. Auch die Vergangenheit der Kaserne spielt bei einer Umnutzung eine große Rolle, denn die ehemalige Helenen Kaserne wurde 1938 unter der Anordnung der Deutschen Wehrmacht erbaut und mit dem Ende des Krieges von den Alliierten als Kelley Barracks übernommen. Die politischen Spuren der Kaserne werfen Fragen auf nach der Art und dem Umgang mit den Bestandsbauten. Architektur wird immer im Kontext der Zeit stehen und von ihm beeinflusst werden, dabei wirken die kulturellen, politischen und ökonomischen Aspekte auf dessen Entstehung ein. Ein Bauwerk an sich kann jedoch nicht politisch sein, bzw. eine politische Ausrichtung haben. Das ist auch bei der Kelley Barracks zu sehen, erbaut wurde diese unter nationalsozialistischer Hand und wurde dann von einer demokratischen politischen Macht in ihrer ursprünglichen Art übernommen. 

Die Geschlossenheit und militärische Ausrichtung der Kaserne, soll als Bildungsstandort eine entgegengesetzt offene Wirkung erzielen. Dabei werden die bestehenden Strukturen des Ortes akzeptiert und an diese angeknüpft. Die insuläre Morphologie der Kaserne wird durch die strukturelle Ordnung nach dem Bild der Gartenstadt verstärkt. Obwohl sich die Anordnung der Bestandsbauten durch reines militärisches Kalkül erklären lässt, erzeugt sie den Effekt einer gefassten Einheit, welche auch für den neuen Lehr- und Forschungscampus der Universität Hohenheim beibehalten wird. Ergänzende Neubauten gliedern sich in diese Struktur ein und werden innerhalb der Einheit im Sinne der städtebaulichen Struktur angeordnet. Die gekrümmten Kubaturen sind dem Bestand nachempfunden und knüpfen so an die Bestandsbauten an. Auch wenn die Form dem Bestand entspricht, wurden die existierenden Bautypen nicht kopiert, sondern neu interpretiert und vor allem in der Materialisierung von dem Bestand separiert. Eine wichtige Veränderung des Ortes für die Konversion zum Campusgelände ist die strenge Organisationsstruktur und Hierarchie der Kaserne mit der starken Zentralität zum Exerzierplatz. Diese Ausrichtung ist für einen Campus bzw. eine zivile Nutzung nicht passend. Durch den Eingriff in die Substanz und die Ergänzung des Bestandes, soll eine Vernetzung der einzelnen Bereiche erreicht werden. Nur durch das Überwinden der zentralisierten Ausrichtung können die einzelnen Institute und Einrichtungen auf dem Campusgelände gleichgestellt werden. Neue Forschungslabore, Werkstätten, Versuchsparzellen ordnen sich der radialen Struktur unter, verbinden sich mit dem Bestand und ermöglichen so einen Dialog zwischen Neubau und existierender Struktur. Der Campus soll eine Schnittstelle zu Forschung, Produktion und Praxis auf dem 39 Hektar großen Areal bieten und nimmt neben Instituten der Universität Hohenheim auch Unternehmen, wie Start-Ups der Agrarwirtschaft auf. 

Die Idee der Insel, die von der Kasernenstruktur herrührt, wird auf den Campus projiziert und interpretiert. Daher sind die Institute, sowie ergänzende Zonen des Campus immer als Einheit räumlich gefasst. Auch hier wird die Grenze, bzw. die beiden Seiten einer Grenze interpretiert. Im städtischen Raum ist eine Grenze wie jeder Raum, das Ergebnis aus Grenzziehungen. Unterschieden wird vom Eigen- zum Fremdraum, dabei impliziert eine Grenze eine Überschreitung. Erst die Überwindung der Grenze bestätigt ihre Existenz. Somit können Grenzen den Einlass und Ausschluss definieren organisieren und raumbildend wirken. Sie unterscheiden sich nach dem Grad ihrer Durchlässigkeit und nach diesem Prinzip werden verschiedene Grenzen auf dem Campusgelände definiert. Um das Areal zu organisieren und zu strukturieren, werden verschiedene Stufen und Wirkungen von Grenzen räumlich umgesetzt und strukturieren die Bereiche, die nicht von der existierenden Organisation der ehemaligen Kaserne bereits definiert sind

Schlagworte

Grenzziehung, Kasernen, US-Militär, Konversion, Umnutzung, Bestand, 2. Weltkrieg, Campus, Forschungseinrichtungen, Agrarwissenschaften, Start-Up, Studierende, Holzbau, Masterplan, Vergangenheit

Objektdetails

Gebäudespezifische Merkmale

Anzahl Arbeitsplätze

6.200

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