Seit 1995 plante die Stadt Wien an einem neuen Zentralbahnhof. Kaiser Franz Josef hatte Ende des 19. Jahrhunderts die großen Kopfbahnhöfe in Wien errichtet, mit dem Gedanken, dass stets nur Wien Ausgang und Ziel einer jeden Reise ist. Über hundert Jahre lag die Stadt Wien also im Mittelpunkt verschiedener Bahnhöfe. Erst vor wenigen Jahren, als 2014 der neue Hauptbahnhof in Wien an den Start ging, lag erstmals ein Bahnhof im Mittelpunkt Wiens. Die Stadt versteht sich nicht mehr als Zentrum der Welt, sondern als Brücke zwischen Ost und West, Nord und Süd. Der Wiener Hauptbahnhof ist heute ein Drehkreuz für über 1.000 Züge und über 100.000 Fahrgäste. Er besteht aus drei Ebenen: in der Mitte die Gleise und Bahnsteige, darunter ein Einkaufszentrum, darüber das schon weit bekannte und für seine Architektur prämierte Stahldach. Das stammt aus der Feder der Architekten Wimmer, Hoffmann und Hotz. Die Vogelperspektive zeigt die Idee der ikonischen Architektur: Zehn lange Stahlbänder weben sich jeweils paarweise über die Gleise und knicken dabei in der Höhe und versetzt zueinander auf und ab. Sie verlaufen mit den Gleisen von West nach Ost, die europäische Achse von Paris bis Bukarest verbildlichend. Das Dach ist 430 m lang und misst an seiner breitesten Stelle 120 m. Um die Dimensionen zu begreifen, schreibt der Autor Thomas Geuder: „Rund 7.000 Tonnen Stahl wurden für die 37.000 m² große Dachkonstruktion verbaut, was ungefähr der Menge des Eiffelturms in Paris entspricht.” Das Dach war allein schon durch seine Größe für die Statik, für die Belichtung der Flächen darunter und für den Brandschutz eine besondere Herausforderung. Die Konstruktion besteht aus Raumfachwerken, die jeweils 38 m weit spannen. Darin sind große, rautenförmige Oberlichter – 14 sind es insgesamt – eingelassen. Das erzeugt im Innern helle und stützenfreie Bahnsteige. Die Unterseite der gefalteten Bänder ist mit ALUCOBOND®-Paneelen verkleidet. Das hat sicherheitstechnische und gestalterische Gründe: Die Verbundplatten aus Aluminium und einem mineralischen Kern erfüllen die höchsten Brandschutzanforderungen. Sie sind zudem relativ leicht, was bei der Ausdehnung des Daches wichtig ist. Zugleich erzeugen sie eine besondere Lichtwirkung im Bahnhof: Das Licht reflektiert auf den Flächen je nach deren Neigung unterschiedlich hell. Im An- oder Vorbeifahren ergibt sich daher eine spannende Abfolge aus verschieden Lichtintensitäten, eine besondere Dynamik, die Wien oder vielmehr seinen Bahnhof auch für Durchreisende unvergesslich macht.