Architekturobjekt 1.633 von 13.841
Nominiert für die Shortlist der Jury 2023 - Nachwuchsarbeiten

Architekturobjekte

Nominiert für die Shortlist der Jury 2023 - Nachwuchsarbeiten


ZEIT:WÄNDE Sorgen um das Zurückgelassene - Ein Hafen im Alltag

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: TU Braunschweig, Architektur, Judith Stadtmann

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: TU Braunschweig, Architektur, Judith Stadtmann

Basisdaten zum Objekt

Lage des Objektes

Deutschland

Objektkategorie

Objektart

Art der Baumaßnahme

Entwurfskonzept

Fertigstellungstermin

03.2023

Gebäudedaten

Bauweise

Mauerwerksbau

Tragwerkskonstruktion

Kalksandstein

Anzahl der Vollgeschosse

2-geschossig

Raummaße und Flächen

Grundstücksgröße

45.000 m²

Beschreibung

Objektbeschreibung

Braunschweig besaß eines der ältesten Waisenhäuser in Deutschland, welches erstmals urkundlich im 12. Jahrhundert erwähnt wurde. Im Zweiten Weltkrieg trafen alliierte Bomben die Gebäude der Stiftung. 1961 zogen etwa 250 Kinder und Jugendliche in den Neubau des Waisenhauses an der Salzdahlumer Straße. Seit seiner Schließung im Jahr 2004 steht das alte Waisenhaus an der Salzdahlumer Straße leer. Einen Entwicklungsplan für das Grundstück sieht der private Eigentümer, der 2013 die Gebäude erwarb, nicht vor. Gelegen in einer heterogenen Nachbarschaft mit Krankenhaus, Schulen, Heizkraftwerk und Autobahnen liegt das alte Waisenhaus idyllisch in einem kleinen Wäldchen, losgelöst von der Stadtstruktur. Mittlerweile hat sich die Natur das Grundstück zurückerorbert, die Gebäude stehen leer zwischen großen Bäumen. Kinder und Jugendliche erorbern gleichermaßen die langsam zerfallenden Gebäude und erzählen ihre Geschichten durch Graffiti, das die Wände ziert. Das alte Waisenhaus ist immernoch Treffpunkt für Jugendliche – informell und temporär, unbefugt und unerwünscht.
Das lediglich vorgegebene Grundstück dieser Masterthesis ruft dazu auf eine persönliche Haltung zum Umgang mit dem Bestehenden zu entwickeln. Das Raumprogramm und die Nutzungen sind dabei selbst erarbeitet.


Heimeinrichtungen haben eine Vergangenheit mit Schrecken und Leid. Gewalt, Misshandlung und Missbrauch an untergebrachten Kindern und Erwachsenen waren in den 1960/70er Jahren leider keine Seltenheit. Auch das Große Waisenhaus in Braunschweig war davon betroffen.
Der Entwurf soll jeder Person mit jeglicher Art von schlimmen Erlebnissen eine helfende Hand reichen. Er soll aufklären, unterstützen, eine gute Integration in die Gesellschaft ermöglichen und allgemein mentaler Gesundheit mehr Aufmerksamkeit schenken. Der Entwurf soll das können, was das Waisenhaus vorher nicht konnte, er soll, mit einer Mischung aus öffentlichen Nutzungen und Wohnraum mit integrierten betreuten Wohngruppen, einen sicheren Hafen im Alltag bieten.

STÄDTEBAU
Das Entwurfsgrundstück wird von der Autobahn A39 im Nord-Westen, der Salzdahlumer Straße im Nord-Osten und einem Zaun im Süden zum Rest des Blocks unpassierbar abgegrenzt. Der gesamte Block wird nun im ersten Schritt mit minimalen Eingriffen im Straßennetz neu sortiert. Ein neu geplanter öffentlicher Fuß- und Radweg führt durch das Entwurfsgebiet und schafft eine städtebauliche Verbindung vom Ringgleis und der Innenstadt zum Heidbergsee als Naherholungsort. Das Entwurfsgrundstück wird dabei in eine grüne Quartiersinsel am Radweg, Wohnkörper im Süden und öffentliche Gebäude Richtung Salzdahlumer Straße - die einen Quartiersplatz und die Adresse bilden - aufgeteilt. Diese Setzung wird mit Neubauten vervollständigt, wobei ein reiner Neubau zwischen diesen beiden Zonen - der privaten und der öffentlichen - vermittelt, in dem beides stattfindet: öffentliche Nutzungen im Erdgeschoss und Wohnungen in den Obergeschossen.

ENTWURFSKONZEPT
Der selbst gesetzte Fokusbereich des Entwurfs konzentriert sich auf die Gebäude, die den Quartiersplatz rahmen.
Die architektonische Entwurfsidee verfolgt hierbei die Strategie, Neubauten in die Bestandskörper hineinzuschieben und dadurch die Außenräume zu sortieren und Eingangbereiche auszubilden. Dies soll die konzeptuelle Übertragung der Auseinandersetzung mit der Geschichte verkörpern: Zeiten sollen sich im Innen- wie im Außenraum gegenüber stehen.
Der Neubau aus angestrichenem Holz reagiert dabei auf die tragenden Achsen des gemauerten Bestands um einen Anschluss zu erleichtern und eine Aufstockung zu ermöglichen. In der Schnittfigur der Gebäude lässt sich die Verschneidung von Bestand und Neubau ablesen - alle Geschossplatten des Bestands werden nur in der Überschneidungsfläche erhalten, angrenzend entwickelt sich ein Luftraum.
Durch die Verschneidung bilden sich drei Zonen pro Gebäude, mit denen die innenräumliche Grundrissaufteilung der verschiedenen Nutzungen organisiert wird.
Jedes Gebäude hat dabei sein eigenes Oberthema, sowie seine individuelle Dachform, die an die Nutzung angepasst ist und die Raumwirkung atmosphärisch unterstützt.

Beschreibung der Besonderheiten

DIE SECHS GEBÄUDE

Forum | Haus der Information

  • Hier ist die Adresse inklusive eines Foyers mit erhöhtem Dach und seitlichen Oberlichtern, erzeugt durch die Kassettendecke.
  • Die Kantine ist zugänglich für die ganze Nachbarschaft  und dient als Anlaufstelle in der Mittagspause für die Umgebung.
  • Eine flexible Raumzuschaltung ermöglicht parallele oder separate Nutzungen und Veranstaltungen.

Treff | Haus der Kommunikation

  • Der Neubau als Wintergarten hat ein Glasdach mit prägnantem außenliegenden Sonnenschutz auf dem Dach in Form von schiebbaren Tüchern.

Werk | Haus der Kreation

  • Die Ateliers im Obergeschoss haben Dachlaternen für eine noch besseren Belichtung.
  • Der Neubau bildet das Foyer und hat eine aufschiebbarer Glasfassade zum Platz um mit dem Außenraum zu kommunizieren und ihn für Veranstaltungen, wie beispielsweise einen Verkauf oder Flohmarkt zu nutzen.

Saal | Haus der Ausstellung

  • Der Bestandskörper hat eine Fassade aus blauen Mosaikfliesen von dem nur das Dach durch ein neues Sheddach für eine gleichmäßige, indirekte Belichtung von Norden ausgetauscht wurde.

Wohnen | Haus der Technik

  • Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach und ein Geothermieheizkreislauf versorgen das gesamte Quartier von hier mit Strom und Wasser.
  • Drei intensiv betreute Wohngruppen in jeweils unterschiedlichen Größen mit Personalraum befinden sich in den Maisonettewohnungen in den Obergeschossen. Jede Wohngruppe hat einen zusätzlichen kleinen Ruheraum, der über ein Dachfenster belichtet wird.
  • Dies ist der reine Neubau als vermittelnder Körper in der städtebaulichen Setzung zwischen dem öffentlichen Quartiesplatz und dem Wohnen im Süden des Grundstücks.

Ruhe | Haus der Emotionen - der besondere, atmosphärische Baustein

  • Von den drei Grundriss-Zonen wird die Bestandszone zum Außenraum. In anderen Worten: sie wird in ihrer jetzigen Form erhalten, da der Bestand keine Fenster mehr in den Öffnungen hat. Gruppen- Therapie und Zimmer für offene Sprechstunden befinden sich hierbei in der Überschneidungszone.
  • Die Erschließung der einzelnen Räume funktioniert über den bereits bestehenden Innenhof. Hier ist es möglich vom Platz durch die thermisch außenliegende Bestandszone als Zwischenzone bis in den Innenhof zu gelangen, ohne eine Barriere in Form einer Tür als hemmendes Element zu haben. Es sit daher möglich, sich mit dem Gebäude vertraut zu machen, ohne an einer Therapie oder einem Kurs teilnehemen zu müssen. Die vier geneigten Dachflächen Richtung Innenhof führen bei Regen zu einem umlaufenden Vorhang aus Wasser. Es entsteht ein beruhigender Raum, der die Sinne anspricht.
  • Bei diesem Gebäude werden die neuen Wände ein Stück von der Bestandswand abgesetzt um jeweils vor den Therapieräumen einen kleinen Außenraum zu erzeugen, in dem die Pflanzen wie bisher von außen durch die Öffnungen in den Bestandwänden hineinranken können. Außerdem bilden sich dadurch Loggien aus.
  • Im weiteren Teil des Bestandsgebäudes wird die Hülle zur Raumgrenze des Quartiersgartens. Das Dach wird in manchen Bereichen aufgebrochen, die Innenwände werden entfernt und der neue Rad- und Fußweg taucht durch den Bestand hindurch. Außerdem setzen sich Gewächshäuser und kleine Stahlgerüste zum Ranken von Pflanzen und Zonieren von Sitzbereichen in den Bestand hinein. Es entstehen viele Rückzugsorte zum Verweilen.
  • In Verlängerung dieser Diagonalen, an der auch der Innenhof liegt, befindet sich auf dem Quartiersplatz noch der alte Pool, der als weitere Sitz- und Entspannungszone in seinem jetzigen Zustand erhalten bleibt.

Nachhaltigkeit

Das Wohnhaus, welches mehr Wasser- und Stromverbrauch als die anderen öffentlichen Gebäude aufweist, wird zum Haus der Technik. Es versorgt das Quartier mit Warmwasser über eine Geothermie-Anlage und Strom über die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach.

Schlagworte

Bauen im Bestand, Wohngruppen, Therapie, heilende Architektur, Waisenhaus, Sozialbau

Objektdetails

Gebäudespezifische Merkmale

Anzahl Betten

23

 

Anzahl Wohneinheiten

3

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